Bayerisches Polizeiaufgabengesetz: Allianz gegen die Orbánisierung
Grüne, FDP und Linke reichen eine Verfassungsklage gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern ein. Markus Söder nennt sie eine „humoreske Truppe“.
Aspekte der Terrorismusabwehr würden in Bayern fahrlässig in den Bereich der Alltagskriminalität übertragen, das Polizeigesetz etabliere den Generalverdacht, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Die Bürgerrechte müssen vor der CSU geschützt werden.“ Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, „wir sind der Auffassung, dass es hier Verstöße gegen das Grundgesetz gibt“.
Alle Bundesländer sind derzeit dazu verpflichtet, ihre Polizeiaufgabengesetze an die neuen EU-Datenschutzrichtlinien und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz anzupassen. Bayern geht dabei weiter als andere Länder. Besonders umstritten ist Artikel 9 des im Mai vom Landtag beschlossenen Polizeigesetzes. Die bayerische Polizei muss demnach keine „konkrete Gefahr“ mehr begründen, um die Überwachung einer Person anzuordnen. Eine „drohende Gefahr“ ist ausreichend.
Gegen die Gesetzesnovellen hatten in München mehr als 30.000 Menschen demonstriert. Die Landesverbände von Grünen, FDP und SPD haben bereits Klage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht.
„Vorerst keine permanente Zusammenarbeit“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, er sei „gelassen, weil wir fest überzeugt sind, dass das, was wir vorgeschlagen haben, verfassungsgemäß ist“. Die Klägergemeinschaft von FPD, Grünen und Linken bezeichnete er als „humoreske Truppe“. Auch in den sozialen Netzwerken wurde zunächst besonders die ungewöhnliche Konstellation kommentiert. Die Fraktionschefs witzelten bereits während der Pressekonferenz, dass es vorerst keine permanente Zusammenarbeit geben werde.
„Die Klage ist nicht überraschend, aber wir bedauern die Kritik. Wir leben in gefährlichen Zeiten und die Bayern nehmen den Schutz ihrer Bevölkerung ernst“, sagte Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Das bayerische Gesetz sei ein gutes Vorbild für ein bundesweites Polizeigesetz.
Am 14. Oktober wird in Bayern gewählt. Laut Umfragen steht die CSU bei 36 Prozent. Die Grünen wären mit rund 16 Prozent ein möglicher Koalitionspartner. Sollte das Polizeigesetz so bleiben, wie es ist, „wird das natürlich eine Rolle bei potentiellen Regierungsgesprächen spielen“, sagte Göring-Eckardt. FDP und Linke betonen die bundespolitische Bedeutung der Klage: ein wichtiger Schritt in der bundesweiten Überarbeitung der Sicherheitsarchitektur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch