piwik no script img

Berliner SparlisteErhöht doch die Einnahmen!

Andreas Hergeth
Kommentar von Andreas Hergeth

Die schwarz-rote Hauptstadtkoalition spart, wo sie kann: Kultur, Verkehr, Soziales. Das ist für den globalen Standort Berlin ein schlechtes Zeichen.

An der Kultur sparen ist wie das Sägen am Ast, auf dem man selbst sitzt Foto: ipon/imago

D as ist typisch Berlin“ wirbt Visit Berlin weltweit für die deutsche Hauptstadt als Tourismus- und Kongressdestination. Die offizielle Marketingagentur der Stadt wuchert dabei mit der Vielfalt, die Berlin bietet – und listet zuhauf Veranstaltungen und Events der vielen Theater, Museen, Clubs auf.

Typisch Berlin: Mit diesem überbordenden Angebot könnte bald Schluss sein. Schon im nächsten Jahr. Denn die Hauptstadt ist klamm und muss den Gürtel enger schnallen. Im Haushalt klafft eine Lücke von drei Milliarden Euro. In der vergangenen Woche hat der schwarz-rote Senat die Sparliste veröffentlicht. Das bedeutet: weniger Premieren, wegfallende Angebote, im schlimmsten Fall Insolvenzen. Die Kunst- und Kulturszene ist aus dem Häuschen und protestiert fast täglich. Völlig zu Recht. Denn die Kultur muss bluten, mehr als andere Ressorts. Bei der Kultursubventionierung sollen rund 130 Millionen Euro wegfallen, das sind etwa 12 Prozent der Ausgaben des Kulturetats, der für 2025 gekürzt immer noch bei rund 1,12 Milliarden Euro liegt.

An der Kultur sparen – so wie auch in sozialen Bereichen und bei der Verkehrsplanung – ist die falsche Herangehensweise. So wie das Sägen am Ast, auf dem man selbst sitzt. Denn natürlich kommen viele Touristen aus aller Welt (und der gesamten Bundesrepublik) auch wegen der mannigfaltigen Kunst- und Kulturszene nach Berlin, und sie lassen ihr Geld hier. Die Stadt profitiert davon. Statt auf Sparfuchs zu machen, sollte die schwarz-rote Koalition besser überlegen, wie sie die Einnahmen erhöhen könnte. Das fordern auch Teile der Opposition im Abgeordnetenhaus, dem Parlament Berlins. Denn das ginge leicht, wenn man nur wollte.

Doch die Berliner CDU will zum Beispiel die Autobesitzer nicht verprellen. Schwarz-Rot verzichtet darauf, Parkgebühren und das mit 10,20 Euro (!) jährlich im Städtevergleich als äußerst billig geltende Anwohnerparken zu verteuern. Die Hauptstadt-SPD ist da nicht besser und beharrt etwa weiter darauf, dass Schulessen für alle kostenlos bleiben soll – egal wie viel die Eltern verdienen. Weg mit dieser Gratis-Mentalität. Erhöht endlich die Steuereinnahmen!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Hergeth
Redakteur & CvD taz.Berlin
In der DDR geboren, in Westmecklenburg aufgewachsen, Stahlschiffbauer (weil Familientradition) gelernt, 1992 nach Berlin gezogen, dort und in London Kulturwissenschaften studiert, 1995 erster Text für die taz, seit 2014 im Lokalteil Berlin als Chef vom Dienst und Redakteur für Kulturpolitik & Queeres.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 10,20 für Einwohnerparken ist tatsächlich viel, viel zu billig. Das sollten schon eher 400 sein. Was mich an dem Artikel etwas stört, ist das ausspielen von Interessen.

    Die Kulturförderung soll bleiben - warum erhöht man nicht die Museums-, Theater- und Opernpreise? Dann zahlen die Personen, die die Kunst möchten. Schulessen soll - natürlich nur für Reiche - kosten. Hier dürfte der Verwaltungsaufwand sehr hoch sein, festzustellen, wer "arm" und wer "reich" ist. Daher wenn man Schulessen kostenpflichtig macht, wahrscheinlich für Alle. Also soll man die Kleinsten gegen den Opernbesucher ausspielen? Von der ganzen geförderten "Kultur" profitieren vor allem Bildungsbürger (die nicht zwingend reich sind, aber in der Regel doch wohlhabend). Ich wäre dafür, viele Förderungen zu streichen und den Menschen etwas mehr von dem Geld zu belassen bzw. die Regelsätze zu erhöhen, damit sie ein teureres kommerzielles Angebot annehmen können. Das dürfte dann halt statt dem Geigenkonzert eher das Taylor-Swift-Konzert oder der Musicalbesuch sein.

  • "An der Kultur sparen (...) ist die falsche Herangehensweise. (...) Denn natürlich kommen viele Touristen aus aller Welt (und der gesamten Bundesrepublik) auch wegen der mannigfaltigen Kunst- und Kulturszene nach Berlin, und sie lassen ihr Geld hier. Die Stadt profitiert davon."



    Ja dann muss man eben die Eintrittsgelder erhöhen und schauen obs den Touristen den Mehrpreis wert ist oder eben die Effizienz verbessern.



    Es kann nicht sein, dass Berlin sich für Kunst und Kultur feiern lässt und die Bayern und Baden-Württemberger über den Länderfinanzausgleich jährlich die Sause zahlen - und das sage ich als Berliner🤷‍♂️



    Wir sind kein Zentralstaat wie Frankreich - die Bundesländer sind per Grundgesetz zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet - Berlins Egotrip permanent über seine Verhältnisse zu leben ist ein Unding.

  • Ich verstehe den Gedanken. Nur wie sieht es dann mit dem Länderfinanzausgleich aus? Wenn Berlin die Einnahmen erhöht, dann aber weniger aus dem Ausgleich kriegt (weil es überall schlechter aussieht), könnte das für Berlin selbst eine Milchmädchenrechnung werden.



    Allerdings aus kollektiven Gründen wäre es schon angebracht. Dann hätten die Bayern weniger zu meckern, weil sie aktuell für vieles selbst zahlen, was Berliner (noch) nicht müssen. Da steckt ja tatsächlich ne gewisse Ungerechtigkeit hinter.

  • "Erhöht endlich die Steuereinnahmen!" Welche Steuern kann Berlin denn erhöhen? Von den Steuereinnahmen Berlins sind zu weniger als 20 % auf Landes- oder Gemeindeebene beeinflussbar. Wie hoch soll die Grundsteuer werden (die auf die Mieter umgelegt wird) oder die Hundesteuer?

  • Leider müsste die SPD langsam mal das "Sozil" aus ihren namen Streichen.

  • Einnahmen erhöhen finde ich eine sehr gute Idee. Wäre übrigens auch ein Tipp an die Bundespolitik. Statt an der Schuldenbremse zu drehen, bzw. die Sozialausgaben zu kürzen - Einnahmen erhöhen. Gibt Möglichkeiten, was leider die Gelbe Fraktion verhinderte...

    • @DerLetzteLöschtDasLicht:

      Die Gelbe Fraktion gehört vor allem mit zu denen, die der Ansicht sind, dass diejenigen die über das Geld verfügen auch die Leistungsträger sind und diese aber auf gar keinen Fall belastet werden dürfen.



      Da sind wir wieder bei dem Punkt, wer denn nun die wirklichen Leistungsträger in unserer Gesellschaft sind?