piwik no script img

Bewerbungen für Linken-VorsitzAus verschiedenen Richtungen

Jan van Aken und Ines Schwerdtner wollen Parteichefs der Linken werden. Sollten sie gewählt werden, wären sie ein ungleiches Führungsduo.

Kandidaten für den Linken-Vorsitz: Ines Schwerdtner und Jan van Aken Foto: die linke; imago

BERLIN taz | Seit etlichen Wochen schwirrten ihre Namen bereits über die Flure des Karl-Liebknecht-Hauses, nun haben es Jan van Aken und Ines Schwerdtner offiziell gemacht: Der 63-jährige Hamburger und die 35-jährige Berlinerin wollen die neuen Vorsitzenden der Linkspartei werden. Das gaben sie in getrennten Erklärungen am Dienstag bekannt. Er trete an, weil es „eine starke linke Kraft“ brauche, die „die Interessen der Menschen“ gegen die soziale Kälte, gegen den Rechtsruck und gegen den Krieg vertrete, teilte van Aken mit. Er bringe „eine echte, tiefe Zuversicht mit“, dass es für die Linkspartei wieder aufwärtsgehen kann. Sie sei „davon überzeugt, dass wir als Partei wieder an vergangene Erfolge anknüpfen, politischen Gegendruck aufbauen und das Land zum Besseren verändern können, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen“, schrieb Schwerdtner.

Gut möglich, dass es noch weitere Bewerbungen geben wird. Aber die Aussichten für van Aken und Schwerdtner – die unabhängig voneinander kandidieren – gelten als gut, die Nachfolge der scheidenden Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan anzutreten. Sollten die beiden auf dem Bundesparteitag Mitte Oktober in Halle gewählt werden, würde ein recht ungleiches Duo die in einer Existenzkrise befindliche Linke anführen – was zugleich eine Chance und ein Risiko ist.

Geboren 1961 im schleswig-holsteinischen Reinbek, hat van Aken seine politischen Wurzeln in der westdeutschen Friedens- und Umweltbewegung. Lange Jahre bei Greenpeace aktiv, war der promovierte Biologe von 2004 bis 2006 als Biowaffeninspektor für die Vereinten Nationen im Einsatz. Der Linkspartei trat er in ihrem Gründungsjahr 2007 bei, 2009 zog er für sie in den Bundestag ein. Nach zwei Legislaturperioden verzichtete er auf eine erneute Kandidatur. Von 2012 bis 2014 war der Vater dreier Kinder bereits stellvertretender Parteivorsitzender. Dem Vorstand gehörte er bis 2021 an. Seinen damaligen Rückzug verband van Aken mit einer scharfen Kritik an der „Beutegemeinschaft“ der Re­for­me­r:in­nen um den damaligen Fraktionschef Dietmar Bartsch mit dem inzwischen ausgetretenen Wagenknecht-Lager.

Ines Schwerdtner wurde 1989 im sächsischen Werdau geboren und wuchs in Hamburg auf. In Berlin studierte sie Politikwissenschaften und Anglistik, in Frankfurt am Main Politische Theorie. Zeitweise für die marxistische Wissenschaftszeitschrift Das Argument tätig, sympathisierte sie 2018 mit der sogenannten Sammlungsbewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht. Von 2020 bis 2023 war sie Chefredakteurin des linken Politmagazins Jacobin. In die Linkspartei trat die Mutter eines Kindes erst im August vergangenen Jahres ein, drei Monate später wurde sie auf Platz 5 der Linkenliste für die Europawahl gewählt, der allerdings nicht zum Einzug ins Parlament reichte.

Rosa-Luxemburg-Stiftung als einzige Gemeinsamkeit

Wie van Aken ist Schwerdtner derzeit bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt – eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Während van Aken auf die Unterstützung der Bewegungslinken und des progressiven Flügels bauen kann, hat Schwerdtner sowohl die Unterstützung ostdeutscher Re­for­me­r:in­nen als auch des westdeutsch dominierten traditionslinken Flügels. Zu ihren Förderern gehört neben Bartsch auch Heinz Bierbaum, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Ein Führungsduo van Aken und Schwerdtner würde den Großteil der Partei repräsentieren. Die Frage ist nur, ob es gelingt, auch konstruktiv und vertrauensvoll miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten. Der Anspruch, die alten destruktiven Richtungskämpfe zu überwinden, scheint zumindest vorhanden. „Wir haben nun die Gelegenheit, über alle Lager und Differenzen hinweg einen Umgang zu etablieren, der von gegenseitigem Vertrauen und einem Fokus auf die gemeinsamen politischen Ziele geprägt ist“, verspricht Schwerdtner in ihrer Bewerbung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Jan van Aken wäre ein Glücksfall für die Linke: äußerst kompetent in Sachfragen, absolut integer (und schlägt sich auch in dieser Krise nicht in die Büsche).

  • Mit Jan hätte ich vor knapp 20 Jahren fast zusammengearbeitet am Bernhard-Nocht-Institut. Die damalige Arbeit beim Sunshine Project ist wichtig gewesen. Das Sunshine Project war es was die US-Lügen zu den "mobilen ABC-Waffenlaboren" im Irak frühzeitig, VOR Kriegsbeginn, als Hoax darlegte. Von den Politikern wollte es aber keiner hören.

    Ich hoffe das Jan, zusammen mit Ines, wieder mehr linke Politik wagen will. Und sich nicht von den konservativen wie zuletzt zermürben läßt. Es braucht eine linke Partei, die klar wieder linke Standpunkte vertritt und dem Kapital die Stirn bieten will. Ebenso brauch es aber auch eine klare Kommunikation wie es vollzogen werden soll. Daran haperte es selbst unter Gysi-Zeiten. Aber bei einem Jan, mit Wissenschaftskultur, sehe ich da eine große zu belegbaren Fakten etc.

  • Ein Kandidat, der die Parlamentslaufbahn hinter sich gelassen hat und eine Kandidatin, die überhaupt keine parlamentarische Erfahrung hat (und überhaupt erst seit einem Jahr Parteimitglied ist). Das sollen die neuen Sterne am Himmel sein?

  • Klingt nach zwei guten Kandidaten. Was sie dann in der Realität bewirken werden, wird sich zeigen.



    Fakt ist aber, Die Linke hat enorm wertvolle Strukturen. Ca. 55.000 Mitglieder, stabile Strukturen vor Ort und Finanzen und Jahrzehnte Erfahrung. Die Partei ist wie ein leerstehendes Schloss, das in den richtigen Händen aufblühen kann.

    • @Gigantos:

      Also die Jahrzehnte an Erfahrung treibt die Linke bereits zum 2x unter die 5% Hürde (damals PDS). Erfahrung hilft nur, wenn man aus der Erfahrung lernt.

      Dieses lernen ist aber das ganz große Problem der Linken, weshalb Sie es keine paar Monate aushalten ohne sich selber zu zerfleischen.



      Dazu wird trotz Erfahrung die Ideologie über die Sachthemen gesetzt.

      Die Linke müsste sich inhaltlich neu aufstellen und gewissen Positionen den Laufpass geben.



      Das wird aber nicht passieren, weshalb die Linke einfach keine Zukunft hat

      • @Walterismus:

        "Gewisse Positionen?" die da wären?



        Und Ideologie ist es ja gerade nicht an die festgehalten wird. Denn linke Themen werden ja fast gemieden wo es nur geht. Darunter fällt eben auch Klimawandel, Migration, Friedenspolitik etc. alles wo man aktuell keinen Blumentopf gewinnt, weil viele denken nur durch "Exklusion"/"Abgrenzung" kann man irgendwelche Strukturen aufrecht erhalten. Das einzige was wir aufrecht erhalten ist ein System der Ausbeutung. Sondervermögen Banken, Sondervermögen Pharma, Sondervermögen Rüstung, nun bald wohl Sondervermögen Bahn, etc. Von Sondervermögen Bildung, Soziales will aber keiner wissen. Wird wohl Zeit das an unseren Schulen "Kindersoldaten" ausgebildet werden, dann könnte es auch mal wieder Fördergelder für Schulen geben...

      • @Walterismus:

        „Die Linke müsste sich inhaltlich neu aufstellen und gewissen Positionen den Laufpass geben.“



        Nun, wir haben ja die beachtliche politische Karriere einer gewissen Frau Wagenknecht lebhaft vor Augen - von einer Sprecherin der Kommunistischen Plattform in den Neunzigerjahren zu einer bekennenden Ludwig-Erhard-Anhängerin heutzutage.



        Meinen Sie deren Vorbild, wenn Sie der Linkspartei empfehlen, „gewissen Positionen den Laufpass“ zu geben?

  • Die beachtliche Expertise von Dr. Jan van Aken ist, über einige Dekaden hinweg betrachtet, überparteilich gefragt, geschätzt und unbestritten. Das Duo ist sicher wegen der hier angeführten Argumente kein überdehnender Spagat, wenngleich auch kein Selbstläufer. Auf Ines Schwerdtner bin ich gespannt. Beides Nordlichter; - Hauptsache, es ist mehr an Verbindungen.



    /



    www.ippnw.de/der-v...licher-beirat.html

  • Ob der Neustart mit einem Vorstand mit teils linksextremen Wurzeln gut ist mag dahingestellt bleiben.



    Eine Tätigkeit für eine marxistische Zeitung schliesst m.E. grundsätzlich ein öffentliches Amt aus.

    • @Andere Meinung:

      linksextreme Wurzeln? Weil?



      marxistische Zeitung? Weil?

      Was ist gegen Frieden zu sagen, was ist gegen Ausbeutung zu sagen, was ist zu sagen das das Kapital mehr Verantwortung tragen soll.

      Ach stimmt die Linke will nicht das Bürgergeld um weiter 2-5€ sanktionieren...diese Sozialisten.....

      vieles davon was hier scheinbar vorgeworfen wird, hätte man kaum anders bei Bild und Co. lesen können...

    • @Andere Meinung:

      „Eine Tätigkeit für eine marxistische Zeitung schließt m.E. grundsätzlich ein öffentliches Amt aus.“



      ???

  • Wenn die Linkspartei ihre linken Wurzeln als Partei des Friedens, lokaler soziale Kämpfe im Sinne eines übergeordneten Antikapitalismus wieder für sich entdeckt kann die Partei sicher noch gerettet werden.

    Die Spaltung durch das mittlerweile bei fast allen in der Realpolitik angekommene Migrationsthema war komplett überzogen und 100% ideologisch und kann hoffentlich eines Tages wieder (so oder so) umgekehrt werden.

    Ich wünsche mir, das das schaffbar ist.



    Denn es ist richtig: "Es braucht eine starke linke Partei."



    Jetzt mehr als je zuvor. Aber das geht nur, wenn die Ideologen ihren Hut nehmen und endlich wieder spürbar linke Politik gegen die Kapitalinteressen gemacht wird anstatt im Geiste (oder der eigenen Doktorarbeit) schwer zu machende Utopien anzupreisen wie Wundsalbe.



    Vor allem jetzt, wo der Kapitalismus sich dazu anschickt ungehindert den Planeten und unsere Zukunft seinen Profiten zu opfern.

    Aber ja: Noch gibt es Hoffnung - Noch ist Zeit!



    Ich bin für die Einheitsfront.



    Selbst wenn es altmodisch erscheinen mag ...

    • @Thomas O´Connolly:

      Aus der näheren Vergangenheit und zur weiteren Herkunft:



      taz.de/Die-Linke-u...er-Krieg/!5748585/



      Pazifismus und Die Linke



      /



      "Wenn die Linkspartei ihre linken Wurzeln als Partei des Friedens..."



      /



      www.spiegel.de/pol...-b0d1-76ec2d662f9f



      /



      Die Ausrichtung zur Friedenspolitik neu justieren, kein Selbstläufer in einer Partei mit bekanntermaßen vergleichsweise vielen, teils erbittert geführten Kontroversen!