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Beschluss der Evangelischen KircheTempolimit im Namen des Herrn

Die Evangelische Kirche macht vor, woran der Bundesverkehrsminister scheitert. Für Mitarbeitende gilt künftig ein Tempolimit bei Dienstfahrten.

Godspeed, aber bitte nich zu schnell Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Die Evangelische Kirche (EKD) hat auf der Synode in Magdeburg vergangene Woche ein Tempolimit für alle Pkw-Fahrten im kirchlichen Kontext beschlossen und könnte damit Vorreiter für weitere Arbeitgeber und Verbände werden.

Mitarbeitende der EKD sollen – wenn sie im Namen der Kirche unterwegs sind – eine gewisse Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten. Auf Autobahnen sind das maximal 100 Kilometer pro Stunde, auf der Landstraße maximal 80. So ist es im offiziellen Beschlusspapier festgehalten.

Die EKD glaubt, dass die Mitarbeitenden der Kirche sich der Dringlichkeit dieses Beschlusses sehr bewusst seien und sich selbst die „Notwendigkeit davon vergegenwärtigen“ werden, sagte ein Sprecher. So sollen bei der Kirche künftig etwa keine Fahrtenbücher eingeführt oder das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung kontrolliert werden. Die EKD aber ist davon überzeugt, dass der gewünschte Effekt eintreten wird und dass dieses eigene Tempolimit seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Dass solche Geschwindigkeitsbegrenzungen nachweislich etwas bringen, bestätigt Verkehrsforscher Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der taz. Allein schon ein Tempolimit auf Autobahnen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern brächte eine Spriteinsparung von 10 Prozent auf ganz Deutschland hochgerechnet – so Knie.

Tempolimit – das große Tabu

Viel zu lange sei das Tempolimit und alles rund um das Auto hierzulande laut dem Verkehrsforscher tabuisiert worden, und noch immer stoße man in der Politik in Bezug auf Geschwindigkeitsbegrenzungen auf große Widerstände. Es sei daher wichtig, „dass Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft eigenständig aktiv werden“, meint Knie. Er hofft darauf, dass dem Beispiel der EKD weitere folgen werden.

Einige der 128 Mitglieder der EDK hätten sich auf der viertägigen Synode in Magdeburg sogar ein noch schärferes Vorgehen in Bezug auf das Tempolimit vorstellen können – auch um sich klarer für ein generelles Geschwindigkeitsverbot hierzulande auszusprechen.

Das ist gerade auch in der Ampelkoalition immer wieder ein heftig umstrittenes Thema. Die FDP verkaufte es als großen Erfolg, dass ein Tempolimit nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, und scheint sich gegen eine solche Einführung zu stemmen. Selbst wenn Parteivorsitzender Christian Lindner beim Pod­cast „Die Lage der Nation“ erst vor einigen Tagen vermeintliche Offenheit signalisierte, ein Tempolimit möglicherweise unter strengen Bedingungen einzuführen, wenn denn die AKWs hierzulande weiterlaufen würden.

Der Forderung eines generellen deutschlandweiten Tempolimits hat die EKD in ihren Beschluss nun aufgenommen. Allerdings etwas weicher als anfangs gedacht. Führende Mitglieder wie die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus etwa warnte vor dem endgültigen Beschluss der Synode davor, einen nicht zu sehr „moralischen Ton“ anzuschlagen. Das könne sonst auch nach hinten losgehen.

Im Papier der Evangelischen Kirche steht daher, dass die Kirche politische Bemühungen um ein zeitnahes allgemeines Tempolimit von höchstens 120 Stundenkilometern unterstütze. „Unser Ziel ist es erst einmal, bei uns selbst anzufangen“, sagt ein EKD-Sprecher.

Die Mitarbeitenden der EKD seien schon seit Längerem dazu angehalten, bei der Nutzung ihrer Verkehrsmittel die Emissionen zu senken. Zusätzlich zum Tempolimit sollen die Mitglieder vorrangig auf Zugfahrten oder andere öffentliche Verkehrsmittel setzen, bevor sie zum eigenem Pkw oder Dienstwagen greifen, so ein Sprecher.

Ohnehin ist das Ganze Teil einer größer angelegten Klimaschutzrichtlinie der EKD, in der die Landeskirchen dazu ermutigt werden, die Klimaneutralität bis 2035 umzusetzen, und auch die diesjährige Synode stand ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Eingeladen waren unter anderem auch Vertreter der Protestgruppe der Letzten Generation. Zu den selbstgesteckten Zielen zählen etwa, die Klimamaßnahmen im Bereich von Gebäuden umzusetzen, Bildungsmaßnahmen und nun auch das Tempolimit.

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18 Kommentare

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  • Fein! Ich hatte mal das Vergnügen, mich vor einem Chef rechtfertigen zu müssen, warum ich bei einer Dienstfahrt nicht rechtzeitig -nach Google Routenplaner- wieder in der Firma war. Erst wollt ich mir ne Stau-Ausrede überlegen, doch fasste ich mich und gab mein Tempo 100 an. Der war echt sauer und und hat mir die Überstunde nicht angerechnet; Das wäre ja mein Problem. Dass da letztendlich noch 10 l Benzin mehr im Dienstwagen war, Klimawandel und so hat der Chef nicht gelten lassen.

    • @zeroton :

      Richtgeschwindigkeit ist bisher 130.



      Für das nächste Argumentieren:

      Nur:



      Stellen Sie sich vor, viele würden plötzlich nur noch 80 km/h fahren wollen. Kann auch schön sein. Sieht man mehr von der Welt. Weniger Emissionen (bei den meisten gängigen Verbrennern)

      • @Zweitkorrektur:

        "Richtgeschwindigkeit ist bisher 130."

        Richt- oder Pflichtgeschwindigkeit?

        Meine ist 100 und meine Argumente wiegen für mich schwer und sind plausibel.

        "Stellen Sie sich vor, viele würden plötzlich nur noch 80 km/h fahren wollen. Kann auch schön sein. Sieht man mehr von der Welt. Weniger Emissionen (bei den meisten gängigen Verbrennern)"



        Schöne Vorstellung! Aber nicht wegen des Landschaftsgenusses, sondern weil es viele Leute ankotzen würde, sich bspw. ne Arbeit in vll. über 15km Tagespendelbereich zu suchen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @zeroton :

      Wahrscheinlich ist ihr Chef katholisch und beichtet regelmäßig...😈😇

  • Warum macht man eine Pflicht / Vorgabe / Dienstpflicht gemäß Arbeitsvertrag(?) wenn man diese nicht selbst kontrollieren kann bzw. rechtswidrigen Geschwindigkeitsübertretungen keinen Autausch mit den polizeilichen Daten bzw. den Daten der Gemeinden haben kann? Schall und Rauch? Oder halten sich Geistliche grundsätzlich an ihre Chefs? (Das wäre tragsich, denkt man nur an Beispielsweise den Wiederstand in den Kirchen - auf unterer Ebene - im zweiten Weltkrieg)..

  • Respekt...bin zwar überhaupt kein Kirchenfreund, aber das beklatsche ich.

    Wenn hieraus ein neuer Charakterzug der (in diesem Fall nur der evangelischen) Kirche wird, dann ist das durchaus erfreulich.

  • Autokratische Strukturen haben eben auch ihr Gutes!

  • Zwei Korrekturen:

    1) Die Synode der EKD tagte in Magdeburg, nicht in Marburg,

    2) Die EKD hat nicht nur 128 Mitglieder, sondern die Synode hat 128 Synodale (Abgeordnete). Die EKD besteht aus 20 Gliedkirchen.

    • @Winnetaz:

      Gliedkirchen.😉

  • Chapeu!

    Für mich ist das fehlende Tempolimit DER konkrete und unumstößliche Beweis, dass unsere Abgeordnete offenbar nicht ihrem Gewissen folgen und unter den Abgeordneten offenbar eine ganz erhebliche Anzahl unterdurchschnittlich intelligent sind.

    Es gibt keinen, keinen stichhaltigen Grund auf das Tempolimit zu verzichten.

    Insbesondere nicht angesichts der erheblichen Umweltschäden und der Verkehrstoten.

    Und das Ganze bildet einen Kanon mit den Atomlügen, der Windenergiebehinderung und des Solarstromdebakels.

    Allerdings könnte ich auch voll daneben liegen und das hat eine ganz andere Ursache.

    Aber das wäre wohl noch schlimmer.



    Denn dann könnte ich mir als Ursache nur noch eines vorstellen: Erpressung !

    • @Bolzkopf:

      „Wir wissen, was wir tun müssen – wir wissen nur nicht, wie wir wiedergewählt werden könnten, wenn wir es getan haben.“ Jean-Claude Juncker

      Es braucht also nicht immer Verschwörungstheorien.

    • @Bolzkopf:

      Die Verkehrstoten sind ein schwachsinniges Argument weil es defacto keinen wirklichen Effekt geben würdn. Trotzdem wird dieses Höhle Argument immer wieder repliziert.

      Bleiben sie doch einfach bei den Fakten, nämlich den Umweltauswirkungen (die zwar auch nur sehr klein sind aber durchaus spürbar). Immer halbwahrer reinzustreuen diskreditiert nur die eigene Glaubwürdigkeit.

      • @Dabone:

        Tatsache ist, dass in jedem Jahr etliche Tote auf den Autobahnen zu beklagen sind die bei Kollisionen von Schnellstfahrern mir Ausscherenden zu Tode kommen.



        Und im Zweifel bleibt die Schuldfrage unklärt - denn gegen Tote wird nicht ermittelt.



        Die Ursache indes ist klar: Eine viel, viel zu hohe Differenz der Geschwindigkeiten.

        Nun frage ich: Ab wieviel Toten wäre ein Tempolimit denn gerechtfertigt ?



        10 ?



        100 ?



        1000 ?



        Fragen sie am Besten die Hinterbliebenen ...

      • @Dabone:

        Neben schwache Umweltauswirkungen aber vor allem eine Stressreduzierung bzw. eine Fahrkulturänderung. Letzteres ist für mich der Hauptgrund für Tempolimite. Bei uns am Ort gilt flächendeckend 30 km/h; das ist sehr angenehm, auch leise.

  • Wenn solche "Empfehlungen" keiner ernst nimmt, dann, wenn sie von der Kirche kommen. Sieht man auch an unseren "christlichen" Parteien ...

  • Auch die Kirche muß Energiekosten einsparen, wenn vielleicht auch nicht aus Gründen des Umweltschutzes oder der gestiegenen Energiepreise, sondern möglicherweise mehr wegen der stetig schwindenden Mitgliederzahl.

  • Das gibt es bei der Bundeswehr schon seit der letzten Ölkrise

  • Bravo!