Aufnahme russischer Deserteure: Macht hoch die Tür
Soll Europa russische Deserteure, Kriegsdienstflüchtlinge oder Kriegsdienstverweigerer einreisen lassen? Natürlich, immer und sofort! Was denn sonst?
E s ist zynisch. Anders kann man das Verhalten der russischen Anrainerstaaten Lettland, Litauen und Finnland nicht erklären. Denn kaum hat Wladimir Putin es geschafft, mit seinem kriegstreiberischen Wahnsinn wenigstens Teile der eigenen Bevölkerung gegen sich aufzubringen, kaum packen – endlich, endlich – Hunderte, nein Tausende Russ:innen ihre Koffer, um das Land zu verlassen, um der Zwangsrekrutierung für diesen mörderischen Angriffskrieg zu entgehen, um Njet zu sagen zu Putins Krieg, da schlagen ihnen die Nachbarstaaten die Tür vor der Nase zu. Deserteure? Kommen hier nicht rein!
Die Argumente der Kriegsdienstverweigerer-Einlassverweigerer sind hanebüchen. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics bezeichnet die Flüchtenden als Sicherheitsrisiko. Was sie verdächtig macht? Sie haben nicht protestiert, als Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert sein.
Mal abgesehen davon, dass so ein Pauschalurteil ohne Einzelfallkenntnis ohnehin Blödsinn ist: Haben denn alle, die nicht immer sofort und überall gegen die Diktatur auf die Straße gehen und dabei ihre Freiheit, ihr Leben oder auch nur ihren Alltag riskieren, für alle Zeiten ein Anrecht auf Asyl verloren? Wer zu spät kommt, den bestraft … die lettische Regierung?
Noch verblendeter ist die Haltung des litauischen Außenministers Gabrielius Landsbergis, der die Russen aufforderte, zu Hause zu bleiben und dort gegen Putin zu kämpfen. Ach ja? Und wer sich einfach nur an die höchsten Maßstäbe der Humanität hält, wer nicht mitmachen will bei dem – nennen wir es beim Wort – ganzen Scheiß, auf welcher Seite auch immer, der soll dann bleiben, wo der Pfeffer wächst?
Nein, denn ganz egal wann und warum jemand die Entscheidung trifft, sich dem Wahnsinn Krieg zu verweigern. Ganz egal, ob er dafür in den Untergrund, den Widerstand oder ins Ausland flüchtet. Es ist immer die richtige Entscheidung. Daher gilt nur eine einzige unumstößliche Regel: Wo immer ein Deserteur, ein Kriegsdienstflüchtling vor der Tür steht: Macht sie auf!
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen