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Aussage von Zschäpe im NSU-ProzessZweifel sind angebracht

Faktencheck im Gerichtssaal: Eine BKA-Ermittlerin prüft Beate Zschäpes Einlassungen vom Dezember. Es ergeben sich diverse Fragen.

Beate Zschäpe am 16. März im Gerichtssal in München Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Der 272. Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess, er war wieder ein ungemütlicher für Beate Zschäpe. Denn vorgeladen war am Donnerstag eine BKA-Ermittlerin, die Zschäpes Aussage vom Dezember einer Art Faktencheck unterzogen hatte. Ihr Fazit: Zweifel sind angebracht.

So hatte Zschäpe behauptet, sie habe am 4. November 2011, dem Tag, als sich ihre Untergrundkumpanen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem gescheiterten Bankraub in Eisenach erschossen, durch das Radio vom Tod der Männer erfahren. Dort sei berichtet worden, die Polizei habe zwei Männerleichen in einem brennenden Wohnmobil gefunden. Darauf habe sie, wie es Mundlos und Böhnhardt vorher von ihr gefordert hätten, den Unterschlupf in Zwickau in Brand gesetzt.

Die BKA-Ermittlerin recherchierte darauf zum damaligen Radioprogramm. Die Information über das brennende Wohnmobil kursierte in Pressekreisen schon ab circa 13 Uhr, schilderte sie.

Erste Ausstrahlungen fand die Beamtin erst ab 15.30 Uhr. Da aber soll Zschäpe laut Anklage die Wohnung längst in Brand gesetzt haben. Gab es Ausstrahlungen, welche nicht mehr zu recherchieren waren – oder hatte Zschäpe eine andere Quelle für die Todesmeldung?

Mitschnitte auf DVD

Ein anderer Fall: der NSU-Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße. Zschäpe hatte behauptet, dieser sei allein von Mundlos und Böhnhardt geplant und ausgeführt worden, sie habe erst im Nachhinein davon erfahren. Die BKA-Ermittlerin aber verwies auf Mitschnitte von TV-Berichten über den Anschlag, die sich auf einer DVD im Brandschutt des Zwickauer Unterschlupfs fanden und bereits kurz nach der Tat aufgezeichnet wurden. Da aber konnten Mundlos und Böhnhardt unmöglich wieder in Zwickau sein. Hatte Zschäpe die Mitschnitte gemacht und war somit eingeweiht?

Ihr Verteidiger Matthias Grasel hielt dagegen. Warum Zschäpe? Mundlos und Böhnhardt könnten doch in Köln die Aufzeichnungen gemacht und mitgebracht haben. „Oder eine andere beliebige Person.“

Könnte sein. Dann aber wäre noch jemand Unbekanntes zumindest in den Kölner NSU-Anschlag eingeweiht gewesen. Nur wer? Für die Mitangeklagten hatte dies Zschäpe bisher ausgeschlossen. Am Ende bleiben in beiden Fällen Fragezeichen, die erneut an der Glaubwürdigkeit der Zschäpe-Aussagen kratzen.

Ungemütlich wurde es auch für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben, der als Waffenlieferant des NSU beschuldigt wird. Bei einer Hausdurchsuchung im November 2011 fanden Ermittler ein T-Shirt mit einem Bild des KZ Ausschwitz und einem Zug. Dazu die Aufschrift: „Eisenbahnromantik“. Auch hierzu sollte eine Ermittlerin aussagen.

Abtrennung von Wohlleben-Verfahren gefordert

Doch Wohllebens Anwälte intervenierten. Das Hemd habe nichts mit den angeklagten Taten zu tun, die Bundesanwaltschaft versuche „Stimmung gegen unseren Mandanten zu machen“. Auch fänden sie zu dem Shirt nichts in den Akten. Offensichtlich also würden ihnen Unterlagen vorenthalten. Die Verteidiger beantragen deshalb eine Aussetzung des Prozesses, eine Abtrennung von Wohllebens Verfahren und einen Neustart in zwei Monaten.

Der Vorstoß dürfte wenig Aussicht auf Erfolg haben. Bisherige Anträge Wohllebens – auf Befangenheit der Richter oder eine Haftentlassung – wurden allesamt abgelehnt. Und auch Bundesanwalt Jochen Weingarten widersprach sogleich. Natürlich fänden sich Informationen zu dem T-Shirt in den Akten. „Bei der gebotenen Befassung mit der Aktenlage wäre man unschwer darauf gestoßen.“ Und es sei auch nicht der einzige Fund, so Weingarten. Beschlagnahmt wurden bei Wohlleben auch Hemden etwa mit einem Horst Wessel-Motiv oder einem Reichsadler samt Hakenkreuz.

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10 Kommentare

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  • Frau Zschäpe ist vermutlich eine Rechtsterroristin. Wie Alberecht Pohlmann schreibt, dürfte die präsentierte Version jedoch vor allem dazu dienen, die Mitwirkung des Verfassungsschutzes zu vertuschen.

    Daraus lässt sich schließen, dass Zschäpe so lange schweigt, wie sie die Hoffnung haben kann, glimpflich davon zu kommen. Wenn sie diese Hoffnung nicht mehr hat oder das Urteil gesprochen ist, besteht für sie Lebensgefahr.

    Werden jetzt bei der Anklage oder bei Zschäpe Widersprüche gefunden, so ist dies weniger ein Indiz für die Schuld oder Unschuld von Zschäpe sondern eine Möglichkeit die offizielle Version als Farce zu enttarnen.

    • @Velofisch:

      Sorry, aber wer sich dem Terror verschrieben hat, zu Hause Waffen hortet und rassistische Hetze verbreitet, für den besteht grundsätzlich immer und überall erhöhte Lebensgefahr. Das ist gänzlich unabhängig von irgendwelchen staatlichen Verschwörungen so und das muss auch jeder wissen, der sich in den Untergrund begibt. Für die Urteilsfindung ist das völlig irrelevant.

      • @Rainer B.:

        Die Art Lebensgefahr, die @Velofisch sicher meint, ist aber schon was anderes und die Sorge um Zschäpe ist nicht nur empath. Natur. Mit ihrem Tod würde evtl ein Teil der Wahrheit verloren gehen.

        • @lions:

          Welche Arten von Lebensgefahr muss man Ihrer Meinung nach unterscheiden? Frau Zschäpe und Wahrheit, das läßt sich doch nirgends übereinbringen - weder im Leben, noch im Tod.

  • Ich möchte den bisherigen Kommentaren hier scharf widersprechen: Die Täterschaft von Böhnhardt und Mundlos ist durch keinerlei gerichtsfeste Beweise erwiesen, somit kann auch unmöglich Zschäpes Mittäterschaft bewiesen werden. Der Prozeß ist eine Farce, um die vermeintlichen "Sicherheitsbehörden" unseres Landes, die wenigstens in Teilen eine eigene, gesellschaftsfeindliche Agenda verfolgen, reinzuwaschen. - Mir ist vollkommen unverständlich, wieso TAZ-Mitarbeitr wie Herr Litschko nicht endlich die gesamte staatliche Verschwörungstheorie in Zweifel ziehen - Material dafür gibt es im Netz genug, von links bis rechts, von mir hier zusammengefaßt: http://www.taz.de/!5285922/#bb_message_3350865. - Langsam beginne ich mich gewaltig zu ärgern. Wir brauchen einen Blog "Linke beobachten die TAZ". Nach einem Vierteljahrhundert Abonnement erwäge ich Kündigung ... wie verbohrt ist diese Zeitung inzwischen geworden?

    • @Albrecht Pohlmann:

      "Zweifel sind angebracht" wurde getitelt, doch die Eingleisigkeit darin erschüttert mich auch. Zeugen sterben, ein Verfassungsschützer ist zur selben Zeit an einem Tatort, Beweismittel werden vernichtet ( schneller Abriss des gesprengten Wohnhauses, Wohnmobil vorzeitig vom Tatort verbracht).

      "Beweismittel" tauchen nach Jahren erst auf ( Zusammenschnitt von Nachrichten der Zschäpe auf CD). Mundlos kannte Kiesewetter vor ihrem Tod persönlich etc.

      Das stinkt so gewaltig und nahezu die gesamte Medienwelt nimmt das nicht zur Kenntnis.

  • Das ist doch eher zimperlich. Wer sich die politische Biographie von Beate Zschäpe ansieht, der erkennt eine Frau mit einer gefestigten Neonazi-Einstellung und einer Verankerung im Kern der Szene. Dass sie aus diesem Kern in die Illegalität abgetaucht, nie wieder aufgetaucht ist und dann auch noch jetzt im Prozess sich zu einer unbedarften Sekttrinkerin stillisieren will, ist geradezu lachhaft. Bei der NSU handelt es sich m.M. um einen Kern im Kern - eine geheime Organisation, die aber durch ihre Praxis durchaus Bekanntheit hatte, schließlich gab es sogar einen Song für die Drei, nicht für die zwei. Aber warum viele Wörter benutzen: Zschäpe wird m.M. verurteilt, hoffentlich auch für immer, denn von Reue oder Kooperation oder Mitgefühl ist bei ihr nichts zu merken, lediglich sich selbst scheint sie super wichtig nehmen zu wollen. Ihre Bemühungen, sich zu einer Nebenrolle stilisieren zu wollen, sind schon bemerkenswert, aber eben auch offensichtlich zweifelhaft.

  • Gut zu wissen, dass das BKA in Sachen NSU jetzt auch schon ermitteln darf.

    • @Rainer B.:

      Na das BKA hat sich ja nichts zuschulden kommen lassen, oder doch? Da fehlt uns nun die Kriegsreporterin zur weiteren Recherche..

  • "Nur wer?" Diese Frage sollte häufiger gestellt werden und bitte ohne diese unterschwellige Botschaft, dass es auf jeden Fall Zschäpe war. Sowas von Vorverurteilung durch das Gericht und die Medien gab es schon lange nicht mehr. Aber sie brauchen das Mädchen, denn sonst haben sie keine terroristische Vereinigung.