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Ballon-Konfrontation von China und USAKräftemessen am Himmel

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

China lässt einen Ballon über dem US-Gebiet fliegen, die USA schießen ihn ab. Beide Seiten demonstrieren damit ihre Macht – und die Anspannung wächst.

Ein einzelner Ballon sorgt zwischen den beiden Präsidenten für Anspannung Foto: Alex Brandon/dpa

E s gibt viele Horrorszenarien für ein militärisches Kräftemessen zwischen der Volksrepublik China und den USA, die zu einem Krieg führen könnten: eine Marinekonfrontation im Südchinesischen Meer, ein militärischer Zusammenstoß über Taiwan oder auch ein massiver Cyberkrieg. All diese Szenarien wurden schon oft durchgespielt. Jetzt hat tatsächlich die US-Luftwaffe ein mutmaßliches chinesisches Militärgerät aus der Luft geholt. Zum Glück war es nur ein Ballon.

Was genau das für ein Ballon eigentlich gewesen ist, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Fest steht, dass sein Abschuss für beide Seiten von Vorteil ist. China beweist, dass es über dem US-Gebiet Objekte herumfliegen lassen kann, die Washington in Alarmbereitschaft versetzen. Die USA beweisen, dass sie eine solche mutmaßliche Bedrohung problemlos neutralisieren können. Ob das Ding wirklich zur Spionage taugte, ist dabei nebensächlich. Seine öffentliche Zurschaustellung war eine Machtdemonstration Pekings. Seine öffentliche Zerstörung eine Machtdemonstration Washingtons.

Kann man also beruhigt zur Tagesordnung übergehen? Nicht unbedingt. Die Affäre hat den ersten Chinabesuch des US-Außenministers Anthony Blinken in letzter Minute sabotiert und damit auch die erhoffte Neuinszenierung von Gesprächsbereitschaft nach Jahren ständig wachsender Spannungen. Berichten zufolge war Joe Bidens Regierung der geplante Besuch wichtig, der Xi-Regierung hingegen sei er ungelegen gekommen. Wenn das stimmt, ist die Absage ein Punktsieg für China.

Und dass jetzt alle Welt über chinesische Spionageballons spricht, ist ein zweiter Punktsieg, denn es rückt einmal mehr Chinas militärische Stärke und ihre ungeahnte Reichweite ins Licht der internationalen Aufmerksamkeit. Außerdem ist der Einsatz dieser Geräte eine Warnung an kleinere Länder.

China könnte zum Schlag gegen Taiwan ausholen

All das geschieht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Russland seine Angriffe in der Ukraine massiv ausweitet und offenbar zu einem aus Moskauer Sicht finalen Schlag gegen den unbotmäßigen Nachbarn ausholen will – einem Schlag, auf den der kollektive Westen wieder mal zu zögerlich reagieren wird. Das chinesische Ablenkungsmanöver spielt Moskau in die Hände.

Und wenn Russland es doch noch trotz der immensen eigenen Verluste schafft, die Ukraine zu vernichten, könnte als Nächstes China zum Schlag gegen Taiwan ausholen. Vielleicht schon in zwei Jahren – so lauten derzeit die pessimistischeren Prognosen in Washington. Der chinesische Ballon war aus dieser Sicht ein Testballon: Mal sehen, wie Joe Biden reagiert. Diesen Test hat er bestanden. Gerade noch.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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11 Kommentare

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  • 6G
    669638 (Profil gelöscht)

    Aus der JW: "Während Außenminister Antony Blinken den Abschuss eines unbemannten chinesischen Luftschiffs mit der Begründung rechtfertigte, der Aufenthalt im US-amerikanischen Luftraum sei »ein Verstoß gegen internationales Recht«, hat Venezuela am Wochenende das mehrfache Eindringen von US-Spionageflugzeugen in seinen Luftraum gemeldet."



    Man stelle sich jetzt vor, Venezuela hätte es gewagt zu schießen.

  • Der Abschuss des Ballons war nicht klug, steigert er doch die Gefahr eines weiteren Krieges aufgrund eines Zufalls oder eines Missverständnisses.

    Sollen weiter massenhaft junge Männer auf beiden Seiten in einem Stellungskrieg in der Ukraine verbluten, wie im 1. Weltkrieg?

    Vermutlich ist eine Friedensinitiative angesichts der baldigen russischen Offensive eine reine Illusion, aber warum versucht kein Unbeteiligter Dritter wie die Schweiz, China und die USA ins Boot zu holen, um Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine anzustoßen?



    Die Spannungen zwischen den USA und China könnten so ein wenig abgebaut werden.



    Der abgeschossene Ballon könnte nichts weniger als ein Menetekel zu einem weiteren unheilvollen Krieg sein.

    • @Lindenberg:

      "Der Abschuss des Ballons war nicht klug, steigert er doch die Gefahr eines weiteren Krieges aufgrund eines Zufalls oder eines Missverständnisses."



      Und kein Wort darüber wie klug die Aussendung des Ballons durch China gewesen sein mag?



      Recht einseitige Darstellung, finden Sie nicht?

  • "Und dass jetzt alle Welt über chinesische Spionageballons spricht, ist ein zweiter Punktsieg, denn es rückt einmal mehr Chinas militärische Stärke und ihre ungeahnte Reichweite ins Licht der internationalen Aufmerksamkeit."

    Na ja, also Luftballons sind jetzt nicht unbedingt ein Zeichen militärischer Stärke.

    Ich glaube, das Ganze war vor allem ein "Versuchballon", um mal zu testen, wie die USA auf so eine Provokation reagieren.

  • Es ist schon lustig, wie sehr sich die USA - die die ganze Welt abhören - sich darüber aufregen, wenn sie mal die Opfer solcher Aktionen sind.

    Doppelmoral ohne Ende.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Na ja, die USA ist lieber Hammer als Nagel.

  • Ein willkommenes Ablenkungsmanöver für Moskau, das war auch mein erster Gedanke vor ein paar Tagen. Bei dem Anschlag in der Ostsee ist man damit noch etwas besser umgegangen, der Effekt besser verpufft, obwohl's für Putin mutmaßlich nicht im Vordergrund stand und die eigentlichen Adressaten in Russland selber sitzen. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die Amerikaner bei sowas einen wunden Punkt haben und die Reaktion vielleicht auch deshalb nicht unbedingt nachvollziehbar sein muss. 9/11. Das spielt immer noch ne Rolle und sofort da rein, die haben damals nicht umsonst noch über etliche Jahre etwa Kampfflugzeuge entlang der Küsten und über größeren Städten patroullieren lassen. Jeden Tag. War Flugshow pur, das wissen viele hier gar nicht. Hatte keinen anderen Zweck als die Menschen zu beruhigen, Entschlossenheit und Stärke zu demonstrieren. Ich bin auch nicht sicher, ob sie den Ballon sonst abgeschossen hätten. Erkenntnisgewinn wohl zweifelhaft, das Pentagon hat mehr als genug Remote Sensing zur Verfügung, nicht von ungefähr war ja sofort geklärt, was das jedenfalls nicht ist. Also eher ne Machtdemo, Territorialverhalten, klar, aber ich glaube auch in dem Fall ist gar nicht in erster Linie Beijing angesprochen sondern das eigene Publikum. Biden stand mächtig unter Druck und hatte vermutlich gar keine Wahl. Ob man als Supermacht-Wannabe mit einem einfachen Ballon hingegen gleich Reichweite beweisen kann, oder wollte, kam mir so nicht in den Sinn. Für Taiwan bräuchte es bedeutend mehr und ob sie das haben, oder in zwei Jahren haben können, da gehen die Meinungen auseinander. Zur Erinnerung: Dass Russland "es" haben würde, da waren sich viele ja mal bombensicher. Sicher ist: China ist zum Glück nicht Russland, in keinster Weise, aber militärisch wird's inzw. ähnlich aufgeblasen. Ganz merkwürdig, denn Giganten sind sie in sovielen anderen Bereichen.

    • @Tanz in den Mai:

      Man schaue sich mal eine Karte der Gegend an, wo sich China befindet. Und dann, wo deren Handelsflotte normal entlang fährt. Was findet man da? Den Südpazifik.

      Keine Ahnung wieviel der Wirtschaftsleistung Chinas da so rumschippert, ich glaube 60% des Außenhandels oder so. Es gibt dort auch diverse Meerengen und genug Staaten, die ebenfalls Interessen dort haben. Und dann noch eine Vielzahl an Militärbasen der USA.

      Mit anderen Worten: man kann Chinas Wirtschaft sehr stark treffen, wenn man den Schiffsverkehr dort einschränkt oder behindert. Die Region ist schon seit langem machtpolitisch extrem umstritten.

      Und genau deswegen rüstet China dort massiv auf, und investiert in die eigene Marine.

  • Für China und Russland läuft es nicht rund!



    Beides sind autoritäre Regime die dem gemeinsamen Irrtum der Selbstüberhöhung und Unterschätzung ihrer Gegner unterliegen.



    Die Chinesische Führung hat es zwei Jahre lang versäumt ihre Bevölkerung mit hochwertigem Impfstoff zu impfen und so einer Herdenimmunität Rechnung zu tragen, hat es versäumt kapitalistischen Auswüchse rechtzeitig zu begegnen und somit einen Abschwung der Wirtschaft zu verhindern. Im Reich werden wohl vermehr Spannungen ethnischer Gruppen auftauchen und die Führung weiter unter Druck setzen.

    In Russland geht es sichtbar mehr und mehr um das reine Überleben des Putin Regimes. Es mutet erbärmlich an zu erfahren, dass mit Hilfe von Gefängnisinsassen in immer neuen Angriffswellen solange Ukrainische Linien berannt werden, bis das "Kanonenfutter" den Munitionsvorrat der Verteidiger zu Ende geleert, eine weitere Welle über die toten Körper hinweg angreifend die Verteidiger zurückdrängen. Eine Taktik wie unter Stalin oder im Ersten Weltkrieg praktiziert.



    Putin ist wohl genötigt die Lage weiter zu eskalieren um selbst weiter existieren zu können. Den Wirtschaftskrieg hat er mit dem Rückgang der Inflation im Westen mit Pauken und Trompeten ebenso verloren wie er den militärischen Konflikt mit der Lieferung westlicher Technik an die Ukraine eigentlich nie gewinnen konnte.

    Und trotzdem sieht die Zukunft nicht rosig aus, verspricht sogar in einem großen langen Krieg recht düster zu werden. Aber wie immer, die Hoffnung stirbt zuletzt.

    • 6G
      669638 (Profil gelöscht)
      @Thomas Rausch:

      Im Artikel steht aber das völlige Gegenteil. China testete wie weit es bei Biden gehen kann. Der Test ist gelungen. Trump hatte 2 oder 3 Ballons fliegen lassen und ohne sich darüber aufzuregen. Erreicht wurde, dass Blinken seinen Besuch verschiebt. Das kommt den Chinesen sehr gelegen. Man schüttelt keine Hände, wenn man sich letzte Woche noch angegiftet hat.



      Und zu Russland. Da folge ich eher den amerikanischen Befehlshaber der da überzeugend darlegte, dass die Ukraine nicht gewinnen kann und letztendlich der Krieg durch Verhandlungen beendet werden muss. Fragt sich nur wieviel Tote sollen es denn noch sein. Auf beiden Seiten.

      • @669638 (Profil gelöscht):

        Aus Sicht der Ukraine ist die Antwort wohl so viele wie nötig.

        Oder sind Sie so naiv zu glauben, dass das Sterben in der Ukraine mit dem Sieg Russlands enden würde! Nein, dann geht es erst richtig los.