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BSW und „Freie Sachsen“Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin

Im sächsischen Görlitz hat ein BSW-Abgeordneter mit den „Freien Sachsen“ für „Frieden“ protestiert. Die Wagenknecht-Partei blinkt weiter nach rechts.

Rechtsextreme „Freie Sachsen“ schwenken gerne ihre Fahnen, wie hier in Dresden im Oktober 2024 Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Es ist die prorussische Querfront, wie Wladimir Putin sie sich überall in Deutschland wünschen würde: In Görlitz hat der Landtagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf einer „Friedensdemo“ der extrem rechten Szene und dem Coronaprotest-Milieu geredet. Die Demo organisiert hatten das verschwörungsideologische Bündnis Oberlausitz, das zusammen mit den rechtsextremen „Freien Sachsen“ in Bautzen eine Kreistagsfraktion stellt.

Videos vom Marienplatz in Görlitz zeigen mehrere Dutzend Demonstrierende, die letzten Samstag als Querfront der Putinfreunde Friedensbewegung simulieren. Sie zeigten dabei Slogans wie „Diplomaten statt Granaten“ – aber auch AfD-Herzen, Russland- und Compact-Fahnen, Friedenstauben, schwenkten Fahnen der „Freien Sachsen“ oder schlicht eine mit dem Slogan „Widerstand“ in Altdeutschen Lettern. Laut Polizei nahmen 250 Personen teil, während des Aufzugs wurde ein Ge­gen­de­mons­tran­t beleidigt.

Während der eher kurzen Rede des BSW-Abgeordneten Hentschel-Thöricht ging er nicht auf den Aggressor im Ukrainekrieg ein, wünschte sich aber vom Publikum, dass es bei der Bundestagswahl keine „Kriegshasardeure“ wählen solle: „Da ist Merz genauso gemeint wie Scholz: alles eine Sippe“, so Hentschel-Thöricht.

Seine Rede passte zu anderen Redebeiträgen und dem auch bei den „Freien Sachsen“ üblichen Geraune vom „ausländischen Hegemon“. Hetze gegen „Brandmauern“, „linksgrüne Regenbogenagenda“ und Geflüchtete durften auch nicht fehlen.

Der Elefant im Raum blieb dabei unerwähnt: Dass eine diplomatische Lösung vor allem an den Vorbedingungen von Putin scheitert, wie etwa kurz zuvor die Gesprächsinitiative von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gezeigt hat, der Ende vergangener Woche mit einem einstündigen Telefongespräch an Putin abperlte. Russland reagierte mit heftigen Raketenangriffen auf die ukrainische Stromversorgung und griff damit erneut die dortige Zivilbevölkerung an.

„Freie Sachsen“ bedanken sich

Die „Freien Sachsen“ schlachteten die Teilnahme des BSW-Abgeordneten genüsslich aus und warben damit großflächig auf ihrem Telegram-Kanal mit 130.000 Followern.

Das BSW hatte kürzlich im Bundestag bereits als einzige andere Gruppe oder Fraktion für eine von der AfD vorgeschlagene Tagesordnung gestimmt. In Sachsen ließ das BSW gerade die Koalitionsgespräche mit CDU und SPD platzen. Der sächsische BSW-Abgeordnete Hentschel-Thöricht selbst hatte im Vorfeld der Demo noch relativiert und der Sächsischen Zeitung gesagt: „Extremisten gibt es in etlichen Zusammenschlüssen, dennoch sollten keine Pauschalurteile gefällt werden.“ Schließlich schaue sich das BSW ja auch in den Parlamenten „Anträge in der Sache an und nicht am Einreicher“. Hentschel-Thöricht war früher Fraktionschef der Linken im Zittauer Stadtrat und beim Ordnungsamt in der Kleinstadt Seifhennersdorf tätig.

Der BSW-Bundesverband ging auf taz-Anfrage am Montag auf Abstand. Ein Sprecher sagte: „Wir haben heute von der Angelegenheit erfahren – und bedauern diese sehr. Selbstverständlich verbindet uns rein gar nichts mit den Freien Sachsen.“ Auch die Vorsitzende des sächsischen Landesverbands Sabine Zimmermann distanzierte sich gegenüber der taz: „Selbstverständlich sind die Freien Sachsen keine Partner für uns, eine Zusammenarbeit mit uns gibt es nicht. Wir waren leider über die Veranstaltung nicht informiert und bedauern das.“

Bemerkenswerterweise klang auch der sächsische BSW-Abgeordnete Hentschel-Thöricht am Montag plötzlich recht kleinlaut: „Ich wusste nicht, dass auf der Kundgebung ein Redner spricht, der den Freien Sachsen nahe steht. Hätte ich das gewusst, wäre eine Teilnahme für mich undenkbar gewesen. Es tut mir leid, dass ich hier nicht genauer nachgefragt habe.“ Blöd nur, dass bereits vor der Kundgebung der Hintergrund des Demo-Bündnisses kein Geheimnis war – zumal das Bündnis und seine extrem rechten Netzwerke in der Region schon lange bekannt sind.

Protest gegen Rüstungskonzern

Versammelt hatten sich der BSW-Abgeordnete und das Bündnis für Oberlausitz unter dem Titel „Oberlausitz für Frieden und Abrüstung“ vor allem gegen die Verlegung der Rüstungsproduktion des Konzerns KNDS in das dortige, von Schließung bedrohte Werk des Alstom-Konzerns. Möglich ist etwa, dass sich dort die Waffenfirma ansiedelt, um Radschützenpanzer Boxer zu bauen.

Nun ist es per se alles andere als verwerflich gegen Rüstungskonzerne zu demonstrieren. Absurd wird es jedoch, wenn man sich anschaut, mit wem der BSW-Abgeordnete bei der Kundgebung auf der Bühne stand und für „Abrüstung“ protestierte. So sprach auch Marcus Fuchs aus Arnsdorf, Kopf der Querdenken-Demos in Dresden, auf der Veranstaltung. Der wurde im Mai für die Verbreitung russischer Propaganda sogar zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 30 Euro verurteilt, weil er laut Gericht den öffentlichen Frieden durch Billigung eines Angriffskrieges gestört habe. Fuchs hatte im Oktober 2022 Russlands Krieg als „Verteidigungs-Spezialoperation“ verharmlost, die angeblich laut UN-Charta „explizit erlaubt“ sei.

Die damalige Demo war wiederum direkt von den Freien Sachsen angemeldet. Die Rechtsextremen lehnen die Demokratie offen ab und wollen das sächsische Königshaus zurück. Nach dem Überfall auf die Ukraine demonstrierten sie mit Putin-Masken und russischen Fahnen. Auch die Corona-Proteste heizten sie an, was nicht zuletzt dazu führte, dass Protestierende mit Fackeln vor Privathäuser von Po­li­ti­ke­r*in­nen zogen. Ebenso gab es in der Szene Ermittlungen wegen Mordplänen gegen den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU).

Antrag mit AfD geht trotzdem

Das Bündnis Oberlausitz ist bei den letzten Kommunalwahlen zusammen mit den Freien Sachsen angetreten. Die Organisatoren veranstalten seit 2021 bereits als „Mahnwache Bautzen“ verschwörungsideologische Demos, bei denen auch etwa Martin Kohlman, der Vorsitzende der Freien Sachsen, aber auch AfD-Politiker sprachen. Kohlmann hatte schon 2018 bei den extrem rechten Unruhen in Chemnitz zu Selbstjustiz aufgerufen.

Die Grünen im sächsischen Landtag kritisierten das Auftreten des BSW-Abgeordneten: „Der Vorgang zeigt, dass das BSW relativ skrupellos ist und ganz grundsätzlich Abgrenzungen nicht verstanden hat oder nicht verstehen will“, sagte Parlamentarische Geschäftsführer Valentin Lippmann der Bild.

An der Querfront nach Rechtsaußen wird unterdessen in Sachsen weitergestrickt: In der Zwischenzeit hat BSW-Chefin Sabine Zimmermann angekündigt, einem Antrag der AfD gegen die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen zustimmen zu wollen. Die AfD gilt in Sachsen sogar laut Verfassungsschutz ebenfalls „gesichert rechtsextrem“.

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18 Kommentare

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  • Querfronten

    Zitat: „Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin“

    Was heißt hier „Querfront“? Mit dieser modischen Diskursfigur wird unverdrossen die Legende gepflegt, hierbei handle es sich um ein ewig-zärtliches Bündnis zwischen Kommunisten und Nazis.



    Es entstammt hingegen ganz im Gegenteil den bürgerlichen Minderheitsregierungen zw. 1930 und 1933 und wurde von Reichswehr-General v.Schleicher verfolgt, einem engen Vertrauten Hindenburgs. Als letzter Reichskanzler vor dem Showdown der Hakenkreuzler sah er die Rettung Deutschlands in einem „Querfront“-Bündnis aus Reichswehr, Gewerkschaften und dem Strasser-Flügel der NSDAP, quasi eine „Harzburger Front Light“.



    Die Idee erstarb mit der Demission Schleichers am 28. 1.1933.

    „Querfront“ war also ein zutiefst konservatives Konzept, das dann in der Zustimmung der „bürgerlichen Mitte“ einschl des katholischen Zentrums zu Hitlers Ermächtigungsgesetz am 24. März seine parlamentarische Weihe erfuhr. Die beiden linken Parteien SPD und noch weniger KPD kamen in diesem Spiel nicht vor. (s. K. Sontheimer: Antidemokratisches Denken in d. Weimarer Republik, A. Schildt: Zur Querfrontkonzeption d. Reichswehrführung am Ende der Weimarer Republik)

  • Alles nicht mehr so einfach. Klare Linien und Grenzen ade. Viele Westdeutsche scheinen das nicht zu akzeptieren - die Kommentare unten verdeutlichen die Sehnsucht nach klar abgrenzbaren politischen Linien sehr schön.

    Wenn man weiterkommen will und nicht noch mehr Linke verprellen will, dann muss man akzeptieren, dass es durchaus in der Realität vorkommt, dass Menschen gleichzeitig die Coronamaßnahmen komplett abgelehnt haben und gleichzeitig für ein Grundeinkommen, Klimaschutz und einen harten Frieden mit der Ukraine sind. Und dann sind die gleichen Leute auch noch gegen offene Grenzen. Puh!

    Das klingt für die Menschen auf der "richtigen Seite" (siehe unten die Kommentare) erst einmal total unglaublich und wird deshalb als Querfront verteufelt. Was man aber eigentlich damit tut: Diese Menschen nach rechts drücken. Von der Linken weg, obwohl es Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten gibt.

    Kann man so machen.. Aber wenn man sich so die letzten Wahlergebnisse der Linken anschaut, dann war "alles Nazis, außer du hast die perfekte Meinung zu jedem Thema" die falsche Vorgehensweise...

    • @Sengel:

      "Alles nicht mehr so einfach. Klare Linien und Grenzen ade. Viele Westdeutsche scheinen das nicht zu akzeptieren [...]

      Dochdoch, ist extrem einfach. Man demonstriert gemeinsam mit Faschos, oder man tut das nicht.

      "Was man aber eigentlich damit tut: Diese Menschen nach rechts drücken. Von der Linken weg, obwohl es Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten gibt."

      Wieder mal die unvermeidliche Legende vom angeblichen "Nach rechts rücken". Hier: Vom "Nach rechts rücken" von Faschos. Und sollte es tatsächlich "Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten" mit Faschos geben, kann sich die politische Linke (zu der Wagenknechts BSW eben gerade NICHT gehört. Und zwar ganz offiziell gemäß der Ausführungen der großen Vorsitzenden www.faz.net/aktuel...will-19272234.html ) gleich mal die Kugel geben.

  • Es wird also etwas über einen ausländischen Hegemon geschwurbelt.



    Naja, da würde mir ein ausländischer Hegemon einfallen, aber dessen Befürworter waren ja mit Fahnen auf der Demo.



    Und die Ukraine wird dafür kritisiert dass sie keinen solchen Hegemon im Land haben will.

    • @Waagschale:

      Dieselben Leute sind auch der Meinung dass kein Land das Recht hat, den Einflusskreis des russischen Reiches zu verlassen bzw. generell Einflusszonen zu verschieben...während man selber für Deutschland fordert, die NATO zu verlassen und sich Russland anzuschließen...

      Man sollte denen mal klarmachen dass sie, ihrer eigenen "Logik" nach, Deutschland in einen Krieg mit den USA stürzen wollen.

  • Und ich dachte, Sahra Wagenknecht hat sich alle BSW-Mitglieder sorgfältig ausgesucht.

    Dabei sollte man sehen, dass sich extreme Rechte und Nazis gelegentlich auch in anderen Parteien tummeln, man denke an Maaßen, Sarrazin, Palmer, und andere.

    Aber mit Rechten für Frieden zu demonstrieren, das ist so, als wolle man mit der CDU gegen rechts kämpfen. Beides ist ein Wiederspruch in sich.

    Es reicht nicht, anti-amerikanisch zu sein, so wie es auch nicht reicht, anti-russisch zu sein. Denn die Kriegstreiber sitzen sowohl im Westen als auch außerhalb des Westens. Deshalb funktioniert die wirkliche Friedensbewegung in ihren Analysen auch nur jenseits dieses Lagerdenkens, wie es aber in allen Parteien vorherrscht, ob AfD, BSW oder CDU, SPD, Grüne.

  • Guten Morgen

    Vielleicht sollte man dem guten Herrn Hentschel-Thöricht, einen Medien Kompetenz Kurs für Anfänger anbieten.



    Oder doch nach ihren demokratischen Vorstellungen anordnen?

    Gruß



    Roberto

  • Tja bei einer Parteiführung, die die Grünen als die gefährlichste Partei Deutschlands bezeichnet, darf das nicht wundern.

  • Dies ist ein Beitrag von erschreckend schlechtem Niveau, der der taz (und auch Gareth Joswig selber) nicht zur Ehre gereicht. Insbesondere das Kontaktschuld-Argument wird darin zu Tode geritten, nun sogar schon mit Marcus Fuchs, der in einem skandalösen Urteil wegen Billigung eines Angriffskriegs verurteilt wurde. Einer auch nur ansatzweise "linken" Tageszeitung hätte es besser angestanden, solche Gerichtsurteile zu hinterfragen.

    • @XXX:

      Kontaktschuld?

      Sie sind mir ein Spaßvogel. Wer auf einer von Rechtsextremen organisierten Kundgebung spricht, wohlgemerkt als Politiker, und dann so tut, als hätte er das nicht gewusst, der ist entweder dumm oder er lügt.

      Dass es zwischen der AfD und militanten Neonazis fließende Übergänge gibt, das ist doch eine Binse.

      Die AfD gibt den Kameraden sogar Jobs. Unter Freunden hilft man sich eben:

      www.tagesschau.de/...tarbeiter-100.html

      • @Jim Hawkins:

        OK, Kommando zurück, da war wohl Freud im Spiel. Ist ja BSW, nicht AfD.

        Wobei, in mancherlei Hinsicht, na ja.

        Jedenfalls, mea culpa.

  • Solange Wladimir bezahlt, werden die genannten linksverdrehenden Rechtsversteher und Quertreiber, unabhängig von ihren sonstigen Erklärungen, weiter gemeinsam auftreten.

  • Keine Koalition mit CDU und SPD, aber mit Nazis stimmen und demonstrieren. Die Irren sind offenbar auch in Sarahs Laden eingesickert. Scheint sie nicht besonders zu stören, Thema für die nächste Folge Markus Lantz.

    • @Bambus05:

      Der könnte sie gleich fragen, ob es sie nicht doch stutzig macht, wenn interne russische Dokumente Wagenknecht als eine für die faschistische Diktatur Russland nützlichsten deutschen Politikerinnen einstuft. Ob ihr das wirklich nicht zu denken gibt.

      Aber die deutschen Journalisten berichten lieber über irgendwelche Landeskoalitionen, anstatt diese Frau endlich mal so richtig massiv in die Enge zu treiben. Es ist unfassbar, dass deutsche Journalisten, anders als ihre englischen oder amerikanischen Kollegen, solche Beißhemmungen haben. Es gibt genug Material, um Wagenknecht festzunageln. Aber man muss es eben auch tun und vor allem auch begreifen, dass diese Frau und ihre Partei eine echte, konkrete Gefahr für Deutschland sind, ganz genau so wie die AfD.

  • „„Ich wusste nicht, dass auf der Kundgebung ein Redner spricht, der den Freien Sachsen nahe steht. Hätte ich das gewusst, wäre eine Teilnahme für mich undenkbar gewesen.“

    Klar, es ist ja auch völlig absurd, dass auf einer Demo gegen die Ukraine (nicht „für Frieden“ oder gar „gegen Krieg“!) in Sachsen irgendwelche Rechtsextreme zu finden sind, was?

    • @Suryo:

      Am Inhalt der Rede scheint er sich jedenfalls nicht gestört zu haben.

  • „Frieden“ heißt im Osten für viel zu viele immer noch das, was es in der staatlichen Propaganda der DDR bedeutete: Ruhe aus Angst vor Moskau. Es ist wirklich schockierend, wie wenig 35 Jahre bei viel zu vielen Menschen gebracht haben. Und nein, das kann man nicht auf die Treuhand oder zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen schieben.

    • @Suryo:

      Sie untertreiben...leider.



      In meiner ostdeutschen Umgebung werden russische Militäreinsätze nicht "nur" als notwendiges Übel angesehen, sondern als wünschenswert verbal unterstützt. "Frieden" heißt daher russischer Sieg.