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Bewegungstermine in BerlinDie Lächerlichkeit der Repression

Der deutsche Umgang mit Palästinasolidarität verteidigt vor allem das nationale Ehrgefühl. Es gilt, gegen die Erosion des Rechtsstaats zu kämpfen.

Die deutsche Staatsräson hat schlagkräftige Argumente Foto: Fabian Sommer / dpa

W enn ein Staat autoritär agiert, bedeutet das für Betroffene erst einmal Einschüchterung, Zensur und Gewalt. Nichts daran ist lustig. Und doch hat das autoritäre Gehabe immer auch etwas Komisches, Lächerliches. Zum Beispiel, wenn ein Staat sich auf eine bestimmte Sichtweise verkrampft hat. Po­li­zis­t:in­nen setzen dann die abstrusesten Verbote mit immer lächerlicheren Mitteln durch. Der Staat wird paranoid, schlägt um sich und fällt dabei auf die Nase wie ein Clown, der im Zirkus von einem Missgeschick ins nächste tappt.

Ironischerweise beschwört die Staatsmacht dabei die verbotene Sichtweise umso mehr, je mehr sie sie unterdrückt. Es hätte wohl kaum jemand mitbekommen, was ein paar Linke auf dem Palästina-Kongress besprechen, hätte der Staat die Sache einfach laufen lassen. Aber dazu war er nicht mehr in der Lage. Denn Deutschland hat die unbeschränkte Solidarität mit Israel zur Staatsräson erklärt. Wer die blutigen Konsequenzen dieser Entscheidung kritisiert, beschmutzt deshalb das patriotische Ehrgefühl – weshalb mit geballter Staatsmacht dagegen vorgegangen werden muss.

Nun könnte man sagen, der Kampf gegen Antisemitismus als Staatsräson, das ist doch eine gute Sache. Man darf aber skeptisch sein, ob es wirklich vor allem um Antisemitismus geht. Ginge es um Antisemitismus, hätte die Polizei wohl auch die Stromzufuhr zu dem TV-Duell gekappt, wo der Möchtegern-Führer der deutschen Faschisten gerade seine Propaganda verbreitete. Aber Höcke durfte reden, anders als die Angehörigen und Un­ter­stüt­ze­r:in­nen derjenigen, die in Gaza auch mit deutschen Waffen ermordet werden. Offenbar verstößt Palästinasolidarität mehr gegen die Staatsräson als Faschismus.

Das heißt nicht, dass man nicht über Antisemitismus und die politische Nähe einiger Teil­neh­me­r:in­nen zu Is­la­mis­t:in­nen sprechen müsste. Doch verhindert ausgerechnet die Instrumentalisierung dieses Kampfes durch die Iris Sprangers und Nancy Faesers dieser Welt, vernünftig darüber zu reden. Der notwendige Kampf wird völlig ausgehöhlt, wenn damit plötzlich gemeint wird, mit klar unrechtsstaatlichen Mitteln grundsätzlich gegen Palästinasolidarität vorzugehen und Waffen an eine rechtsextreme Regierung zu liefern, die offensichtlich Kriegsverbrechen begeht.

Empathie für die Unschuldigen

Ein erster Schritt aus dieser Misere könnte es sein, sich die Gewalt zu vergegenwärtigen, in der die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen leben. Hinzugucken, wenn Menschen erschossen, zerbombt und ausgehungert werden – und die deutsche Mitschuld an diesen Verbrechen anzuerkennen. Und auch anzuerkennen, dass Angehörige grundsätzlich ein Recht auf emotionale und laute Anklage haben. So ließe sich vielleicht aus der Verkopftheit der deutschen Debatte heraustreten, in der Vorwürfe wie Völkermord von vorneherein verworfen werden, ohne sich überhaupt mit den Fakten zu befassen.

Dafür müssen die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen zunächst aus einer Statistik zu realen Menschen werden. Helfen kann dabei zum Beispiel die Spoken-Word-Kunst von Faten El-Dabbas. Die Künstlerin tritt in der Maigalerie der Zeitung Junge Welt auf, um unter dem Titel „Lebens(T)räume – Zwischen Gaza und Berlin“ für mehr Empathie, Humanität und Gerechtigkeit werben. Der Eintritt beträgt 10 Euro (ermäßigt 5 Euro). Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten (Donnerstag, 18. 4., Torstr. 6, 18 Uhr).

Anschließend gilt es, den Kampf gegen deutsche Waffenlieferungen in die Krisenherde dieser Welt aufzunehmen. Denn mit deutschen Waffen wird nicht nur in Gaza gemordet. Auch die Türkei hat sich jahrelang mit deutschen Waffen eingedeckt – obwohl Erdoğan immer wieder völkerrechtswidrig die kurdischen Gebiete in Rojava bombardiert. Ein Vortrag mit Diskussion des Netzwerks Defend Kurdistan und der Internationalistischen Jugendkommune Berlin befasst sich näher mit der Rolle Deutschlands in diesem Krieg (Donnerstag, 18. 4., Jugendkulturzentrum Königstadt, Saarbrücker Str. 24, 18 Uhr).

Abgesänge auf die Szene

Notwendig, um in der linken Szene dieser Tage nicht wahnsinnig zu werden, ist sicherlich auch eine gute Portion Humor. Eine Möglichkeit, Dampf abzulassen, bietet der Lesungsabend „Publikumsbeschimpfungen – Abgesänge auf die Szene“. In einem wilden Mix aus Texten der Punk-Geschichte wird sich wohl längst nicht nur über die Nahostpositionen der Szene (welche Szene?) ausgelassen werden (Donnerstag, 18. 4., Regenbogencafé, Lausitzer Str. 22, 19 Uhr).

Ein Beispiel für eine Bewegung, die sich unnötig über den Nahostkonflikt zerfetzt hat, ist die Klimabewegung. So ruft Fridays for Future Deutschland wegen Streit in der Palästinafrage nicht zum internationalen Klimastreiktag an diesem Freitag (19. 4.) auf. Protestieren wollen aber die BIPoCs for Future, die der Dachbewegung schon länger Rassismus und eurozentristische Perspektiven vorwerfen. Los geht es am Freitag (19. 4.) um 13 Uhr im Invalidenpark.

Im Übrigen bröckelt die deutsche Rechtsstaatlichkeit nicht erst seit vergangenem Wochenende. Die Rechte von Geflüchteten werden seit Jahren abgewickelt, mit der europäischen GEAS-Reform hat die selbsternannte Fortschrittskoalition das Individualrecht auf Asyl mitbeerdigt. Umso dringender brauchen Geflüchtete Support. Die Initiative Balkanbrücke lädt zu Soli-Crêpes und Drinks, um eine Reihe von Projekten entlang dieser Route zu finanzieren. Die Nothilfe für Geflüchtete Wir packen's an ist auch am Start und bittet um Sachspenden – eine Liste gebrauchter Dinge findet sich hier (Freitag, 19. 4., Wagenplatz Lohmühle, Lohmühlenstraße 17, ab 18 Uhr).

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Die Erosion des Rechtsstaates wird aber auch im Inneren vorangetrieben. Po­li­ti­ke­r:in­nen werfen zum Beispiel gerne mit dem Begriff der „Clankriminalität“ um sich, obwohl dieser denkbar vage definiert ist. Sie schüren damit Ängste, um ihre rassistische Politik voranzutreiben. So forderte etwa Innenministerin Nancy Faeser kürzlich die Abschiebungen angeblicher Clanangehöriger, selbst wenn sie für gar keine Straftaten verurteilt wurden. In der B-Lage lesen Mohammed Chahrour und Janine Schulz aus dem Buch „Generalverdacht“, anschließend gibt es eine Diskussion (Mittwoch, 17. 4., Mareschstr. 1, 19:30 Uhr).

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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16 Kommentare

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  • „Offenbar verstößt Palästinasolidarität mehr gegen die Staatsräson als Faschismus. (…) und Waffen an eine rechtsextreme Regierung zu liefern, die offensichtlich Kriegsverbrechen begeht.“

    Mich würde mal interessieren, wo im politischen Spektrum Timm Kühn eigentlich die Hamas verorten würde. Das Problem mit dem Palästina-Kongress ist ja nicht einfach Palästinasolidarität, sondern die Verherrlichung der Hamas.



    Bei der Hamas handelt es sich um eine Terrororganisation, die in Hinblick auf ihren Antisemitismus und ihre Misogynie kaum zu überbieten ist, die Homosexuelle verfolgt und demokratisch gesinnte Palästinenser von Hausdächern wirft. Wie nennt man Leute, die so etwas tun? Sie als „Faschisten“ zu bezeichnen, wäre wohl kaum verfehlt.



    Rechts von der Hamas ist auf der politischen Landkarte nicht mehr viel Platz. Viele Linke können oder wollen das offenbar nicht sehen, und das ist besorgniserregend.

    • @Taugenichts:

      Mensch kann bekanntlich gegen die Handlungen der Hamas sein, und gleichzeitig auch von Israel Völkerrecht und Menschenrecht einfordern, und ein Ende der rechtswidrigen Besatzung.



      Für Palästina und seine Menschen ist genauso wenig nur die Hamas sprechbefugt, wie Netanyahu für die israelische Gesellschaft stünde. In beiden Fällen: zum Glück.

      • @Janix:

        Sicher, nur was hat das mit meinem Kommentar zu tun?

  • Vielen Dank für den Artikel.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Berührungsängste mit Leuten die Journalisten beschimpfen und körperlich angreifen scheint die Linke jedenfalls nicht zu haben, ebensowenig mit der Tatsache, dass aus palästinensischen Reihen keinerlei Kritik oder Bedauern an Hamas-Verbrechen zu vernehmen ist. Wer sich dermaßen einstürzt in einen Konflikt mischt, trägt mehr zu seiner Vertiefung bei, als zu dessen Lösung.

  • Schön aufgelistet, dass man genauer hinsehen muss und nicht einfach reflexhaft "bedingungslose Solidarität" mit einem recht rüde egozentrischen Netanyahu üben sollte.



    Man kann Hamas und Netanyahu nämlich beide kritisieren.

  • Ganz ehrlich: Besser wäre gewesen, statt der Polizei hätte eine breite zivilgesellschaftlich-antifaschistische Bewegung diesen hamas-freundlichen, antizionistischen Kongress blockiert. Leider haben viele Linke aber anscheinend gerade nichts besseres zu tun, als Antisemitismus schönzufärben.

    • @a jugovic:

      Sie vermischen - womöglich bewusst - Staat Israel und Glauben Judentum.



      Natürlich kann man Netanyahus Politik oder die Konzeption eines Staates nach ethnisch-religiösen Kriterien kritisieren.



      Finden Sie nicht?

  • "Palästinasolidarität"



    Nette Verniedlichung. Dass der Spruch "From the river to the sea..." nicht erlaubt ist, hat seine Gründe, die nichts mit Palästinaunsolidarität zu tun haben.



    Aber wenn man das nicht sehen will, benutzt man halt Vokabeln wie 'Clown' oder 'paranoid'.



    Kann man machen.



    "So ließe sich vielleicht aus der Verkopftheit der deutschen Debatte heraustreten, in der Vorwürfe wie Völkermord von vorneherein verworfen werden, ohne sich überhaupt mit den Fakten zu befassen."



    Die einen verneinen einen Völkermord, die anderen bejahen ihn. Wer sich da mit den Fakten besser befasst hat, ist bis zum einem abschließenden Ergebnis offen.



    Insofern sollte man davon absehen, Dinge als Fakten darzustellen, die bislang keine sind.

  • Danke für diese klare Positionierung für Rechtsstaatlichkeit und gegen das autoritäre Gebaren der Politik in Sachen Palästinasolidarität.

  • Jeder der noch denkt Varoufakis sei tragbar, der soll sich einfach mal seine Argumentation in diesem aktuellen Interview angucken (Q: youtu.be/w6H6tvVuGgo - Vergleiche Passagen am Ende des Interviews).

    Hier findet eindeutig eine Täter/Opfer Umkehr statt. Und auch sonst sind seine Standpunkte überaus Extrem und dulden kaum eine Ambivalenz. Die Israelis werden zu einer Gruppe erklärt und diese mit Nazis gleichgesetzt. Etc. Etc.

    Sicher ist was andere der geplanter Redner zu sagen hatten noch mal ne Schippe oben drauf. Aber mir reicht schon ein Varoufakis der seine Reden entweder bewusst oder aus unfähigkeit nicht gegen alle traditionellen Antisemitismen absichert, sondern im Gegenteil sogar weit öffnet.

    • @Thomas O´Connolly:

      Habe die Varoufakis - Rede gelesen. Sie benutzt eine rauhe, sehr deutliche Sprache zur Beschreibung der Lage und der Vorgänge. Das mag viele, die nicht auf diesem Kongreß gewesen wären, irritieren.



      Aber inhaltlich ist das nichts, was nicht von Meinungsfreiheit gedeckt wäre. Sie ist noch nicht einmal einseitig.



      Auch seine Bemerkungen über die Stellung der deutschen Politik zu diesem Konflikt sind angesichts der gezeigten Reaktion von Verbot und Einreisesperre nachvollziehbar.

    • @Thomas O´Connolly:

      Varoufakis ist "tragbar", solange er gegen kein Gesetz verstösst. Keine seiner Äußerungen ist in irgendeiner Form justiziabel. Selbst wenn man ihm nicht zustimmt, sollte man also an dem Umgang mit ihm Anstoß nehmen - weil es hier um demokratische Prinzipien geht, die als solche schützenswert sind.

    • @Thomas O´Connolly:

      Verstehe jetzt nicht so ganz warum du ein Politics Joe video verlinkst. Man kann auch einfach die Rede lesen, gibt es auf der Diem25 Webseite in deutsch. (gibt es da auch als Video falls man nicht lesen will) Kann sich dann jeder selbst ein Urteil bilden ob da irgendwas drin steht was man in Deutschland nicht sagen darf.

      diem25.org/palaest...-polizei-verboten/

      • @judas3000:

        Ich finde es immer viel aussagenkräftiger zu hören wie Thesen in der Befragung beantwortet werden.



        Man hat das Minenspiel, die Augen und Gesten dazu. Es ist leichter zu trennen was Haltung und was einstudierter Text ist.

        Ich halte ihn nicht für einen Antisemiten, aber er legitimiert Antisemiten durch fehlende Abgrenzung.

        Zu der wäre er sprachlich und geistig absolut in der Lage. Wenn er wollte. Und das er es nicht tut, ist beunruhigend mit anzusehen.

        Er wäre eindeutig in der Lage keinen Raum für Antisemiten zu lassen in seiner Position zum Konflikt, aber stattdessen ergeht er sich in Parolen die man in dieser Art auch überall sonst zu hören bekommt. Dafür braucht man dann keinen Varoufakis. Da reicht der pöbelnde Mob aus Halbwüchsigen vollkommen für aus.



        Für jemanden den in meinem Umfeld einige nach wie vor für nen tollen Hecht halten, dem man durchaus ohne Vorbehalt zuhören sollte kann ich nur sagen: Nein, leider ist er für mich untragbar geworden. Und zwar im Sinne davon, dass ich es nicht ertrage.

    • @Thomas O´Connolly:

      Wenn jemand bei in Reden einer Veranstaltung gegen Gesetze verstösst oder zu Gewalt aufruft, dann gehört das vor einen Richter.



      Eine ganze Veranstaltung abzusagen, nur weil einer der Teilnehmer irgendwann mal etwas gesagt hat, was nicht ins politische Konzept der Regierung passt, das geht aber gar nicht.



      Es wird hier klar die freie Meinungsäusserung bewusst unterdrückt.



      In den weiten des Internets kann man derzeit vieles finden, wo die Polizei eingreift, Menschen verhaftet, die ein transparent mit nicht genehmem Aufdruck hochhalten (nicht strafbar wohlverstanden). Wo kommen wir denn so hin, bzw. wo sind wir schon gelandet?



      Diskussionen und Meinungsäusserungsfreiheiten sind die Grundlagen einer Demokratie!