Belgischer Symbolismus in Berlin: Böse ausgebremste Dekadenz
Die dunklen Seiten der Kunst will eine Ausstellung in der Alten Nationalgalerie zeigen, Corona aber stiehlt ihr die Show.

Gut, gerade sind schon alle in der einen Art oder anderen Weise gebeutelt in diesen pandemischen Zeiten. Aber so ein richtiger Coronaverlierer, das ist doch der belgische Symbolismus.
Der bitte was?
Genau! Auch wenn jetzt manche vielleicht wissend die Augenbraue heben, wird bei vielen da nur ein dunkler Fleck sein, wo sich ein Bild auftun sollte von dieser ominösen Angelegenheit. Ja, viel Aufmerksamkeit dafür wollte man schaffen und das Phänomen mal so richtig ausleuchten. Aber dann ist da halt Corona böse reingegrätscht und hat den belgischen Symbolismus ausgebremst.
Mit einer Ausstellung in der Alten Nationalgalerie sollte der Symbolismus in seiner belgischen Spielart groß herauskommen. „Dekadenz und dunkle Träume“: Eine Blockbuster-Schau, die die Massen anziehen müsste, wenn, ja, wenn...
Die Ausstellung war eigentlich für die Sommermonate des vergangenen Jahres geplant, angesichts des ersten Shutdowns wurde sie in den Herbst und damit letztlich in den nächsten Shutdown verschoben. Nur ein paar Tage durften mal Besucher rein, ein Jammer, weil da eine wirklich spektakuläre Schau wirkungslos verpufft.
Der Symbolismus formierte sich ab den 1880er Jahren, eine typische Fin-de-siècle-Kunst, ein Spiel mit der Endzeit, die man damals zu spüren meinte, zerrissen zwischen der Zukunftseuphorie (Industrialisierung, Nationalismus, Naturwissenschaften...) und Zukunftsangst (ja, Industrialisierung, Nationalismus, Naturwissenschaften...). Eine morbide Stimmung, die von den Symbolisten mit lustvoller Opulenz bis hin zum Kitsch ausgemalt wurde. Die Belgier darf man dabei gern als die Hardcore-Fraktion der Zunft bezeichnen.
Das würde man vielleicht auch noch allgemeiner wissen, wenn sich nicht die zeitgleich malenden Impressionisten so breitgemacht hätten im Kunstgedächtnis. „Dekadenz und dunkle Träume“ sollte die Symbolisten aus der Vergessenheit hervorholen, bis zum 17. Januar läuft die Ausstellung noch offiziell, eine Verlängerung ist so gut wie ausgeschlossen.
Um wenigstens eine Ahnung von der Schau zu bekommen, kann man sich durch das digitale Angebot dazuklicken, kürzere einführende Clips wie „Traum und Wirklichkeit“ und „Lust und Vergänglichkeit“, oder auch in eine 50-minütige Tour mit Ralph Gleis, dem Leiter der Alten Nationalgalerie und Kurator der Schau. Da drängen sich wenigstens keine weiteren Besucher vor die Bilder (um mal das Positive zu sehen) und versperren einem den Blick auf die vielen Totenschädel, Sphinxe, Maskeraden und sonstigen seltsamen Visionen in dieser Ausstellung.
Nebenbei erfährt man in dieser Live-Schalte mit den eingefrorenen Bildern und dem Tonausfall auch, dass es um das Netz in der Alten Nationalgalerie lausig bestellt ist. Was nichts mit einer Dekadenz des Fin de siècle zu tun hat, sondern mit den üblichen Problemchen beim Zurechtfinden in der Gegenwart. Muss man sich drum kümmern. Und um den belgischen Symbolismus schon auch.
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