Bauernbund über Wölfe auf der Weide: „Schießen! Sofort schießen!“
Der Wolf gefährde die besonders artgerechte Bio- und Weidehaltung etwa von Rindern, warnt Bauernbund-Sprecher Reinhard Jung.
taz: Herr Jung, der Wolf breitet sich immer weiter aus. Ihre Heimat Brandenburg ist das Bundesland mit dem größten Wolfsrevier. Wie sollte man mit dem Tier umgehen?
Reinhard Jung: Schießen! Sofort schießen! Es gibt in Brandenburg 60.000 Hektar Totalreservate, munitions- oder bergbaugeschädigte Sperrgebiete – das reicht doch für den Wolf. Wenn nicht, haben wir ja noch Potsdam und Berlin, da ist die Akzeptanz am größten (lacht). Bei uns auf dem Land wollen wir ihn jedenfalls nicht haben.
Was haben Sie denn gegen den Wolf?
Der Wolf tötet Nutztiere auf der Weide, vor allem Schafe und Kälber. Wir können lange über unser Verhältnis zur Wildnis philosophieren, am Ende bleiben die ganz banalen ökonomischen Fakten: Dass der Wolf sich ausbreitet, belastet die Weidewirtschaft, die artgerechteste Form der Tierhaltung, gesellschaftlich hoch angesehen, mit erheblichen Zusatzkosten. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Weidewirtschaft und damit auch vieler Biobetriebe gegenüber der intensiven Stallmast.
Können die Bauern sich nicht gegen Wolfsrisse schützen?
Wir können uns Hunde anschaffen, die ungefähr so viel Fleisch fressen, wie der Wolf reißt. Oder wir können Zäune bauen, zwei Meter hoch und einen halben Meter in der Erde, mit Elektronetzen und Stacheldrahtkrone. Abgesehen davon, dass Sie unsere jetzt noch lieblichen Landschaften dann nicht wiedererkennen würden, wird diesen gigantischen Aufwand niemand bezahlen.
2014 hat der Wolf in Brandenburg, das er als Erstes erobert hat, doch nur fünf Kälber gerissen.
Und das soll auch so bleiben. Wenn sich der Wolf genauso schnell ausbreitet wie der ebenfalls geschützte Biber, der gerade unsere Grünlandniederungen unter Wasser setzt, dann gute Nacht. Die derzeitigen Zuwachsraten hochgerechnet, haben wir in zehn Jahren in jedem brandenburgischen Dorf einen Wolf. Die ganzen Schafe und Kälber, die gerissen werden, müssen wir Bauern bezahlen.
Der 49-Jährige ist Bio-Landwirt in der Umstellungsphase und Geschäftsführer des Bauernbunds Brandenburg, der etwa 400 „bäuerliche Familienbetriebe“ vertritt. Am Mittwoch haben Ämter, Bauern und Naturschützer beim „Runden Tisch Wolf“ über den Umgang mit dem Tier verhandelt.
Das Land entschädigt Sie doch.
Ja, es gibt Ausgleichszahlungen. Aber das ist alles schwierig, man muss sie beantragen, muss beweisen, und, und, und. Wenn es immer mehr wird, wird der Staat eh nicht mehr zahlen.
Kann man denn durch Abschüsse die Wölfe auf ein Naturschutzgebiet begrenzen? Dann wird doch ein Wolf erschossen und wenig später kommt der nächste.
Dann wird er eben auch erschossen.
Am Ende wären die Wölfe wieder ausgerottet. Wie ließe sich das verhindern?
In den Schutzgebieten würden sie überleben. Auch außerhalb, wenn sie so scheu sind, wie man uns immer wieder erzählt. Wir wollen nur nicht mehr Wölfe.
Wolfsfreunde sagen: Anders als Biber werde es nicht so viele Wölfe geben. Eine Wolfsfamilie beanspruche 20.000 bis 27.000 Hektar für sich und lasse dort keine Artgenossen zu.
Alles schöne Theorie. Wir wollen dafür nicht die Versuchskaninchen sein. Der Wolf war früher allen Überlieferungen zufolge ein Feind des Menschen, ein schlimmer Schädling, der viel Unheil angerichtet hat. Er wurde nicht aus Spaß ausgerottet. Die Menschen wollten einfach ohne Angst leben.
Warum wollen Naturschützer Ihrer Meinung nach dennoch mehr Wölfe?
Weil sie keine Ahnung haben. Die sitzen entspannt im Berliner Fabrikloft und schauen sich auf dem Plasmabildschirm an, wie niedlich Wolfswelpen sind. Denen würde ich gern mal auf meinem Mutterkuhbetrieb erklären, wie knapp man kalkulieren muss, wenn man mit Weidetieren Geld verdienen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers