Boykott-Aktionen im Frauenfußball: Kickerinnen begehren auf
Wider die Missstände im Verband: Wie sich Fußballprofis in Frankreich und Spanien gegen Unprofessionalität und schlechte Manieren wehren.
W endie Renard, Marie-Antoinette Katoto, Kadidiatou Diani, Patri Guijarro, Mapi León, Aitana Bonmatí, Mariona Caldentey, Sandra Paños, Claudia Pina: So klangvoll beginnt die Liste der 18 Spielerinnen aus Frankreich und Spanien, die nach aktuellem Stand die WM im Sommer freiwillig verpassen werden. Auch die rekonvaleszente Weltfußballerin Alexia Putellas könnte sich noch für einen Boykott entscheiden. Alle Streikenden empfinden die Situation in ihren Nationalteams als untragbar.
Es wäre ein Super-GAU für eine Branche, die den Fußball der Frauen gern als ständigen Fortschritt inszeniert. Seit September verweigern 15 spanische Nationalspielerinnen den Einsatz für ihr Team; seit vergangener Woche tun selbiges drei Französinnen, auch hier unter großem Zuspruch von Kolleginnen. Wenngleich Streik im Fußball der Frauen fast schon zum Standardwerkzeug gehört, ist dieser Massenboykott ein Novum. Und die Fälle weisen Parallelen auf.
Hier wie dort sprechen Spielerinnen anonym von einem System der Angst unter Cheftrainerin Corinne Diacre beziehungsweise Cheftrainer Jorge Vilda von Teamkameradinnen in Tränen, einer unerträglichen Atmosphäre und fehlender Kommunikation. In beiden Fällen reagierte der Verband beleidigt und kompromisslos auf die Widerworte. Das ist zunächst nichts weiter als eine bemerkenswerte Gleichzeitigkeit, noch kein Systemproblem. Interessanter wird es bei der sportlichen Kritik, die beide Lager in den Vordergrund stellen.
Verpasster Aufbruch
Französische Spielerinnen bemängeln amateurhaftes Management, Unterbesetzung im Betreuerstab, schlechtes Training und Mängel bei Taktik und Matchplan. Nach der Heim-WM 2019 sei ein Aufbruch verschlafen worden. Die Spanierinnen, die Vilda als unfähig und unterqualifiziert bezeichnen, kritisieren auch taktische und methodische Mängel, die einen hervorragenden Kader seit Jahren auf der Stelle treten ließen.
Hier wird es tatsächlich systemisch: Spielerinnen, die in ihren Vereinen beste Bedingungen haben, treffen auf Verbände, die immer noch so ignorant und amateurhaft agieren wie vor Jahrzehnten. Sowohl Diacre als auch Vilda (seit 2017 beziehungsweise 2015 im Amt) stehen seit Langem in der Kritik, wurden aber jeweils vom Präsidenten geschützt – in Frankreich war es der gerade der wegen mutmaßlicher sexueller Belästigung und Mobbing geschasste Noël Le Graët, in Spanien Luis Rubiales. Beiden wird Desinteresse am Frauenfußball nachgesagt.
Die Strukturen im Nationalteam stehen still, während sich der Klubfußball rasant entwickelt. Kein Zufall ist daher die Klubzugehörigkeit der Spielerinnen. In Spanien wird die Rebellion geführt von Barca-Spielerinnen, in Frankreich liegt Diacre seit Jahren mit den Frauen aus Lyon im Clinch. Beides innovative Spitzenklubs mit hohen Standards. Dass beide Rebellionen beim Rivalen der Hauptstadt entsprangen (während die Spielerinnen aus Madrid etwa angeblich unter Druck gesetzt wurden, nicht teilzunehmen), gibt dem Aufruhr gleich noch eine politische Komponente.
Die Profispielerinnen der Großklubs sind offensichtlich mächtig genug, ihre Verbände herauszufordern, wie es zuvor schon Ada Hegerberg (ebenfalls Lyon) getan hat. Ob sie mächtig genug sind, diesen Kampf zu gewinnen, wird sich zeigen. Vilda zählt weiter auf den Support von Rubiales und hat derzeit auch ohne die abtrünnigen 15 den sportlichen Erfolg auf seiner Seite. Diacre hat mit Le Graët ihren Unterstützer verloren und könnte stürzen. Ein unverhohlener Kritiker unter denen, die nun über ihre Zukunft entscheiden: Jean-Michel Aulas, Besitzer von Olympique Lyon.
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