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Autoritäre KlimapolitikBraucht es den strafenden Vater?

Leute, die wegen ihrer Heizungsidentität konservativ bis rechts wählen, werden durch Klimaaktivisten nicht erreicht. Es braucht eine neue Strategie.

Wegen der Heizungsidentität AfD gewählt? Foto: Rene Traut/imago

U ngern handele ich mir den Vorwurf ein, meinen Platz hier für persönliche Fortsetzungsromane zu missbrauchen. Doch würde ich ausnahmsweise gern an meine vorherige Kolumne anknüpfen. Sie handelte davon, dass ich glaube, dass der Klimapolitik bisher die richtige Ansprache für die Klientel fehlt, die ich hier einmal Kulturkampf- und Populismus-Opfer nennen möchte. Sicherlich wird die Zukunft aber noch bessere Namen bringen.

Es sind jedenfalls jene Leute, die zur Überzeugung gelangt sind, dass Klimaschutz etwas ist, das nichts mit ihrem Lebenswandel, ihrem So-Sein, ihrem höchst eigenen Existenz­entwurf zu tun haben darf. Plant die Regierung zum Beispiel ein Heizungsgesetz, ist es ganz genau die eigene Heizung, so wie sie im Keller steht, um die sich praktisch das ganze Ich herumrankt – meine Heizung, meine Heimat, Finger weg von meiner Heizung!

Dieses Spektakel werden wir voraussichtlich jetzt regelmäßig erleben, denn die jüngsten Landtagswahlen haben gezeigt, wie ertragreich das Mobilisierungsmuster dazu ist – in Bayern gleich für drei Parteien: Freie Wähler, AfD und CSU (die trotz der Erfolge der ersten beiden ja kaum verloren hat).

Meine These ist, dass ganz genau diese Leute, also die zum Beispiel in Bayern wegen ihrer Heizungsidentität die genannten Parteien gewählt haben, durch die bisherigen Kommunikationsweisen des Klimaaktivismus eher nicht erreicht werden oder, um es vorsichtig auszudrücken, nicht sinnvoll erreicht werden.

Keine Klima-Thatcher

Stattdessen, so überlegte ich vor drei Wochen, bräuchte es zur Bedienung des wohlbekannten autoritären Nervs dieser Milieus eine Art Klima-Autoritarismus – im demokratischen Rahmen natürlich, aber jedenfalls die politische Figur des strafenden Vaters, der sagt, was Sache ist, wo der Hase jetzt längs läuft, wo … Sie wissen schon, so ein Durchgreifer, und das Maskulinum steht hier bewusst, Deutschland ist noch nicht reif für eine Klima-Thatcher.

Die Reaktionen auf diese Überlegung waren dann eher negativ. Der Blattkritiker am Montag nach Erscheinen, der Kollege J., schaute mich freundlich, aber schief von der Seite an und wählte ein biografisches Bild: „Kein strafender Vater – sondern strenge Mitbewohner“ seien es in seinem Fall gewesen, die ihn zur Klima-Räson gebracht hätten. Nun gehört J. natürlich sowieso nicht zur beschriebenen Zielgruppe, und ich habe auch nicht nachgefragt, vermute aber, das sollte bedeuten: Ja, erzieherische Maßnahmen sind nötig, aber dafür braucht es keine Eltern, das schafft auch das Kollektiv.

Ein ganz ähnlicher Gedanke sprang mich tatsächlich in derselben Woche aus dem neuen Buch des Kollegen Christian Jakob an, „Endzeit“ heißt es, ist komplett empfehlenswert und handelt von Klima-Apokalyptik, also von der Frage, wie berechtigt Untergangsängste sind und wie ihnen zu begegnen wäre.

Ganz am Schluss kommt er auf die Frage, wie den Anhängern „autoritärer Krisenantworten“ zu begegnen sei, also denen, die auch in Klimaschutz nur irgendeine Elitenverschwörung erkennen mögen. Jakob schreibt, eine „Suche nach ‚gemeinsamen Welten‘ und Formen solidarischen Zusammenwirkens“ müssten möglich sein, und, mit der Philosophin Eva von Redeker: „das Teilen üben“.

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Nun erkenne ich aktuell nicht, dass die CSU-, Freie-Wähler- und AfD-WählerInnen schon angefangen hätten, das Teilen zu üben. Wahrscheinlich richtet sich die Aufforderung aber auch erst mal an die Leserin, das Kollektiv zu pflegen, teilende und umverteilende Praktiken zu entwickeln. Da bin ich doch gern dabei. Bin gespannt, wie die kulturkämpferisch-populistische Mehrheit in Bayern zum Beispiel über die Vorschläge Vermögens- oder Erbschaftsteuer denkt.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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12 Kommentare

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  • Der autoritäre Vater läge in menschlichen Entwicklungsstufen gesprochen auf Trump-Level. Eine ausgesprochen frühe Stufe.



    Diese Menschen zeigen sich Fakten wenig zugänglich. Sie werden eher nicht überzeugt, sondern per Gesetzgebung eingefangen. Wir können versuchen, sie und andere mit anderen Narrativen anzusprechen - das Hauptproblem ist das nicht.

    Was hingegen vor allem fehlt, sind Menschen bzw. ist eine Menschheit, die nicht zurückfällt, sondern sich weiterentwickelt Richtung "wir".



    Momentan sind wir eine Spezies, die sehenden Auges die eigene Lebenswelt zerstört. Eine unreife Spezies. Wir brauchen keinen weiteren Streit von demokratischen Parteien, die das Faktum der Klimakrise immer mal wieder in Frage stellen und sich hier teilweise auf Kindergartenniveau bewegen. Stattdessen brauchen wir Parteien, die eigene wahltaktische Interessen zurückstellen und den Weg in eine partielle Überparteilichkeit finden. Dies ist der nächste Schritt, um die Klimakrise endlich als Krise zu behandeln.

     

  • Vielleicht ist es auch nur rationaler Egoismus.

    Wenn gemäßigten Breitengraden lebt und schon über 40 ist, den wird der Klimawandel nicht besonders treffen und insbesondere wird er feststellen, dass die Kosten, die man von ihm zusätzlich verlangt, nicht unbedingt in eine für ihn persönlich vernünftige Relation zu setzen sind für die Wirkung, die global damit verbunden ist

    • @Paul Rabe:

      @Paul Rabe

      Nachvollziehbares Argument.



      Allerdings wissen wir, dass die Preise für fossile Energieträger steigen werden. Und das auch ohne die geplante Erhöhung der CO2-Abgaben je Tonne ab 2024.

      Ist es da tatsächlich „rational“, wenn bei einem absehbaren Austausch der Heizungsanlage Menschen darauf bestehen, weiterhin zu 100% mit Öl oder Gas heizen zu können?

      Das werden in nicht mal 2 Jahren die Leute sein, die die (weiterhin) hohen Heizkosten als „Versagen der Politik“ beklagen und nach Alternativlösungen jammern werden, die viel früher hätten angeboten werden sollen…

      • @BenLawers:

        Nunja die Leute glauben halt einfach nicht mehr, dass Klimaneutrale Energie und heizen günstiger sind.

        Warum auch?

        Die 100% Ökostrom Tarife waren regelmäßig die teuersten.

        Je mehr Klimaneutrale Energie produziert wird, desto teurer werden die Stromtarife (auch ohne Kriegssondereffekte)! Dabei wird ständig erzählt, mit Klimaneutraler Energie sinken die Preise.

        Die propagierten Vorteile einer Klimawende übersetzen sich halt leider nicht in die Realität, sondern gegenteiliges tritt meistens ein.

  • Die Öl/Gasheizungsidentitären auf dem Land, die Frau Winkelmann spöttisch identifiziert haben will, wohnen halt, i.Ggs. zum Großteil der linksliberalen Großstadtbubble, in Eigenheimen und müssen den Umbau selber finanzieren und organisieren. Der Wechsel z. B auf eine Wärmepumpe ist einfach teuer und mit vielen anderen Umbauerfordernissen verbunden und läuft den finanziellen Interessen der Menschen entgegen. Zunächst handeln sie kurzfristig und individuell gesehen rational.

    • @Ignaz Wrobel:

      @Ignaz Wrobel

      Selbst im ersten Entwurf hatte Habeck - übrigens auf Grundlage bereits geltender Austauschpflichten, die die Union eingeführt hatte - für NEUBAUTEN bzw. NEUINSTALLATION den Einbau klimaneutraler Heiztechnik vorgesehen.

      Ich frage mal: ist es rational, wenn heute Menschen Eigenheime bauen, die nicht nach min. Passivhausstandard gedämmt sind? (In denen übrigens nicht mal eine wärmepumpenbasierte Heizung notwendig wäre.)

      Okay. Sie können damit argumentieren, dass „freien Bürgern“ die Wahlfreiheit gelassen sein müsse.



      Aber das hätte erstens nichts mit „rational“ zu tun.



      Und zweitens: Wäre es dann nicht konsequent, dass nicht zu Lasten etwa derer, die bereits in Klimaneutralität investiert haben, durch den Staat die Gaspreise künstlich verbilligt werden?

      Alles andere ist Rosinenpickerei!

  • Selbst unser grüner Bunderwirtschaftminister konnte bei der Verabschiedung des Heizungsgesetztes nich sagen, wieviel CO2 dadurch eingespart wird - das mag manch einen Wähler, der das Thema nicht aus ideologischen Gesichtspunkten verfolgt skeptisch gestimmt haben.

  • Liebe Frau Winkelmann,



    so sehr Ihre Überlegungen vielleicht in der hiesigen Community Anklang finden mag, fürchte ich, dass die Krux gerade darin liegt, dass diese „Klimawende“-Unwilligen eben nicht für „Umerziehung“ erreichbar sind.



    Im Gegenteil. Die Versuche, hier „erzieherisch“ aufzutreten, ruft gerade die Abwehrhaltung hervor, die wir bei Klimaschutz, Gendern und „Wokness“ erleben.

    Ihr eigentlicher Ansatz, autoritative Politik zu machen, dürfte angesichts dessen der einzige praktikable und Erfolg versprechende Ansatz sein. Nur eben mit einem wesentlichen Punkt, der zu selten in den Fokus genommen wird:



    Am Ende muss für eine große Mehrheit dieser Erfolg auch individuell erlebbar sein! Und das kann sich nicht alleine in der erfolgreichen Dämpfung des Klimawandels zeigen.

    Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass verhinderte Katastrophen eher dazu führen, dass im Nachgang die Gegner einschränkender Maßnahmen sogar noch größere Zustimmung ernteten. Weil ja alles „glimpflich“ ablief, erscheinen harte Maßnahmen unverhältnismäßig. Ein Paradoxon. Aus dem man lernen kann, dass Katastrophen zu verhindern, kein alleiniges politisches Ziel sein kann und darf.

    Neben dem für viele eher abstrakten Ziel, die Klimaerwärmung zu stoppen, muss es eben ganz pragmatisch individuelle Vorteile geben, sich möglichst klimaneutral zu verhalten. Je günstiger etwa das Heizen/Kühlen mittels klimaneutraler Techniken - und sei es einfach Passivhausstandard - um so mehr würden die Menschen die Gastherme im Keller als Belastung schnellstmöglich austauschen wollen.

    Habecks Fehler: zuerst hätte die Förderung und soziale Abfederung stehen müssen, zusammen mit den Alternativlösungen und einer Neustrukturierung der Strompreise… und dann erst das Verbot fossiler Brenntechnik. Bei den aktuellen Gaspreisen wäre das ein Selbstläufer geworden.

  • “Nun erkenne ich aktuell nicht, dass die CSU-, Freie-Wähler- und AfD-WählerInnen schon angefangen hätten, das Teilen zu üben”



    Ich auch nicht, bloss das Aus-Teilen. Aber das müssen gestandene Populisten bis Faschisten eh nicht mehr üben. Das ham sie drauf.

    • @Ardaga:

      Vielleicht sollten erstmal die Wähler und Wählerinnen der Grünen und der FDP damit anfangen die haben nämlich das höchste Einkommen.

  • Das Problem ist, dass die globale Erwärmung so riesig ist, dass er psychologisch kaum zu fassen ist und Leugnung eine psychologische Coping-Strategie ist, die die Rechtsradikalen gerne bedienen.



    Indessen sind 100.000- 200.000 Euro für eine Sanierung eines Zweifamilienhauses aus den 50ern inklusive neuer Heizung und Solaranlagen für den Einzelnen eine gewaltige, aber fassbare Ausgabe, die Angst vor finanzieller Überforderung machen kann.



    Die einzige sinnvolle Lösung ist ein gigantisches Investitionsprogramm des Staates.



    Wie eine Kriegswirtschaft, nur für den Klimaschutz.



    Ich hoffe, die Grünen lernen diese Lektion bald noch...

  • Anschließe mich...



    /



    LEIDER BETRIFFT DAS FOLGENDE INKL. FOLGEN DER IGNORANZ UND AVERSION VON VERÄNDERUNG BEI VIELEN PROTAGONIST*INNEN IM KLIMASCHUTZ IRONISCHERWEISE GENAU IHRE EIGENEN ELTERN



    "...dass ganz genau diese Leute, also die zum Beispiel in Bayern wegen ihrer Heizungsidentität die genannten Parteien gewählt haben, durch die bisherigen Kommunikationsweisen des Klimaaktivismus eher nicht erreicht werden oder, um es vorsichtig auszudrücken, nicht sinnvoll erreicht werden."



    UND DAHER IST IN DER ABWANDLUNG DER "FORTSETZUNGSGESCHICHTE" AUCH DAS LITANEIARTIGE ADRESSIEREN DER PROBLEME AUF DERSELBEN EBENE PARALLEL ERKENNBAR.



    "Ungern handele ich mir den Vorwurf ein, meinen Platz hier für persönliche Fortsetzungsromane zu missbrauchen."



    MANCHMAL GEHT DAS EBEN NICHT ANDERS -



    AUCH DAHEIM UND DANN AUCH IN DER FAMILIE



    Folgt Fortsetzung?