Beziehungen bei Springer: Die Infopflicht richtet's nicht
Der Springer-Verlag will eine Auskunftspflicht für innerbetriebliche Beziehungen einführen. An der Atmosphäre im Haus wird das wenig ändern.
Über Auskunftspflichten wird ja derzeit viel debattiert. Meistens geht ums Impfen beziehungsweise Nichtgeimpftsein. Bei Springer geht’s dagegen um die Liebe. „Axel Springer plant Infopflicht zu innerbetrieblichen Beziehungen“, meldete die Nachrichtenagentur dpa diese Woche. Das ist doch mal was. Oder um einen Slogan der Financial Times abzuwandeln: „Due to the severe economic situation, there is to be no fucking work place.“
Und wer hat dem Konzern das neue Springer-Essential zum merkwürdigen Verhalten geschlechtsreifer Vorgesetzter zur Paarungszeit eingebrockt? Natürlich Ex-Bild-Chef Julian Reichelt mit seinem nicht ganz unproblematischen Reigen an Verhältnissen. Wenn bei Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz Interessenkonflikte bestehen könnten, dann soll der Arbeitgeber informiert werden. Zum Beispiel bei Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Vorgesetzt*innen und weniger hochrangigen Kolleg*innen. „Und was macht der Springer-Familienrat dann?“, fragt die Mitbewohnerin, „spielen sie Dr. Love und stimmen ab?“
Problemfälle sollen an Vertrauensleute oder Compliance-Stellen gemeldet werden. Wie das laufen soll, ist noch unklar. „Die Privatsphäre solle möglichst gewahrt bleiben“, meldet dpa unter Berufung auf Springer. Nee, geht klar. Auch das kennen wir von der Bild-Zeitung. Sie tut ihr Möglichstes, private Sphären zu wahren.
Wobei wie so oft im Leben das Scheitern schon eingeplant und eingepreist ist. Vorbild für den künftigen Springer-Kurs sind knallharte angelsächsische Vorschriften, die eine seltsame Vorstellung von Privatheit und Liebe haben. Wal Mart stand vor ein paar Jahren mal am Pranger, weil sich da gar keine*r mehr in andere aus der Workforce verlieben und verpartnern können sollte.
Bitte nicht falsch verstehen. Ja, gegen Fälle wie den von Reichelt muss vorgegangen werden. All den Frauen, die sich hier mutig offenbart haben, gebührt immenser Respekt. Nur innerbetriebliche Hinweise gab es genug. Es wurde nur nicht so genau hingeguckt. Drakonische Vorschriften helfen nicht, sondern sollen einem Laden helfen, dem die Düse geht. Seht her, wir tun was, lautet das Motto dieser Alibi-Maßnahme.
Nun sollen miese Macht- und emotional-berufliche Abhängigkeitsverhältnisse mit Bürokratie und fragwürdiger Abschreckungspolitik geregelt werden. Da hätten sie als teambildend-aufklärerische Maßnahme besser mal „Sex Education“ gucken sollen.
Aber die Springer-Geschichte war schon immer verlogen. Wie beim damals schon viermal verheiratete Schwerenöter und Verleger Axel S., der mit dem von ihm beschäftigten Kindermädchen Friede R. anbandelte, so über alle Abhängigkeiten hinweg. Was würde hier und heute die Compliance sagen?
Leser*innenkommentare
Martin Rees
Die "wahren ExpertInnen" outen sich wohl nicht wirklich, "Vier-Letter-Gazette" wieder im Undercover-Aufklärungsmodus?
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taz.de/!559769/
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taz.de/Angst-vor-d...lverlust/!5620309/
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taz.de/Kolleginnen...-heimlich/!591644/
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Compliance und Good Governance bei BILD, zum Auftakt des Karneval, ick glob mein 🐷📣
fvaderno
Schon der Staat hat bestimmt, dass den Arbeitgeber Privates einen Dreck angeht. Das hat er zwar mit anderen Worten ausgedrückt, aber ebenso deutlich. Andererseits soll jede Person, die sich von einem Mitarbeiter oder gar Vorgesetzten beziehungsmäßig unter Druck gesetzt fühlt, sich an die Justiz oder bei einem vorhandenen Vertrauensverhältnis an die Geschäftsleitung wenden.
Die Besitzer und die Redaktion eines gewissen Revolverblattes scheinen ihre eigenen Gesetze machen zu wollen. Dass Gesetze für alle, aber nur nicht für die eigene Person gelten, hat schon einmal ein diesem schwachsinnigen Blatt nahestehender Ex-Kanzler exerziert. Der hatte damals Erfolg und blieb dennoch unberechtigterweise ungeschoren! Ein Beispiel, das zeigt, dass die Unabhängigkeit der Justiz nicht unbegrenzt zu gelten scheint. Manchmal gibt es eben wie bei Orwell doch noch Gleichere!
Hoffentlich wird dies im besprochenen Fall nicht der Fall sein. Am einen Wandel in dieser Redaktion glaube ich jedenfalls nicht. Da gibt es seit der Grünung des Blättchens viele zumindest der journalistischen Ethik nicht entsprechende Fälle, die dort wahrscheinlich verankert sind und so etwas wie eine Tradition haben.
Budzylein
Es geht die Betriebsleitung einen feuchten Dreck an, was ihre Beschäftigten in ihrer Freizeit machen und mit wem sie ins Bett gehen. Beschäftigte sind keine Leibeigenen.
Es geht hier auch nicht darum, Beschäftigte vor Avancen ihrer Vorgesetzten zu schützen - und vor allem nicht, wenn diese Avancen durchaus willkommen sind. Es geht dem Springer-Konzern allein darum, die menschenrechtswidrigen Regeln aus den USA zu übernehmen, um bei der Expansion in den dortigen Markt keine Schwierigkeiten zu bekommen.