Baerbock und Barrot in Damaskus: Kein Geld für „islamistische Strukturen“
Die deutsche Außenministerin war am Freitag mit ihrem französischen Amtskollegen zu einem Kurzbesuch in Syrien. EU-Hilfen knüpfen die beiden an Bedingungen.
In Syrien gebe es Hoffnung auf eine freie Zukunft, aber dies sei „keineswegs“ gewiss, sagte die deutsche Außenministerin. Deshalb werde eine Aufhebung der EU-Sanktionen, die derzeit noch in Kraft sind, von der Entwicklung des politischen Prozesses in Syrien und der Menschenrechtslage abhängen.
Es habe „etliche positive Signale“ gegeben, doch auch Berichte, die diese wie „Testballons“ haben aussehen lassen. Will heißen: Noch ist man von den neuen Machthaber*innen und deren erklärter Offenheit für Pluralismus nicht vollständig überzeugt.
Erst kürzlich haben in Syrien geplante Änderungen an den Schulbüchern, die laizistische Formulierungen in islamische verwandeln sollen und historische Frauenfiguren streichen, für Aufruhr gesorgt. Ebenso kritisiert wurden die teilweise konservativen Äußerungen einiger Politiker*innen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihrer „biologischen Natur“.
Wiederaufbauhilfe an Bedingungen geknüpft
Deutschland wolle beim Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes helfen, doch nicht zum Geldgeber für „neue islamistische Strukturen“ werden, so Baerbock. Es brauche jetzt einen „friedlichen Dialog aller religiösen und ethnischen Gruppen“, Frauen müssten sich ebenfalls an der zukünftigen syrischen Regierung beteiligen. Auf syrischer Seite habe man dies verstanden.
Im multikulturellen Syrien regiert derzeit eine Übergangsregierung, die größtenteils aus Funktionär*innen der ehemaligen sogenannten „Syrischen Heilsregierung“ der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) besteht oder dieser nahe steht. HTS hatte sich Anfang Dezember nach einer nahezu widerstandlosen Offensive von der Stadt Idlib aus nach Süden bewegt und dann zusammen mit anderen Rebellenmilizen die Macht übernommen. Noch steht die Gruppe auf der Terrorliste der Vereinten Nationen.
Sie entsprang vor Jahren aus der Terrorgruppe Al Qaida, damals noch unter dem Namen Jabhat al-Nusra. Sie war für Entführungen und Selbstmordangriffe verantwortlich. „Ich habe heute auch Gespräche mit Menschenrechtsorganisationen geführt, die eine lange Liste von Taten der HTS und anderer Akteure haben“, sagte Baerbock dazu. Gerechtigkeit müsse für alle gelten.
Erster Besuch einer deutschen Außenministerin in 12 Jahren
Es war der erste Besuch einer deutschen hochrangigen Politiker*in in den letzten zwölf Jahren, seit der Bürgerkrieg in dem Nahost-Land begonnen hatte. Auf dem Tagesprogramm der europäischen Delegation standen nicht nur Gespräche, sondern auch ein Besuch des berüchtigten Foltergefängnisses Sednaya. Bei der Aufarbeitung von Verbrechen könne die EU durch ihre Erfahrung nach den Weltkriegen ebenfalls helfen, sagte die deutschen Politikerin. Um einen Mechanismus in Gang zu setzen, die Gerechtigkeit wieder herzustellen und zu garantieren.
Die kurdische Frage kam ebenfalls zur Sprache. Im Nordosten des Landes liefern sich kurdische und protürkischen Milizen immer noch Gefechte, die Zukunft des als Rojava bekannten Gebiets ist noch unklar. Eine Integration der kurdischen Streitkräfte in den neuen syrischen Sicherheitsapparat sei deshalb notwendig, so Baerbock. Die Wiederaufnahme in der internationalen Gesellschaft sei kein Automatismus. Auch um eine Rückkehr syrischer Geflüchteter aus Deutschland zu sprechen, ist es noch zu früh. Zuerst müssen diese sicher sein, dass ihre Sicherheit langfristig garantiert wird.
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