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Ausfuhrkontrollen für ImpfstoffeDie eigenen Fehler kaschieren

Kommentar von Finn Mayer-Kuckuk

Exportkontrollen für Coronavakzine klingen fair. Doch in Wahrheit offenbaren die Rufe nach ihr die Hilflosigkeit der politisch Verantwortlichen.

Ausfuhrkontrolle ist wahrscheinlich keine gute Idee, um schneller an den Impfstoff zu kommen Foto: Jason Cairnduff/reuters

E xportkontrollen für Impfstoffe – das klingt zunächst wie eine faire Forderung. Der Staat soll schließlich wissen, wo die kostbaren Ampullen hingehen. Bei näherer Betrachtung zeigen sich allerdings zahlreiche Tücken, die den Vorschlag zu einer richtig schlechten Idee machen. Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben die Forderung als direkte Reaktion auf die Unzuverlässigkeit der Firma AstraZeneca in den Raum gestellt.

In Brüssel war der Verdacht aufgekommen, das Unternehmen habe vorbezahlte Dosen heimlich nach Großbritannien verkauft. Das wäre in der Tat ungeheuerlich. Rückblickend wäre es interessant zu wissen, was mit dem Geld und dem Wirkstoff passiert ist. Die Politiker sollten jedoch bedenken, dass zusätzliche Ausfuhrbürokratie alle EU-Anbieter treffen würde. Also auch die Firmen Biontech und Curevac, die von europäischem Boden aus andere Weltgegenden mitversorgen.

Muss auch Biontech künftig für den Export jeder Charge eine Genehmigung einholen? Mithilfe von Formularen, die dann in Brüsseler Geschwindigkeit bearbeitet werden? Verzögern sich dadurch Lieferungen, die bei den Auftraggebern dringend erwartet werden? Dann würde die EU viel Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Wirtschaft verspielen. Es könnte sogar zu Rückschlägen kommen.

Wenn die EU versprochene Impfstofflieferungen für sich behält, könnten Partnerländer wie China ihrerseits chemische Vorprodukte oder medizinische Schutzausrüstung zurückhalten. Ausfuhrkontrollen sind grundsätzlich zwar ein legitimes Mittel der Politik. Sie sollten jedoch rechtzeitig angekündigt sein, damit die Exporteure und die Behörden sich darauf einstellen können – statt als hastige Sofortmaßnahme verordnet zu werden. Jens Spahn betont, es gehe nicht um „EU first“. Wirklich?

Von der Einführung von Ausfuhrkontrollen geht genau diese Botschaft aus: Wir wollen den hier produzierten Impfstoff für uns behalten. Das mag in national denkenden Kreisen gut ankommen. International betrachtet wird der Impfstoff anderswo ebenso dringend gebraucht wie in der EU. Die Impfstoff-Verantwortlichen in der Politik wollen jetzt einerseits ihre Fehler kaschieren, darunter die späte Bestellung zu Konditionen, die keine Vorzugsbehandlung beinhalten.

Und sie suchen andererseits nach Wegen, den Herstellern von AstraZeneca zu schaden und sie gefügig zu machen. Das Ausfuhrrecht war hier ein naheliegender Ansatzpunkt – doch die Fixierung darauf zeigt letztlich vor allem die Hilflosigkeit der Verantwortlichen.

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11 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    1. Die EU verhängt kein Exportverbot für Impfstoffe oder beschränkt den Export.

    2. EU-Gesundheitskommissar @SKyriakidesEU.



    a .. Die 27 EU-Mitglieder sind sich absolut einig, dass AZ auf der Grundlage der Vereinbarung liefern muss. Die Klausel "Best Bemühungen" entbindet die Gesellschaft nicht



    von Ihren vertraglichen Verpflichtungen.

    b .. AZ sollte vollständige Infos bereitstellen und seinen moralischen, gesellschaftlichen und vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.

    c..Die Best-Effort-Klausel ist im Vertrag aufgeführt wenn der Impfstoff nicht entwickelt oder zugelassen wurde. Die EU wählte AZ aus aufgrund seiner Produktionskapazität. Die EU übernimmt auch das Risiko, wenn die Genehmigung nicht erteilt wird und wir in einen Verlust investiert haben. Wir haben jedoch nicht unter der Annahme in das Unternehmen investiert, dass es nicht vorproduzieren kann.

    d..In unserem Vertrag ist nicht festgelegt, dass ein Land oder UK Vorrang hat, da es früher unterzeichnet hat. Unser Vertrag sieht einen vierteljährlichen Lieferzeitplan vor. AZ hätte eine Klausel im Vertrag vorschlagen sollen, in der bestätigt wird, dass Lieferungen nach UK priorisiert worden wären. Aber der Vertrag enthält keine solche Klausel.

    e..Die der EU am Freitag [von AZ] mitgeteilten Zahlen entsprachen nicht den Angaben im Vorauskaufvertrag und auch nicht den Erwartungen der EU.

    f .. AZ hat der Kommission nie mitgeteilt, dass es zu Produktions- / Kapazitätsproblemen kommen könnte

    g .. Es gibt keine Hierarchie von Fabriken. Es sind vier Fabriken aufgeführt, die sich nicht zwischen UK und der EU unterscheiden. Die Fabriken in UK sind Teil unseres Vorauskaufvertrags. "Das muss absolut klar sein"

    Kein Unternehmen sollte sich vormachen, dass wir (EU) nicht die Mittel haben zu verstehen, was gerade passiert. Deshalb bitten wir alle Unternehmen um Transparenz

    ==

    Brexit.ist eine Tragödie. Covid 19 mit ultranationaler rechter Politik



    bekämpfen zu wollen ist nicht möglich.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich möchte einmal erleben, dass so eine größere Aktion nicht total versemmelt wird.

  • nun, als erstes müßte erstmal eine Zulassung in der EU her. Solange erübrigt sich diese Diskussion. Und Impfdosen in der EU zu horten, die anderswo verimpft werden könnten, wäre auch kein Ruhmesblatt...



    Die Beschaffungspolitik der EU hat Fehler gemacht, die rächen sich jetzt. Jetzt zu poltern, ist verständlich und zum politischen Überleben der Beteiligten notwendig, ist aber reine Show.

  • Die Hauptfehler sind doch, dass die EU-Kommission zu wenig Impfstoffdosen zu spät bestellt hat und auch noch beim Preis sparen wollte.

    Andere Länder wie z. B. Israel und die USA haben mit den Firmen höhere Preise ausgehandelt.



    In Israel hat man schon über 25 % der Bevölkerung geimpft, hauptsächlich mit dem Impfstoff der deutschen Firma BioNTech, welcher in Deutschland so knapp ist, dass selbst Klinken Impfungen ihrer Angestellten stoppen mussten.

    Man sollte Impfstoffbestellungen eben nicht so inkompetenten Leuten wie Ursula von der Leyen überlassen.



    Manche EU-Länder wie z. B. Ungarn haben schon wegen des zu wenig über die EU bestellten Impfstoffs im nationalen Alleingang andere Impfstoffe bestellt, z. B. aus Russland (Sputnik V).

    • @Pjotr J. Golečko:

      Überhöhte Preise zu bezahlen, um andere Länder auszustechen, und sich so die nächste Wahl kaufen zu wollen, finden Sie legitim?

      • @m4rtin:

        Nicht um die nächste Wahl zu gewinnen, sondern um das Volk, auf dessen Wohl man einen Amtseid geleistet hat, mit Impfstoff zu versorgen.



        Das finde ich in der Tat legitim.

  • Interessant wäre es, warum AstraZeneca und wohl auch Pfizer lieber mehr an andere Länder liefern - und ob das der Grund für Lieferschwierigkeiten ist.

    Liegt es an politischem Druck aus GB, USA oder am Preis oder an anderen Dingen. Die Firmen haben ja kein eigenes Interesse der EU zu schaden. Also wäre es zur Beurteilung gut, wenn man deren Interessenlage verstehen könnte. Die man dann für unberechtigt halten kann, aber man kann besser reagieren.

  • Warum wird nur die ganze Zeit an der Politik rumgemeckert, wenn die Firmen ihre Verträge nicht einhalten?

    • @mensch meier:

      Weil alles bisher darauf hindeutet, dass der Gipfel der Inkompetenz, die gute Uschi, es verbockt hat. Astrazeneca hält sich scheinbar an gegebene Verträge,sonst würde der lange Arm der Bundesregierung, die Kommission, nicht die Presse über Umwege auf AZ hetzen, sondern klagen. Wenn Großbritannien die besseren Verträge hat, hat Großbritannien die besseren Verträge. Wenn ich mir anschaue, dass Hersteller ohne vorzeigbare Ergebnisse aus nationalistischen Interessen mit ein bezogen wurden, wundert mich das nicht im geringsten.

      Deutschland benutzt Parlament und Kommission seit Jahren als Abstellgleis für untragbare und inkompetente, aber sich an der Partei verdient gemachte Politiker. Wenn man so schaut wen unsere Nachbarn entsenden, so wirkt das wie allgemeingängige Praxis. Solange es die Kommission gibt und nicht alle macht vom Parlament ausgeht, ist auch keinerlei Besserung in Sicht.

      • @Beskar:

        Interessant Beskar: Sie kennen also sowohl de Verträge zwische AZ und der EU als auch die zwischen AZ und UK - und können also beurteilen wer besser verhandelt hat.



        Ich teile Ihre Abneigung gegenüber "Uschi", sehe aber nicht, dass sie "es verbockt hat". Da müssten Sie schon mehr liefern, als Vorurteile und Vermutungen...

      • @Beskar:

        Als kleiner Nachtrag lese ich gerade, dass Sanofi seine eigenen Bemühungen auf Eis legt. Da haben wir mal wieder ein prima Beispiel, wie produktiv nationalistische Interessen sind. Deswegen wird auf den EU Politikern rumgehackt. Vor allem die EVP (was ein pretentiös irreführender Name) und die EU Sozialdemokraten haben jahrelang vorgeführt, wie man eben keine Politik für die ganze EU macht.

        Der Pakt der EVP mit den Faschisten aus Polen und Ungarn, entgegengesetzt zu allen Versicherungen es diesmal endlich demokratisch zu machen, welcher Uschi an die Macht geputscht hat, hätte eigentlich jedem zeigen müssen, wofür diese Fraktionen stehen: Das festhalten an seit Jahrzehnten dysfunktionalen nationalistischen Partikularinteressen. Schäuble grüßt aus 2009.