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Aufklärung nach Tod von JournalistinIsrael ermittelt nun doch nicht

Als die Journalistin Shireen Abu Akleh erschossen wurde, beschuldigte Israel militante Palästinenser. Nun kommt doch keine Untersuchung.

Mahnwache für die getötete Al-Dschasira-Journalistin in Beirut, Libanon Foto: Marwan Naamani/dpa

Berlin taz | Das israelische Militär wird die tödlichen Schüsse auf die Journalistin Shirin Abu Akleh nun doch nicht untersuchen. Das hatte es nach deren Tod am 11. Maizunächst angekündigt.

Das Militär begründet die Entscheidung damit, dass die Untersuchung wohl keine definitive Antwort geben werde. Die Weigerung der Palästinensischen Autonomiebehörde, eine Autopsie vorzunehmen und Israel die tödliche Kugel auszuhändigen, erschwert eine unabhängige Untersuchung.

Yifat Tomer-Yerushalmi ist als Generalstaatsanwältin des israelischen Militärs dafür verantwortlich, die Untersuchung einzuleiten. Denn es gebe nicht genug Anhaltspunkte dafür, dass ein Verbrechen vorliege. Abu Akleh war, als sie über Zusammenstöße zwischen bewaffneten Palästinensern und dem israelischen Militär in einem Geflüchtetenlager nahe Jenin im Westjordanland berichtete, von mehreren Schüssen getroffen worden. Die Soldaten gaben an, dass sie die mit einer Presseweste bekleidete Abu Akleh nicht gesehen hätten und auf militante Palästinenser gezielt hätten.

Bis jetzt ist – trotz einer ersten vorläufigen Untersuchung – nicht abschließend geklärt, wer Abu Akleh erschossen hat: Gleich nach ihrem Tod beschuldigte das israelische Militär militante Palästinenser und teilte ein Video, das einen bewaffneten Mann zeigt, der ruft, dass er einen israelischen Soldaten getroffen habe. Da niemand aus ihrer Truppe verletzt sei, müsse er wohl Abu Akleh meinen, folgerte das Militär.

Analysen bekräftigen Verdacht

Augenzeugen hatten dagegen berichtet, dass das israelische Militär die tödlichen Schüsse abgegeben habe. Die israelische Zivilorganisation B'Tselem analysierte das vom Militär geteilte Video und stellte darauf basierend eine Karte zusammen: Demnach sei es nicht möglich, dass Abu Akleh von den militanten Palästinensern getroffen wurde. Die Situationsanalyse spreche eher dafür, dass das israelische Militär sie getötet habe.

Auch das Investigativportal Bellingcat, das unter anderem auf Geolokalisierungen spezialisiert ist, schreibt: Von ihrer Position aus hätten die israelischen Sicherheitskräfte eine klare Schussbahn gehabt. Sie seien außerdem näher an dem Ort gewesen, an dem Abu Akleh erschossen wurde. Dies stehe im Gegensatz zu den unübersichtlicheren und weiter entfernten Positionen der bewaffneten Palästinenser.

Ein vom katarischen Fernsehsender Al Dschasira verifiziertes Video zeigt zudem, dass in den Minuten vor Abu Aklehs Tod keine Schüsse von den bewaffnete Palästinensergruppen abgefeuert wurden. Für den Sender hatte Abu Akleh aus den palästinensischen Gebieten berichtet.

Bei der Beerdigung von Abu Akleh auf dem protestantischen Mount Zion Friedhof in Jerusalem gingen israelische Sicherheitskräfte außerdem hart gegen die Trauernden vor, unter anderem gegen die Sargträger, wobei dieser fast zu Boden fiel.

Verhärtete Fronten in sozialen Medien

Der Tod von Abu Akleh – und das Vorgehen bei ihrer Beerdigung – wurde auch in den Sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert: Viele warfen dem israelischen Militär „Mord“ vor, und betonten, dass Israel bereits seit Jahren ohne juristische Konsequenzen unbewaffnete Palästinenser sowie Journalisten verletze und töte.

Auf der anderen Seite kreideten Kritiker der Palästinensischen Autonomiebehörde an, eine mögliche Mitschuld durch die Verweigerung der gemeinsamen Untersuchung vertuschen zu wollen. Dass die Untersuchung nun abgesagt wurde, bestätigt beiden Seiten ihre Vorwürfe.

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11 Kommentare

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  • @JIM HAWKINS

    Nochmal: billige Strategie.

    Die israelische Seite weiss, dass auf palästinensischer Seite grosses Misstrauen herrscht (warum wohl?). Sie wissen demnach, dass die Palästinenser Zusammenarbeit ablehnen werden. Die Ablehnung ist also *erwartet*.

    Wenn noch Zweifel bestehen, dass derzeit auf israelischer Seite die Kräfte, die an einer Eskalation interessiert sind die Oberhand haben, möge mensch sich die Ereignisse beim Begräbnis von Abu Akleh reintun.

    Somit wieder eins-zu-null für die Radikalen. Auf beiden Seiten.

    Mit "einseitig" meinte ich aber Ihre Sicht: Sie sehen sehr wohl die Radikalen auf palästinensischer Seite -- die es gibt, keine Frage, nicht die auf israelischer Seite -- die es genauso gibt, und die Hand in Hand mit den erstgenannten zuverlässig dafür sorgen, dass dieser Konflikt nie aufhört.

  • Liebe Taz,



    bei aller Mühe neutral zu sein. Die israelischen "Sicherheitskräfte" gingen nicht "hart gegen die Trauernden vor", sie griffen einen Trauerzug an. Es war ein Angriff. Das kann man auch so sagen,



    Mit der Aufrechterhaltung von Sicherheit, allzumal für Araber, haben die israelischen Sicherheitsorgane schon lange nichts mehr zu tun.

  • @JIM HAWKINS

    Kann man so sehen. Ist aber einseitig. Und das wissen Sie.

    • @tomás zerolo:

      Wenn beide Seiten gemeinsam die Sache untersuchen, was ist daran einseitig?

      Es gibt immerhin auch eine permanente Sicherheitszusammenarbeit zwischen der Fatah und Israel.

  • Die Untersuchung sollte von einer dritten Instanz, wie der UN geführt werden. Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass zwischen den beiden Gegnern noch die Mindestbasis eines ausreichenden Vertrauens für ein gemeinsames Vorgehen bestünde. Ebenso ist es wenig wahrscheinlich, dass eine der beiden Seiten ein für sie nicht günstiges Ergebnis publizieren würde. Die Nicht-Untersuchung wird nicht das letzte Wort bleiben, Menschenrechtsorganisationen werden den Vorfall untersuchen.

  • Da haben beide Konfliktparteien noch jeweils das Maximum für sich aus der Geschichte herausgeholt.

    Den Preis gezahlt hat die Journalistin bzw. die Wahrheit im Allgemeinen.

    • @Sonntagssegler:

      Israel hat eine gemeinsame Untersuchung angeregt. Die andere Seite hat das abgelehnt. Was hätte Israel also tun sollen?

      • @Jim Hawkins:

        Lieber Jim, sie wissen doch, alles was Juden tun muss aus hiesiger sicht untersucht werden...Wenn aber so was passiert: "Hamas executes six suspected informants for Israel on Gaza street"



        www.theguardian.co...rmants-israel-gaza



        hat man jemals gehört, dass so was untersucht werden soll?, können wir irgendwo die lauten Forderungen nach einer Untersuchung nachlesen???



        Was wird man Ihnen entgenen auf Ihre Frage?



        Israel würde eine Untersuchung verhindern...na, das übliche Zeug...Die Menschenrechtsorganisationen werden's untersuchen..Nehmen wir doch gleich die UNO mit Ihrer Weltkonferenz gegen Rassismus vom September 2001 www.juedische-allg...ein/unter-protest/



        Überall auf der Welt gibt es Elend, Not, verzweiflung und Tod, aber in Middle East, da bestehen unsere christlichen Brüder und Schwestern drauf!!!....e-s m-u-s-s UNTERSUCHT werden....dort wo viele Religionen, Völker und Überzeugungen zusammentreffen, wo die Wenigen vor den Gaskammern fliehen konntenund, ja, da gehen sie hin, sind sie die ersten die drauf bestehen unsere Brüder und Schwestern im Glauben ...E-S M-U-S-S U-N-T-E-R-S-U-C-H-T werden..und GELÖST werden muss es auch....

        • @Günter:

          Da haben Sie wohl leider Recht.

          Stefan Frank hat erhellendes über den Fall geschrieben:

          www.mena-watch.com...r-schon-feststeht/

          • @Jim Hawkins:

            naja wer sich bei solchen Leuten wie Frank informiert bekommt eben immer die Hälfte der Information und die noch verzerrt (was will man auch erwarten von jmd der für achgut schreibt, bekannt für islamophobe Tendenzen und Nähe zu Pegida de.wikipedia.org/w...e_Achse_des_Guten) Sie werden jetzt sagen und die Palästinenser verschweigen die andere Hälfte. Gut vielleicht sollte man richtigerweise beide Seiten zusammenlegen.

            Dennoch vergisst Frank, typischerweise, die wichtigen, entscheidenden Fragen zu stellen und das Grundproblem zu erwähnen, als da wären: Wie kam es, dass angeblich eine ganze Stadt, Jenin, so "schießfreudig" geworden ist? Könnte das vielleicht etwas mit früheren militärischen Großaktionen der israelischen Armee gegen die Bevölkerung Jenins zu tun haben (können sie ja selbst googeln, glaube aber auch nicht, dass ihnen das entfallen ist) und the bigger picture: was ist das Grundproblem? könnte es die Besatzung sein?

            Was den Fall der erschossenen Journalistin angeht, schon 2 Tage vor Franks Artikel meldeten israelische Medien, das die IDF inzwischen selbst davon ausgeht, dass die Kugel von einem israelischen Soldaten kam, sogar das Gewehr schon ziemlich genau bestimmen kann. www.timesofisrael....-bullet-to-verify/



            aber psst, passt nicht ins angepeilte Framing. Ja, die Palästinenser rücken nicht die Kugel raus, weil sie den Israelis nicht trauen und lieber eine dritte Partei zur Untersuchung hätten, was die Israelis aber wieder nicht haben wollen (warum eigentlich nicht?)...Aber eigentlich is klar welche Seite die Journalistin erschossen hat.

          • @Jim Hawkins:

            Danke Jim! Hatte ich noch nicht gelesen.



            Interessant ist, dass die Arabischen Staaten sich mit Verurteilungen zurück halten, während im christlichen Europa der Schuldige längst feststeht.



            Ich erinnere mich an einem Satz von Daniel Jonah Goldhagen: "Unbestritten waren die Grundideen des nationalsozialistischen Deutschlands als Komponente des kulturell-kognitiven Modells der deutschen Gesellschaft und als integraler bestandteil ihrer politischen Kultur tief verwurzelt."



            Zitat Ende



            Lesen Sie mal das ganze krude Zeug aus den einschlägigen Foren, etwa -AK Nahost Bremen-. An den Worten daniel Goldhagens hat sich selbst nach dem Holocaust bei uns nichts geändert.