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Björn Höcke und das Holocaust-MahnmalGeschichtsrevisionisten der Mitte

Rudolf Augstein kritisierte das Mahnmal schon 1998 – in Worten, die denen Höckes ähneln. Schon damals fanden viele das Erinnern unbequem.

Schon vor seinem Bau wurde um das Holocaust-Mahnmal in Berlin heftig gestritten Foto: dpa

Es ist der Moment, auf den die AfD gewartet hat. Björn Höcke bezeichnet in einer Rede das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“, welches das deutsche „Volk“ sich ins „Herz seiner Hauptstadt gepflanzt“ habe. Er fordert eine „180-Grad-Kehrtwende“ der Geschichtspolitik. Medien und Politiker_innen reagieren empört, verweisen auf die extrem rechten Anklänge dieser Rede. Und die AfD kontert: Genüsslich verweist sie auf den Schriftsteller Martin Walser und den Spiegel-Gründer Rudolf Augstein, die sich schon 1998 in gleicher Weise geäußert hätten. Kritik oder gar Nazi-Vergleiche seien hier also unangebracht und lächerlich. Dabei ist es genau andersherum: Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an Höcke erst recht angebracht.

Worauf sich die AfD hier bezieht, ist die Diskussion um das Gedenken – oder eben Nichtgedenken – in Deutschland im Zuge der sogenannten Walser-Bubis-Kontroverse Ende der 1990er Jahre. Im Oktober 1998 hielt Martin Walser bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche eine Rede, in der er die „Dauerpräsentation unserer Schande“ ebenso beklagte wie deren „Instrumentalisierung“ zu „gegenwärtigen Zwecken“. Er sprach vom Vernichtungslager Auschwitz als einer „Drohroutine“ und „Moralkeule“.

Ignatz Bubis, Holocaust-Überlebender und damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden, kritisierte diese Rede scharf und warf Walser „geistige Brandstiftung“ vor – ein Ausdruck, den er im Zuge der öffentlichen Debatte wieder zurücknahm.

Damals war der Bau des Holocaust-Mahnmals gerade in Planung – und höchst umstritten. Walsers Plädoyer für einen Schlussstrich traf schon damals auf breite Zustimmung, in der Paulskirche wie auch im öffentlichen Diskurs. Besonders deutlich wurde damals Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein: Walser habe eine „fällige Debatte angestoßen“. In der „wiedergewonnen Hauptstadt Berlin“ solle nun „ein Mahnmal an unsere fortwährende Schuld erinnern“, dieses „Schandmal“ sei „gegen die Hauptstadt und das in Berlin sich neu formierende Deutschland“ gerichtet. Walser nannte das geplante Mahnmal einen „fußballfeldgroßen Albtraum im Herzen der Hauptstadt“.

Bis in die deutsche Mitte

Augstein stehe nun wahrlich nicht im Verdacht, ein Neonazi gewesen zu sein, erklärte der baden-württembergische AfD-Chef und Ko-Bundessprecher Jörg Meuthen in seiner Verteidigung der Rede Höckes. Das mag stimmen – macht aber weder Augsteins noch Höckes Ausführungen um auch nur einen Deut besser. Geschichtsrevisionismus ist kein Privileg und schon gar keine Erfindung der Rechtsextremen; auch Nationalkonservative kennen sich in diesem Feld gut aus.

Björn Höcke und alle, die ihn verteidigen, knüpfen hier an einen rechten Diskurs an, der in Deutschland schon lange existiert. Der Verweis auf Walser und Augstein zeigt vor allem: Dieser Diskurs ist zwar am ganz rechten Rand sehr beliebt – er zielt aber bis weit in die deutsche Mitte.

Walser und Augstein gehören beide zur Tätergeneration. „Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt“, sagte Walser in seiner Rede. Zudem, das betonte Augstein in seinem Text, habe man ja nichts gewusst. Es ist die alte Leier von den unschuldigen Deutschen, die vom Holocaust ja nichts geahnt haben, und jetzt solle man sie doch bitte damit in Ruhe lassen. „Man“ bedeutet hier vor allem: die Opfer.

So schrieb Augstein in seinem Text vom Druck der „New Yorker Presse“ und den „Haifischen im Anwaltsgewalt“ – und bediente sich damit gängiger antisemitischer Klischees. Auch sprach er davon, wie Helmut Kohl hinsichtlich des Mahnmals nach einem Israel-Besuch „eingeknickt“ sei.

20 Jahre des Schweigens

Der Bau werde zudem „Antisemiten, die vielleicht sonst keine wären“, schaffen; Deutschland würde dadurch „Prügel in der Weltpresse“ beziehen, und zwar „jedes Jahr und lebenslang, und das bis ins siebte Glied“. Die Täter-Opfer-Umkehr und die Behauptung, nicht der Antisemit sei schuld am Antisemitismus, sondern die Juden; es sind beliebte Argumente der Rechten, wie auch Stefan Niggemeier auf dem Blog Übermedien analysiert. Der österreichisch-israelische Psychoanalytiker Zvi Rix sagte einst treffend: „Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen“.

Die Schlussstrichdebatte war schon 1998 ein verlogener, auf die eigenen Befindlichkeiten abzielender Diskurs. Die Aufarbeitung des Holocaust war in der Bundesrepublik ein schleppender Prozess. Die Institutionen waren von Altnazis durchsetzt. 20 Jahr lang, bis zu den Auschwitz-Prozessen Mitte der 1960er Jahre, war das Thema kaum präsent. Um den Begriff „Holocaust“ überhaupt ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, brauchte es erst die Ausstrahlung der gleichnamigen US-Fernsehserie im Jahr 1979 – ein Medium der Populärkultur, nicht der politischen Aufarbeitung.

Es geht nicht um Deutsche, die mit dem Gewicht ihres eigenen Gewissens nicht zurechtkommen. Das anzunehmen, ist allein schon Ausdruck unermesslicher Selbstbezogenheit.

Bubis habe mit seiner Kritik „einen gehörigen Mangel an Urteilsvermögen“ zu erkennen gegeben und sich in ein „gesellschaftliches Abseits“ manövriert, schrieb Augstein seinerzeit. Besonders mit dem zweiten Zitat hatte er leider recht. Auch wenn er und Walser schon damals von einigen Seiten scharf kritisiert wurden – der Applaus war laut. Und laut sind die Stimmen, die einen Schlussstrich fordern, auch heute noch.

Schon 1998 war abzusehen, dass rechte Revisionisten sich auf Walser beziehen würden. Björn Höcke ist nur ein Beispiel dafür. Doch Höcke ist nicht irgendein Nationalkonservativer. Man muss diese Rede im Kontext früherer Aussagen betrachten. Im Dezember 2015 etwa hatte er Menschen in Afrika und Europa evolutionsbedingt unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien unterstellt – „Ausbreitungstyp“ versus „Platzhaltertyp“. Mit diesen Begriffen differenziert die Biologie das Fortpflanzungsverhalten von Lebewesen, wobei der „Platzhaltertyp“ vor allem Säugetiere und insbesondere den Menschen bezeichnet.

„Wir“, die Deutschen von 1945

In seiner Dresdner Rede gibt es unzählige Stellen, die die Grenze zwischen den Deutschen im Nationalsozialismus und den Deutschen heute verschwimmen lassen. So sagte er über die Bombardierung Dresdens: „Man wollte uns unsere kollektive Identität rauben, man wollte uns mit Stumpf und Stiel vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das auch fast geschafft.“

Walser und Augstein wollten ihre Schuld nicht mehr vorgehalten bekommen und sich als Deutsche wieder wohlfühlen können – was als private Verdrängungsstrategie funktionieren mag, für eine Gesellschaft aber keine Option sein darf. Höcke hingegen erweckt den Eindruck, mit den Deutschen von damals wenig Probleme zu haben.

Widersprechen muss man beiden Positionen – anders, als Jakob Augstein es tut. Er nennt Höcke in einer Spiegel-Kolumne nun zwar beherzt einen „Nazi“; seinen Vater Rudolf Augstein aber nimmt er in Schutz. Dieser sei an der Schuld „buchstäblich zerbrochen“ und habe vom Holocaust damals nichts gewusst. Sein Vater habe damals „keine schönen Formulierungen“ verwendet, ist seine schärfste Kritik am Text seines Vaters. Die Differenz zwischen Rudolf Augstein und Björn Höcke zu betonen, ist richtig. – den einen deswegen freizusprechen, falsch.

Es darf keinen Schlussstrich unter der Erinnerung geben. Was geschehen ist, muss präsent bleiben. Es geht dabei allerdings nicht um Deutsche, die mit dem Gewicht ihres eigenen Gewissens nicht zurechtkommen. Das anzunehmen, ist allein schon Ausdruck unermesslicher Selbstbezogenheit.

Es geht darum, das Andenken der Opfer zu ehren. Und zuallererst geht es um eine kollektive Verantwortung für die Zukunft. „Nie wieder“ ist keine Floskel. „Nie wieder“ ist das, was wir alle uns zu Herzen nehmen und wofür wir eintreten müssen, jeden Tag aufs Neue. Und wenn man sich die Welt von heute ansieht, dann beschleicht einen das Gefühl, dass wir uns eher noch viel mehr erinnern müssten.

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39 Kommentare

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  • "wir gehen in die Höcke, tanz den afdler, immer in die medien, einmal rechts einmal links"

    ich finde die stolpersteine besser.

    das holocaust mahnmal rein optisch:

    zu deutsch, zu westwall aber wohl angemessen.

  • Jene 12 Jahre sind jetzt 72 Jahre vergangen. Die Täter sind tot, die Opfer auch, oder stehen zumindest im neunten Lebenjahrzehnt. Schon meine Großeltern hatten nichts mehr mit den Nazis zu tun. Für mich ist Hitler emotional ebenso weit weg wie Napoleon oder Julius Cäsar. Die Täter sind tot, die Opfer auch oder stehen weit in den 90ern. Meine Generation hat ein Recht darauf, nicht mehr genervt zu werden und wir werden uns dieses Recht nehmen.

    • @Cristi:

      Wenn es für Sie so weit weg ist, warum nervt es Sie denn dann so?

       

      Klingt mir nicht sehr logisch.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Cristi:

      Genervt?

       

      Im Ernst? Die deutsche Geschichte so hinbiegen, dass nur noch Goethe und das Ohnsorg-Theater übrig bleiben.

       

      Das Recht der Jugend auf Dummheit.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Schaut halt lieber DSDS mit Dieter Bohlen und dessen Protagonisten.

        Selten so einen Schmarrn gelesen ...

        • @Pink:

          Zum besseren Verständnis: Das Thema Hitler und alles was damit zusammenhängt, wird derart übertrieben intensiv in diversen schulischen Fächern und medial behandelt, dass es den meisten meiner Generation nicht nur zum Hals heraushängt. Anderes auch Vermittelnswerte wird dafür nicht oder zu kurz behandelt. Deswegen muss man noch lange nicht politisch oder geschichtlich desinteressiert oder gar Fan des Ohnsorg-Theaters oder von Dieter Bohlen sein. Das Übertreiben führt zur Ablehnung, nicht das Diskutieren in einem vernünftigen Umfang. Die Wahrheit zu sagen war noch nie ein Zeichen von Dummheit!

  • Ich denke nach wie vor, dass der Schuldbegriff problematisch ist. Schuld impliziert für viele Menschen eine unmittelbare, persönliche Beteiligung. Wenn der Begriff derart belegt ist, sind Abwehrreaktionen verständlich. Mir erscheint der Begriff Veranwortung passender. So böte sich auch die Möglichkeit zu einer Konkretisierung: Welche Verantwortung trage ich heute? Was soll ich tun, um dieser Verantwortung gerecht zu werden?

  • Ich finde dieses Denkmal sogar gut gelungen. Eine Monstrosität aus schiefen Steinen für die Erinnerung an ein monströses Geschehen welches sich kaum in Bilder fassen läßt. Ich war vor kurzem in Berlin und habe es mir angesehen. Es ist ja erlaubt und wohl sogar erwünscht, daß da Kinder spielen und Leute allen möglichen Unsinn (und Selfies) machen können.

    Irgendwann werden diese schiefen Steine ja umfallen. Aber eben nicht solange Leute wie Höcke da irgendwelche Schlußstriche ziehen wollen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nämlich aus gutem Grund als Gegenentwurf zum NS-Staat gedacht und nur politische Selbstmordattentäter gehen dagegen an. Besonders Beherzte sollten Herrn Höcke sogar dankbar sein, da er die AFD mit seinen Redereien dorthin führt wo sie die meisten Taz-Leser sehen wollen ... in den politischen Abgrund.

    Allerdings sollte Frau Riese ihren Text auch mal der Kollegin Kaul zu lesen geben. Die nämlich liegt auf Kosten der Taz-Leser am Mittelmeerstrand und haut dort ab und zu Texte raus wonach die Juden am Unglück der Welt die Alleinschuld haben. Und damit bläst sie in dasselbe Horn wie Björn Höcke und Sohn wie Vater Augstein.

    Es spricht nicht für die Taz, daß sie in dieser für jeden Deutschen zentralen Frage keine konsequente Haltung hat. Immerhin zeigt die Volontärin Dinah Riese da Haltung.

    Wobei: Das Holocaust Denkmal in Berlin ehrt nicht die Opfer (wie soll das auch gehen?) sondern ist eine Erinnerung an eine Tat von Deutschen.

  • "Bis in die deutsche Mitte"

    Der Aussage und Analyse von Dinah Riese, eine verlängerte Linie von Walser, Augstein zu Höcke zu ziehen, kann ich nur zustimmen.

    Mit Nazis haben Leute wie Augstein gemein, dass sie sich durch das Erinnern an die Shoa in ihren Gefühlen zu "ihrem Deutschland" gestört fühlen und sie ihren Nationalismus/Patriotismus, positiven Staatsbezug nicht ausleben können. Diese sollen durch einen Schlussstrich oder ganz neudeutsch und staatstragend gerade durch eine vorgeblich vollzogene Aufarbeitung wieder aufleben können.

  • Mit Statements zur Nazizeit und allem, was damit zusammenhängt, ist im modernen Deutschland politisch kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Und das ist gut so. Ich verstehe nicht, weshalb man sich als Politiker, gleich welcher Couleur überhaupt noch auf dieses Glatteis begeben mag.

    • @Nikolai Nikitin:

      Ich kann es auch nicht verstehen.

       

      Was wollen Höcke, Petry, Gauland und Co. als Partei damit erreichen, wenn ein Denkmal, dass an die Ermordung Millionen Unschuldiger, Menschen, Kinder, Frauen und Männer, die man gequält, verhungert lassen, gefoltert , vergewaltigt hat, verbrannt, vergast, missbrauch hat - Millionen denen kein Grabstein als Erinnerungsort aufgestellt wurde - als "Schandmal" bezeichnet.

       

      Wollte man mit sich mit solch einem braunen Gedankenhaufen das Erinnern zum 75 Jahrestag (20.1.1942) der Wannseekonferenz Tabuverletzung obstruieren?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Sie sind es, unter anderen, die sich mit mehrdeutigen Kommentaren auf dieses Glatteis begeben.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Belege bitte.

        • @Nikolai Nikitin:

          tja - wo - bitte - soll frauman da anfangen.

          Da läßt man´s resigniert doch lieber.

          Nüscht für unjut - wa.

          Aber Sie - haben gefragt.

          (ps gehört auch zu meinen standards -

          " .. ja ok - wenn Sie denn das Echo - Abkönnen.")

          • @Lowandorder:

            Belege bitte.

            • @Nikolai Nikitin:

              Politischer Beilagensalat,

              made in China.

  • Ist Augstein ein Nationalkonservativer gewesen?

     

    Das zumindest legt die Passage "... macht aber weder Augsteins noch Höckes Ausführungen um auch nur einen Deut besser. Geschichtsrevisionismus ist kein Privileg und schon gar keine Erfindung der Rechtsextremen; auch Nationalkonservative kennen sich in diesem Feld gut aus." nahe.

     

    Augstein war allenfalls nationalliberal. Darüberhinaus wollte der Satz wohl sagen, dass ach die politische Mitte nicht vor Geschichtsrevisionismus gefeit ist.

     

    Was mich dabei wundert ist wie man mit Walser und Augstein auf den politischen Zustand der BRD hochrechnet und in der Mitte stehen bleibt, die dann wohl irgendwie Höhe SPD links endet und alles links der SPD, bspw. die SED und deren einseitigen Umgang mit der Geschichte ausklammert.

  • Spätestens jetzt muss man froh sein, dass wir das Mahnmal haben. Es demaskiert die richtigen Personen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @iStone:

      Kurz und bündig: richtig!

  • "Schandmal", "New Yorker Presse", "Monstrosität" - das sind wahrlich keine schönen Formulierungen. Muss da nicht jedem Neurechten geradezu das Herz aufgehen? " schreibt Augstein im Spiegel.

    Postfaktisch sind Augstein, Walser 1996er Worte Beute der Björn Höckes, der Historie nach aber keineswegs

     

    Haben Martin Walser, Rudolf Augstein in den aufgeregten Zeiten 1998 doch gute Gründe empört von der Moralkeule "Auschwitz" zu reden?, als in Jugoslawien der Zerfallskrieg voll entbrannt, seinem Höhepunkt an verbrecherischen Auswüchsen zustrebt, Joseph Fischer, genannt Joschka, als rotgrüner Außenminister völlig durch den Wind mit flackerndem Blick, Marathonläufer beim Lauf zu sich selbst, zum Hungerhaken abgemagert, wie von der Tarantel gestochen von den Furien der Kriegstreiberei, US-Außenministerin Madleine Albright, gejagt, dabei die New Yorker Presse, auf Parteitagen der Grünen in Bund und Ländern herausposaunt, ich war nie nie Pazifist, Unvereinbares in Kameras, Mikrophone stotternd stamelt.

     

    "ich habe Eines gelernt: Nie wieder Auschwitz! Nie wieder Krieg",

     

    um dann doch dem völkerrechtswidrigen Kosovokrieg 1999 ohne UNO-Mandat in einer Allianz der Willigen unter Führung der USA, bei erstmaliger Beteiligung der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg, zuzustimmen.

     

    Damals 1998 drei Jahre vor Nine Eleven 2001 konnte Niemand in Deutschland ahnen, auch nicht Rudolf Augstein, Martin Walser, dass es in Zeiten der Globaisierung von Terror wie auch immer geartet, unter Bruch des Völkerrechts keiner Moralkeule "Auschwitz" bedarf, um verdeckt oder offen, asymmetrische Kriege gegen Zivilbenölkerungen zu führen mit inzwischen an die 70 Millionen Geflüchteten inner- und außerhalb ihrer Heimatländer https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/hoecke-verschwurbelt-walsers-1998er-wort

  • ich kann die Aufregung damals wie heute nicht ganz nachvollziehen. Ich verstehe den "fußballfeldgroßen Alptraum" als "Beschreibung". Der Holocaust war ein unfassbar grausamer "Alptraum", der dummerweise nicht einmal ein Traum, sondern real war.

     

    Von daher ist das Denkmal eben auch ein Denkmal der Schande, nämlich des schwersten Staatsverbrechens der Geschichte.

     

    Gleichwohl ist es auch richtig, jede "Instrumentalisierung" der Nazi-Zeit für heutige politische Zwecke abzulehnen. Die AfD ist nicht die NSDAP. Abschiebeflüge sind keine Massenvernichtung und Tierfabriken sind ekelhaft, aber kein Holocaust.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Man kann sich natürlich auch naiv stellen und so tun, als ob Höcke nur das beste will und meint

      • @6474 (Profil gelöscht):

        an dieser Stelle sagt er jedenfalls nicht, dass es eine Schande ist, dass das Denkmal da steht, sondern dass Deutschland das einzige Land sei, das seiner größten Schande ein Denkmal setzt.

         

        Andere Passagen der Rede finde ich da weit problematischer, etwa die Betonung von Dresden als Kriegsverbrechen (wobei ich "Do it again" auch nicht besser finde) oder die Darstellung der Bundesrepublik als ein Land, das bewusst in einen multikulturellen Abgrund geführt wirde, um es zu vernichten. HIER geht es aber um das Mahnmal.

  • Wahrnehmung ist immer selektiv - letztendlich sehe ich nur, was ich sehen möchte. Ich sehe in diesem Denkmal die grösse Deuschlands, seine üble Vergangenheit aufzuarbeiten - im Gegensatz zum Rest der Welt - Israel eingeschlossen. Dieses Mahnmal ist architktonisch gelungen, und steht für mich stellevertretend für alle Grausamkeiten dieser Welt - die vergangenen, aktuellen und zukünftigen... leider.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Karo:

      "Ich sehe in diesem Denkmal die grösse Deuschlands, seine üble Vergangenheit aufzuarbeiten - im Gegensatz zum Rest der Welt - Israel eingeschlossen."

       

      Israel eingeschlossen?

      Bitte was?!....

  • Björn Höcke hält das Stöckchen hin, und alle, von der Bundesregierung über Parteien und Politiker bis zur Presse springen drüber.

     

    Da freuen sich Höcke und die AfD über ihre gelungene Provokation, da freut sich auch Jakob Augstein über die unerwartete und gar nicht so leichte Aufgabe.

     

    Für jeden, der lesen kann, ist deutlich, dass Björn Höcke und Rudolf Augstein das gleiche gesagt und, selbst wenn das manchem nicht gefällt, auch gemeint haben. Neben den beiden Hauptdarstellern gibt es andere, die nichts sagen oder schreiben, aber die Meinung der Björn Höckes und Rudolf Augsteins über das sogenannte "Schandmal" teilen.

     

    Und auch das trägt zum Reiz dieses in jeder Hinsicht großartigen Denkmals und Kunstwerks bei.

  • Was geschehen ist, muss präsent bleiben, da gebe ich Dinah Riese völlig recht. Die Frage ist nur, wie diese Präsens zu organisieren ist.

     

    Wieso wohl mag erst die Ausstrahlung einer US-Fernsehserie den Begriff "Holocaust" ins öffentliche Bewusstsein der Deutschen gebracht haben? Und welche Therapievorschläge hatte der israelische Psychoanalytiker Zvi Rix? Wollte er der Welt tatsächlich mit nur einem resignierten Satz im Gedächtnis bleiben?

     

    Wäre es nicht besser, "die Deutschen" würden "den Juden" das Lager Auschwitz nicht bloß "verzeihen" (was für ein Gedanke!), sondern dafür sorgen, dass sie sowas niemals wiederholt? Ich finde schon. Aber ich will ja auf der Asche der Toten auch kein Heiligtum für mich errichten.

     

    Die "politische Aufarbeitung" hat offenbar nicht richtig funktioniert. Wieso nicht? Weil sie zu wenig Leuten eine Chance gegeben hat, erwachsen zu werden. Sie beruht auf dem Prinzip der Kriegsführung. Mit diesem Prinzip schafft man keine verantwortungsbewussten Individuen. Man schafft Fronten und Befehlsempfänger. Man macht private Verdrängungsstrategien zu gesellschaftlichen Optionen. Rohrstöcke haben noch nie gebildeten Menschen gemacht und auf dem Schlachtfeld hatte das Gedenken an die Opfer noch nie einen Platz.

     

    In diesen ganzen Debatten geht es mir zu sehr um die Täter. Um die alten und die neuen. Um die Mörder und um die Verharmloser. Um die Feiglinge und die Vatersöhnchen. Um die individuellen (!) Opfer geht es mir zu wenig. "Die Juden" kann ich einfach nicht bedauern. Dann schon lieber eine US-Fernsehserie.

     

    Es hilft nicht, Höcke und Co zu Märtyrern zu machen. Der Mensch ist schließlich nicht nur "Platzhalter", sondern auch Solidaritätsüber. Wer sich (wie gerade eben wieder die US-Kultur-Elite) gerne als Krieger inszenieren will, muss das natürlich total ignorieren. Wie ich das empfinden soll, wenn nicht als "Ausdruck unermesslicher Selbstbezogenheit" weiß ich grad nicht.

  • Danke.

    Daß es dazu vieles zu ergänzen gibt -

    Tut keinen Abbruch - Liegt ja gerade in der Natur der Sache.

     

    & "Der Stein - bestimmt das Bewußtsein".

    Bei Rudolf Augstein wie bei Martin Walser gut ablesbar & focussiert sich geradezu zwingend ironisch wie durch ein Brennglas in

    Jakob Augstein. Der sich mit diesen zwei Vätern - & das ist eben mehr als eine Farce - in dieser seiner - nur ihm lebensendlichen Geschichte erneut gefangen erweist.

    Denn sein - "buchstäblich zerbrochen"? - macht das - über die stümpernd-überhöhende Wortwahl hinaus - deutlich.

    Rudolf Augsteins - "Sie hätten auch nicht anders gehandelt" - war mir immer eine ernste Mahnung.

    Aber - bis in die 70er - ohne Not

    SD/SS-Leute an führender Stelle im "Sturmgeschütz der Demokratie" -

    Der Spiegel - beschäftigen - umgekehrt auch! & dazu - das ~>

    Die das aufdeckenden Journalisten -auch noch zu feuern.

    All dies widerstreitet Jakob Augsteins hilflos-aggressiven Versuchen, damit - mit dieser & eben auch seiner - Doppelgesichtigkeit -

    "zurecht zu kommen"(sic).

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Danke

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Erinnerung reicht bei weitem nicht, fürchte ich. Solange die Ursachen nicht analysiert, verstanden und letztendlich abgestellt werden, lässt sich Faschismus nicht verhindern. Das ist trivial, wird aber bei der "Erinnerungskultur" oft vergessen.

     

    Mit den letzten Tätern endet die Frage der persönlichen Schuld zwar nicht, muss aber neu gedacht werden. Schuld sind die nächsten Generationen, insofern sie sich nicht erinnern und nicht ernsthaft versuchen, die Ursachen des Faschismus abzustellen.

     

    Außerdem basiert der Reichtum der BRD auf dem Raubzug des 3. Reiches, was nicht nur nur materielle Werte einschließt, sondern auch Bildung und technisches Wissen, beides nur durch den rüstungsbedingten Wirtschaftsaufschwung finanzierbar.

    Die Blindheit gegenüber diesem Fakt zeigt sich darin, wie Deutsche den Aufschwung der 50er und die wirtschaftliche Glanzzeit der 60er dem Fleiß des deutschen Volkes und seiner Innovativität zuschreiben. Bis heute wirkt dieses Raubkapital noch in Deutschland weiter.

     

    Wenn man sich die Machtstrukturen eines Erdogan, Putin oder auch Trump anschaut, ist es nicht zu übersehen, dass keiner dieser autoritären Gestalten ohne Korruptionsnetzwerk und willige kapitalistische Bosse auskommt.

    Max Horckheimer hat darüber geschrieben: "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen".

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Horckheimer hatte völlig recht. Allerdings ist die Frage, was aus dem Raubgut werden soll. Wer es einfach an die Erben der Opfer zurückgibt, macht diese Menschen kleiner als sie sind. Statt eigenverantwortlicher Individuen produziert er unmündige, von der Gnade Anderer abhängige Kinder, Enkel und Urenkel. Es wäre besser, das Raubgut in gemeinsame Zukunftsprojekte zu investieren. Und zwar in solche, die dem Ausgleich von gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten dienen.

       

      Nicht nur die Erben der Täter müssen sich frei machen dürfen von ihrer Schuld. Auch die Opfer brauchen eine Chance, sich von der Rolle ihrer Vorfahren zu distanzieren. Am besten müste das gehen, wenn beide zusammen Gutes tun. Passiert das nicht, könnte sich Geschichte unendlich lange wiederholen, wenn auch mit immer neuem Gesicht.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Im "alternativlosen" Neoliberalismus bewegt sich die Erinnerungskultur zwischen Selfieästheik, Katastrophentourismus, entleertem Ritual und unangenehmer Pflicht.

     

    Guido Knopp erzählt eine Geschichte von Opfern und Tätern. Das soll zur Identifikation mit den Opfern führen, kann aber auch im schlimmsten Fall zur Übernahme der Täterperspektive führen. Außerdem wird die Geschichte all derjenigen nicht erzählt, die zwar keine direkten Täter waren, aber nichts haben sehen oder tun wollen und so die Täter unterhielten, deckten und zu deren Komplizen wurden.

     

    Die Mehrzahl der Bevölkerung wird ignoriert und die Täter werden mystifiziert.

    Ich glaube nicht, dass wir unserer Verantwortung dadurch gerecht werden. Die Geschichte anders zu erzählen ist notwendig.

    Das hieße zu fragen, was die Täter zu Tätern gemacht hat, welche Bedingungen ihre Machtergreifung un deren Erhalt möglich gemacht haben, nicht nur zu erzählen, wie die Nazis an die Macht kamen, sondern warum sie diese Machtfülle erreichen konnten und es niemand verhindern konnte.

    Es muß auch erzählt werden, wie die, die von den Verbrechen nicht gewußt haben wollen, einfach nur ihre Arbeit getan haben und damit die Vernichtungsmaschinerie am Laufen gehalten haben.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Sie haben recht: Das alles muss "erzählt" werden. Die Frage ist nur: Wie?

       

      Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich "dicht" mache, wenn man mich direkt angreift. Diesen Schutzmechanismus haben ziemlich viele Leute ausgebildet, glaube ich. Wer an die Köpfe ran will, muss diesen Mechanimus ausschalten oder umgehen.

       

      Wer den Menschen die Chance gibt, selbst zu begreifen, hat bessre Chancen als einer, der im Spiegel einen Studienrat erkennen will oder gar einen General.

  • Daß Jacob Augstein einerseits Höcke als "Nazi" tituliert, andererseits Rudolf Augstein verklärt, obwohl die Äußerungen beider unübersehbar in dieselbe Richtung gehen - das zeigt erneut, daß man Jacob Augstein wirklich nicht ernst nehmen sollte.

    • @yohak yohak:

      Die Zeit der Sippenhaft doch nicht vorbei?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      Man sollte Augstein junior schon ernst nehmen als das was er ist:

       

      Ein manischer "Israelkritiker", der sich obsessiv mit dem Judenstaat und seinen unendlich vielen Verbrechen beschäftigt, der das letzte Gedichte von Grass verteidigt und wenn auch die Nachbarländer im Blut versinken immer in Israel den schlimmsten aller Finger im Nahen Osten, ja sogar weltweit sieht.

       

      Für ihn wie die vielen anderen Freunde des "palästinensischen Volkes" gilt:

       

      "Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt."

       

      Sigmund Freud

    • @yohak yohak:

      Nu ma langsam mit die jungen Pferde!

       

      Ich rate dringen davon ab, Jakob Augstein "nicht ernst zu] nehmen". Es reicht, den Menschen nicht als Guru zu begreifen, dem man gehorchen muss um seines Seelenheils willen, sondern als Stein des (Denk-) und Anlass zu Selbstkritik.

       

      Haben Sie in letzter Zeit mal nachgesehen, ob Sie noch Spiegelneuronen besitzen, werteR YOHAK YOHAK?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "Nie wieder", genau DAS sollte man Herrn Höcke an seinen A.... kleben, für alle Zeiten, eingebrannt, unauslöschlich!