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Asylpolitik in DeutschlandKehrtwende an der Grenze

Nach dem Treffen von Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz im Kanzleramt nähern sich Regierung und Union in der Migrationspolitik an.

Bei der EU beantragt: Polizeikontrollen an der Grenze zu Polen Foto: Daniel Scharinger/imago

Berlin taz | Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Montag stationäre Grenzkontrollen nach Polen, Tschechien und zur Schweiz angekündigt. Außerdem sollen die Kontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich um weitere sechs Monate verlängert werden. Ein entsprechender Antrag sei bei der EU-Kommission eingereicht worden, teilte ihr Ministerium am Montag mit. Damit vollzieht sie eine weitere Kehrtwende in der Migrationspolitik. Es dürfte nicht die letzte sein.

Am Freitagabend hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit CDU-Chef Friedrich Merz und Ländervertretern bei einem Abendessen im Kanzleramt über ein gemeinsames Vorgehen beim Thema Migration gesprochen. Alle Seiten nannten die etwa zweistündigen Beratungen anschließend konstruktiv, auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gab. Ein Regierungssprecher sagte aber am Montag in Berlin, beide Politiker würden in der Frage „viele Punkte ähnlich bewerten“.

Zuvor hatten die Bundesländer am Freitag bei einer Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ihre Forderungen an den Bund in der Migrationsfrage formuliert. In einem 15-seitigen Papier verlangten die Länder unter anderem deutlich mehr Geld für die Versorgung von Geflüchteten, schnellere Asylverfahren und die Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte, die Asylsuchende anstelle von Geldzahlungen erhalten sollen.

Die Union begrüßte am Montag die Ankündigung der Innenministerin, die Grenzkontrollen auszuweiten: „Ein überfälliger Schritt“ sei das, lobte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) und forderte, dass der Bund auch mehr Polizisten an den Grenzen zur Verfügung stellen müsse. Auch aus der SPD kam am Montag Zustimmung. Brandenburgs sozialdemokratischer Ministerpräsident, Dietmar Woidke, sagte, der jetzige Zustand an den Grenzen sei nicht hinnehmbar. „Der Staat muss hier handeln. Die stationären Kontrollen können dazu ein wichtiger Beitrag sein.“

Pro Asyl fürchtet Pushbacks

Scharfe Kritik kam dagegen von Pro Asyl: „Grenzkontrollen schrecken Menschen nicht ab, die vor Krieg und Verfolgung fliehen“, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Organisation, Wiebke Judith. Sie sagte, es sei besorgniserregend, dass dort, wo Grenzkontrollen stattfänden, Asylsuchende auch vermehrt zurückgewiesen würden. „Das sind illegale Pushbacks an Binnengrenzen, die von der deutschen Bundesregierung nicht toleriert werden dürfen“, so Judith.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther forderte hingegen einen breiteren Schulterschluss zwischen Union und Regierung: „Alle Anstrengungen müssen sich in den kommenden Monaten darauf richten, dass die demokratischen Parteien gemeinsam die Handlungsfähigkeit des Staates und der staatlichen Institutionen beweisen“, sagte der CDU-Politiker der Welt. SPD-Chefin Saskia Esken bat CDU-Chef Friedrich Merz um konstruktive Mitarbeit: Merz könne als Oppositionsführer im Bund „viel dazu beitragen“, dass alle dabei mitwirkten, dass die Maßnahmen, die EU, Bund und Länder vereinbart hätten, „zügig umgesetzt werden“, schmeichelte sie ihm im Handelsblatt.

Die Grünen signalisieren im Ringen um einen härteren Kurs in der Migrationspolitik Kompromissbereitschaft. Seine Partei sei bereit, Kompromisse zu machen, wenn sie den Kommunen helfen, sagte Parteichef Omid Nouripour der Augsburger Allgemeinen. „Alle Vorschläge sind willkommen, wenn sie rechtskonform und machbar sind und wenn sie die Kommunen voranbringen.“

Nächstes Treffen im November

Während Scholz die von den Ländern am Freitag vorgebrachten Vorschläge nach einer Beschleunigung der Asylverfahren, stationären Grenzkon­trollen und einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte für Asylbewerber lobte, gehen diese Forderungen der Union nicht weit genug. CDU und CSU fordern weiterhin unter anderem einen Richtwert für die Aufnahme von Flüchtlingen – eine Art „Obergrenze“ – und die Einstufung weiterer Staaten als „sichere Herkunftsländer“, in die Flüchtlinge leichter abgeschoben werden können.

Bis zu einem Treffen aller Ministerpräsidenten mit Scholz in Berlin am 6. November sollen nun konkrete Lösungen gefunden werden.

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Offene Grenzen in Europa sind eine historische Errungenschaft. Die sollte man nicht leichtfertig aufgeben. Aber bitte mit den richtigen Argumenten in die Debatte gehen.

    "Grenzkontrollen schrecken Menschen nicht ab, die vor Krieg und Verfolgung fliehen" - herrscht in Polen, Tschechien und Österreich denn Krieg und Verfolgung? Oder gar in der Schweiz? Dieses Argument ist in der Debatte der europäischen Binnengrenzen fehl am Platz. Es geht hier um ein Problem gerechter Verteilung der Lasten innerhalb von Europa. Die Menschen sind längst da - es geht nur darum, in welchem Land in Europa sie unterkommen sollen. Es gibt kein Recht auf Flucht in ein ganz bestimmtes Land, sobald man ein sicheres Land erreicht hat. Dass die genannten Länder sichere Staaten sind, sollte eigentlich niemand anzweifeln, oder?

    Ich fürchte es ist u.a. diese verunglückte Art der Argumentation, die so manche Wähler in die Arme der Rechtspopulisten treibt, weil es einfach nicht wahr ist, dass die Verweigerung der Einreise in Gubin oder in Kufstein ein inhumaner Akt wäre, der Menschenrechte mit Füßen tritt. Das überzeugt einfach nicht und führt die Debatte in die falsche Richtung.

  • Na ja eine Idee könnte sein das Recht auf Asyl im GG abzuschaffen und durch ein Einwanderungsgesetz zu ersetzen. Dann wäre dieses Problem erledigt!

    • @Thomas Zwarkat:

      Nicht wirklich, denn das eine hat mit dem anderen ja nichts zu tun.

  • "Scharfe Kritik kam dagegen von Pro Asyl: „Grenzkontrollen schrecken Menschen nicht ab, die vor Krieg und Verfolgung fliehen“

    Von Polen nach Deutschland wegen “Krieg und Verfolgung“.

    Wie ist das gemeint?

  • Schön zu sehen, dass Scholz so tickt wie Merz.

    Wozu brauchen wir den eigentlich noch mal?

  • Der schwache Scholz tanzt nach der Pfeife.von Merz, der.nach der Pfeife.der.AfD.tanzt, und.die.Grünen tanzen mit.

    • @Robert Löpfe:

      Die tanzen nach dem Willen der Wähler. Das kann man individuell bedauern. Ich befürchte aber, dass das der Preis ist um unsere Demokratie zu stabilisieren.

      • @Tom Farmer:

        Der Wille der Wähler wird bei vielen anderen Themen aber ganz schön ignoriert

  • Was bewegt Politiker*innen eigentlich dazu Dinge zu versprechen bei denen von Beginn an klar ist, dass sie nicht funktionieren können. Eine Obergrenze würde genau so lange halten bis sie erreicht ist, dann gäbe es eine Klage vor dem EGMR und der würde dann auch der Union erklären, dass Menschenrechte und Obergrenzen nicht zusammengehen. Was bringt es also dem rechts-konservativen Wähler*innenspektrum Hoffnungen darauf zu machen, dass sich Fluchtbewegungen ein- und ausknipsen ließen wie ein Lichtschalter die dann doch nur enttäuscht werden können?

    • @Ingo Bernable:

      Aber natürlich geht das - schauen sie doch mal nach Dänemark, Ungarn, Polen,...



      Eine ganze Reihe von EU Mitgliedsstaaten hat sich durch Gesetze und Regularien so dermaßen unattraktiv gemacht für Migranten, dass da quasi keiner mehr hin will.



      de.statista.com/st...n-laendern-der-eu/



      Deutschland ist mit großem Abstand Zielland Nummer 1. Davon will man nun unisono in Regierung wie Opposition weg. Peter Sloterdijk hat schon 2016 die "Notwendigkeit einer wohltemperierten Grausamkeit“ als Leitbild ausgegeben. Dieser Gedanke wird nun von Schwarz bis Grün aufgegriffen.



      Grenzkontrollen, Bezahlkarten, Arbeitspflicht - sie werden sich wundern was Ampel und CDU/CSU noch alles auf den Weg bringen werden bevor die drei Wahltermine nächstes Jahr anstehen...

      • @Farang:

        Nein, auch die genannten Staaten können Fluchtbewegungen nicht nach belieben ein- und ausschalten. Natürlich kann man sie mit massiver Gewalt aufhalten. Das bedeutet dann aber auch, dass etwa an der polnisch-belarussischen Grenzen die Menschen irgendwann im Niemandsland sterben, auch an der griechisch-türkischen Grenze gibt es reglmäßig Tote, im Mittelmeer sowieso. Wenn das die Zustände sind die man sich für die eigenen Grenzen ebenfalls wünscht die dann von deutschen Grenzbeamten durchgesetzt werden sollen, sollte man das auch klar benennen. Ich für meinen Teil wäre aber der meinung, dass ein solcher planmäßiger Massenmord keine Option sein sollte.

        • @Ingo Bernable:

          Geht es auch eine Nummer kleiner? "Planmäßiger Massenmord?"



          Auschwitz war planmäßiger Massenmord.



          Keine Regierung der EU versenkt Flüchtlingsboote im Mittelmeer - nirgendwo an den Grenzen herrscht Schießbefehl.



          Im Gegenteil, alle Staaten patrouillieren und retten beispielsweise gerade im Mittelmeer jedes Jahr unzählige Menschen von seeuntauglichen Booten. Es gäbe definitiv mehr Tote im Mittelmeer jedes Jahr wenn Spanien, Italien und Griechenland ihre Schiffe einfach in den Häfen ließen und nur aufnehmen würden wer aus eigener Kraft die Küste erreicht.



          "Nein, auch die genannten Staaten können Fluchtbewegungen nicht nach belieben ein- und ausschalten. Natürlich kann man sie mit massiver Gewalt aufhalten."



          Wo bitte wendet Dänemark massive Gewalt an? Dänemark hat einzig durch sein "Angebot" sich so unattraktiv gemacht, dass sie letztes Jahr unter 5.000 Erstanträge hatten, Deutschland hingegen knapp 220.000.



          So lange die gleichmäßige Umverteilung innerhalb der EU nicht klappt kann Deutschland den Migrationsdruck wohl nur über ein Angleichen des Leistungssatzes an andere europäische Staaten senken.



          Ob das der richtige Weg ist 🤷‍♂️ wird sich zeigen.

          • @Farang:

            "Keine Regierung der EU versenkt Flüchtlingsboote im Mittelmeer"



            Überlebende der Schiffskatastrophe vor Griechenland werfen der dortigen Küstenwache vor, ganz genau das getan zu haben. Ernsthaftes Bemühen um Aufklärung das auch zeigen könnte ob es sich dabei um Absicht oder schlicht Inkompetenz handelte gibt es bislang nicht. Und um Menschen etwa an der belarussischen Grenze in Wind und Wetter verrecken zu lassen braucht es auch keinen Schießbefehl.

        • @Ingo Bernable:

          Um das Abweisen eines Migranten an einer innereuropäischen Grenze als "planmäßigen Massenmord" zu bezeichnen muss man sich schon sehr tief in einer Open Border Blase befinden.

          • @Stefan Amerein:

            "Um das Abweisen eines Migranten..."



            Soweit ich weiss, geht es nicht um einen Migranten. Ihre Argumentation ist daher schlicht unsauber.

          • @Stefan Amerein:

            Es geht doch darum die Methoden der europäischen Außengrenzen nun gleichfalls genau so an den Binnengrenzen anzuwenden. Dort gibt es bereits lange sehr viele Tote und das weiß man auch. Man muss(!) also doch annehmen, dass die Anwendung identischer Methoden auch identische Resultate zeitigen wird, ergo Massenmord. Und weil man all das auch ganz genau weiß würde ich ebenfalls Absicht und Planmäßigkeit unterstellen.