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Atomenergie in DeutschlandDer hohe Preis der Kehrtwende

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Doch länger Strom aus Atomkraft? Es ist eine Stärke der Demokratie, auf eine neue Lage flexibel zu reagieren. Nur: In der Energiewirtschaft ist das nicht so einfach.

In komplexen Systemen muss man langfristig planen: Kernkraftwerk Emsland bei Lingen Foto: Hans Blossey/imago

E ine der Stärken einer demokratischen Gesellschaft ist ihre Fähigkeit zum Wandel; ihre Fähigkeit, Entscheidungen aufgrund von neuen Entwicklungen jeweils neu zu bewerten. Gleichwohl ist es stets eine Gratwanderung. Eine hochentwickelte Gesellschaft braucht zugleich auch ein gutes Maß an Verbindlichkeit. Das gilt gerade dort, wo langfristige Strategien nötig sind, also speziell bei Fragen der Infrastruktur. Nur in wenigen Sektoren wird das so deutlich wie in der Energiewirtschaft.

Aktuelles Beispiel: Die Firma Siemens Energy verkündete dieser Tage, sie habe den bisher größten Auftrag für eine Stromnetzanbindung in ihrer Geschichte erhalten. Zwei Offshore-Windparks werden ihren Strom künftig über Konverter-Stationen in Lingen ins Netz bringen. Bemerkenswert ist dieser Satz in der Firmenmitteilung: „Kernkraftwerk Emsland gibt Netzkapazität für Windenergie frei.“

Der Fall zeigt exemplarisch, wie man bei der Planung den Atomausstieg einkalkuliert hatte. In komplexen Systemen muss man eben langfristig planen. Ähnliche Entscheidungen dürfte es auch andernorts geben. Andererseits muss es immer möglich sein, auch neu zu denken, wenn sich neue Entwicklungen auftun. Wie gesagt, das ist die Stärke einer freien Gesellschaft.

Aber je kurzfristiger und aufgeregter eine Gesellschaft sich von einer bisher vertretenen politischen Linie abkehrt, umso höher wird der Preis. Zum einen aus rein wirtschaftlicher Sicht, weil bisherige Planungen und Investitionen obsolet werden. Aber auch aus politischer Sicht, weil sich Verbindlichkeit plötzlich relativiert.

Bei der Atomkraft käme als besonders hoher Preis der politischen Wende die verminderte Sicherheit hinzu. Denn bisher war an den Standorten von den technischen Prüfungen bis zur den internen Organisationsabläufen alles auf ein Enddatum ausgerichtet.

Technisch-wirtschaftliche Prozesse haben eben oft langfristige Zyklen. Dass diese mitunter nicht zur Aufgeregtheit einer politischen Gesellschaft passen, sollten wir begreifen – und alle Planspiele der Laufzeitverlängerung beenden.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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11 Kommentare

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  • "Wie gesagt, das ist die Stärke einer freien Gesellschaft."



    Welche Freiheit für wen in dieser Gesellschaft? Wie wurde diese Freiheit erschaffen/erworben? Wer hat sie in Aus- und Inland zu welchen Arbeitsbedingungen erarbeitet? Wie wirkt sich Uranabbau auf Umwelt und Anwohner*innen aus? ...

  • In der aktuellen Lage mit vielen gefährlichen und unsicheren Entwicklungen ist es fahrlässig Optionen auszuschliessen, die diese Situation entschärfen können.

    Die negativen Entwicklungen sind hinlänglich bekannt. Stichworte: Klima, Krieg, Energie, Lebenssituation der Menschen etc..

    Eine 3+3 Lösung (Laufzeitverlängerung und Wiederinbetriebnahme von jeweils 3 KKWs) wirkt auf mehreren Ebenen. Hier auch wieder nur ein paar Stichpunkte: Gas- und Kohle-Einsparung, Erhöhung Versorgungssicherheit, Unabhängiger von Russland.

    Das wäre konkrete verantwortungsvolle Politik. In diesem Punkt sollten die SPD und die Grünen dringend weiterentwickeln.

    • @Black & White:

      "ist es fahrlässig Optionen auszuschliessen"



      Wie wäre es etwa mit der Wiederzulassung von Asbest als Dämmmaterial um Baukosten zu senken und Energie zu sparen? Oder Einschränkungen für Produktion und Vertrieb von Lebensmitteln die gekühlt werden müssen? Warum haben eigentlich noch Schwimmbäder und Saunen geöffnet? Wo bleiben Tempolimit und Sonntagsfahrverbot? Wo die Regelungen um den Wohnflächenverbrauch zu reduzieren? ...



      Mir scheint es gibt noch jede Menge mögliche Optionen um den Energieverbrauch zu senken, die kaum diskutiert werden obwohl keine von ihnen mit dem Risiko verbunden ist ganze Landstriche in eine radioaktiv verstrahlte Wüste zu verwandeln und angesichts dessen muss ich ihnen zustimmen: ja, es ist fahrlässig Optionen auszuschließen.

  • Die "freie" Gesellschaft, schön wärs ja, wenn die Gesellschaft entscheiden könnte.



    Gegen alle Widerstände wurde die Atomenergie installiert. Erst ein Gau brachte das Umdenken.



    Im Kapitalismus gehts nur um eines, Profit.



    Woraus der sich generiert, furzpiepegal.



    Atomstrom ist für den Betreiber billig, die Aktionäre, das sind die, die nie genug Geld haben, erfreulich, und für den Staat teuer.



    Er stellt und finanziert die Bedingungen.



    Gleichzeitig verleitet der Atomstrom zu Riesenkonzernen und Ignoranz der Folgen. Und kann demokratisch nicht mehr gelenkt werden.



    Aber er ist billig, für die Grossverbraucher, die Wirtschaft.



    Und das holt uns jetzt ein, billig, billiger am billigsten.



    Auch beim Gas, und Kohle aus Kolumbien und Polen.



    Beim Stundenlohn in Gastronomie, Flughafenlogistik, Fleischproduktion.



    Die wesentliche Frage in diesen Zeiten wird sein, wie wollen wir leben?



    Weiter so und unseren Kindern die Zukunft klauen? Oder gibts noch eine Chance?

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @Hans Jürgen Langmann:

      Wir sind mittlerweile beim Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. Das zum Thema "Diskutieren.."

  • Als Gegner von Atomkraft habe ich trotzdem nichts dagegen, wenn die AKWs aus aktuellem Anlass noch ein paar Jahre gebraucht werden und weiterlaufen. Hauptsache man arbeitet mit Hochdampf daran, dass es auch ohne sie geht.



    Das Problem sehe ich weniger in den AKWs selbst, als in der Unmöglichkeit den Abfall hunderttausende Jahre sicher zu lagern.

  • Hier steht der entscheidende Satz: " In komplexen Systemen muss man eben langfristig planen. "

    Denn genau das vermeidet jeder CFO wie der Teufel das Weihwasser.



    Bedeutet doch Geld in die Zukunft zu stecken auch, die Rendite für die Shareholder zu schmälern.

    Man verprasst ja lieber die Gewinne sofort und schmeisst den Aktionären die Kohle in den Hals.

    Wenn's dann mal dicke kommt wird der Staat schon einspringen.



    Aber ansonsten lieber ohne den Staat - die freie Markt wird's schon richten.

    Und egal wie's läuft: Die Boni sprudeln munter vor sich hin !