Beschluss der Evangelischen Kirche: Tempolimit im Namen des Herrn
Die Evangelische Kirche macht vor, woran der Bundesverkehrsminister scheitert. Für Mitarbeitende gilt künftig ein Tempolimit bei Dienstfahrten.
Mitarbeitende der EKD sollen – wenn sie im Namen der Kirche unterwegs sind – eine gewisse Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten. Auf Autobahnen sind das maximal 100 Kilometer pro Stunde, auf der Landstraße maximal 80. So ist es im offiziellen Beschlusspapier festgehalten.
Die EKD glaubt, dass die Mitarbeitenden der Kirche sich der Dringlichkeit dieses Beschlusses sehr bewusst seien und sich selbst die „Notwendigkeit davon vergegenwärtigen“ werden, sagte ein Sprecher. So sollen bei der Kirche künftig etwa keine Fahrtenbücher eingeführt oder das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung kontrolliert werden. Die EKD aber ist davon überzeugt, dass der gewünschte Effekt eintreten wird und dass dieses eigene Tempolimit seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Dass solche Geschwindigkeitsbegrenzungen nachweislich etwas bringen, bestätigt Verkehrsforscher Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der taz. Allein schon ein Tempolimit auf Autobahnen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern brächte eine Spriteinsparung von 10 Prozent auf ganz Deutschland hochgerechnet – so Knie.
Tempolimit – das große Tabu
Viel zu lange sei das Tempolimit und alles rund um das Auto hierzulande laut dem Verkehrsforscher tabuisiert worden, und noch immer stoße man in der Politik in Bezug auf Geschwindigkeitsbegrenzungen auf große Widerstände. Es sei daher wichtig, „dass Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft eigenständig aktiv werden“, meint Knie. Er hofft darauf, dass dem Beispiel der EKD weitere folgen werden.
Einige der 128 Mitglieder der EDK hätten sich auf der viertägigen Synode in Magdeburg sogar ein noch schärferes Vorgehen in Bezug auf das Tempolimit vorstellen können – auch um sich klarer für ein generelles Geschwindigkeitsverbot hierzulande auszusprechen.
Das ist gerade auch in der Ampelkoalition immer wieder ein heftig umstrittenes Thema. Die FDP verkaufte es als großen Erfolg, dass ein Tempolimit nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, und scheint sich gegen eine solche Einführung zu stemmen. Selbst wenn Parteivorsitzender Christian Lindner beim Podcast „Die Lage der Nation“ erst vor einigen Tagen vermeintliche Offenheit signalisierte, ein Tempolimit möglicherweise unter strengen Bedingungen einzuführen, wenn denn die AKWs hierzulande weiterlaufen würden.
Der Forderung eines generellen deutschlandweiten Tempolimits hat die EKD in ihren Beschluss nun aufgenommen. Allerdings etwas weicher als anfangs gedacht. Führende Mitglieder wie die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus etwa warnte vor dem endgültigen Beschluss der Synode davor, einen nicht zu sehr „moralischen Ton“ anzuschlagen. Das könne sonst auch nach hinten losgehen.
Im Papier der Evangelischen Kirche steht daher, dass die Kirche politische Bemühungen um ein zeitnahes allgemeines Tempolimit von höchstens 120 Stundenkilometern unterstütze. „Unser Ziel ist es erst einmal, bei uns selbst anzufangen“, sagt ein EKD-Sprecher.
Die Mitarbeitenden der EKD seien schon seit Längerem dazu angehalten, bei der Nutzung ihrer Verkehrsmittel die Emissionen zu senken. Zusätzlich zum Tempolimit sollen die Mitglieder vorrangig auf Zugfahrten oder andere öffentliche Verkehrsmittel setzen, bevor sie zum eigenem Pkw oder Dienstwagen greifen, so ein Sprecher.
Ohnehin ist das Ganze Teil einer größer angelegten Klimaschutzrichtlinie der EKD, in der die Landeskirchen dazu ermutigt werden, die Klimaneutralität bis 2035 umzusetzen, und auch die diesjährige Synode stand ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Eingeladen waren unter anderem auch Vertreter der Protestgruppe der Letzten Generation. Zu den selbstgesteckten Zielen zählen etwa, die Klimamaßnahmen im Bereich von Gebäuden umzusetzen, Bildungsmaßnahmen und nun auch das Tempolimit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken