Asylpolitik in Deutschland: Die nächste Krise kommt bestimmt

Die Regierung streitet weiter über ihre Asylpolitik. Soll Deutschland einer umstrittenen „Krisenverordnung“ zustimmen?

Außenministerin Annalena Baerbock

Außenministerin Annalena Baerbock wirbt für die EU-Asylreform Foto: Kay Nietfeld

BERLIN taz | Als „Sicherheitsrisiko“ hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai seine grünen Koalitionspartner jüngst bezeichnet. Bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin wiederholte er diese Formulierung nicht, bekräftigte aber seine Kritik an den Grünen in Migrationsfragen. Dabei ging er auch auf eine umstrittene „Krisenverordnung“ ein, über die in der EU gestritten wird. „Aus meiner Sicht ist es außerordentlich problematisch, wenn Teile der Bundesregierung der Auffassung sind, dass das so nicht kommen soll“, sagte Djir-Sarai. Es könne nicht sein, dass ausgerechnet Deutschland eine gesamteuropäische Lösung ausbremse.

Grünen-Parteichef Omid Nouripour antwortete nur wenige Stunden später bei seiner Pressekonferenz, die Grünen hätten gezeigt, dass sie bereit seien, über „ihren eigenen Schatten zu springen“. Zugleich bat er, zur sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren. „Es gibt auch für eine Partei, die um die Fünf-Prozent-Hürde kämpft keine Entschuldigung, wenn man die Grenze des Anstands verlässt“, sagte Nouripour an die Adresse des FDP-Generalsekretärs gerichtet.

Nouripour betonte auch, dass die „Krisenverordnung“, über die derzeit in Brüssel verhandelt wird, nicht Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sei und von den Grünen in ihrer jetzigen Form abgelehnt werde. „Das ist nicht sinnvoll und hilft in der jetzigen Situation nicht.“

Außenministerin Annalena Baerbock warb am Montagmorgen im Deutschlandfunk vehement für das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Darauf warte Europa seit zehn Jahren, sagte die Grünen-Politikerin. An den Außengrenzen müssten klare Regeln geschaffen werden, „damit endlich Menschen geordnet in Europa verteilt werden“, sagte sie. Sie arbeite gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „hart“ daran, „dass wir in Europa endlich zu gemeinsamen Regelungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kommen“. Bis Jahresende solle eine Lösung gefunden werden.

Baerbock: Regeln könnten „chaotisiert“ werden

Im Juni hatten sich die Innenministerinnen und Innenminister der EU auf eine Reform des bisherigen Asylsystems geeinigt. Damit soll es an den EU-Außengrenzen in Zukunft umstrittene Schnellverfahren geben, die regulären Asylverfahren vorgeschaltet werden. Die Reform soll außerdem raschere Abschiebungen erlauben. Bevor es in Kraft treten kann, müssen aber erst noch das EU-Parlament und die EU-Kommission dem Asylsystem zustimmen. Das EU-Parlament hat in der vergangenen Woche die Verhandlungen ausgesetzt, weil es noch Streitpunkte gibt.

Scharf wendet sich Baerbock gegen die geforderte „Krisenverordnung“. Es könne nicht sein, dass dadurch die anderen Regelungen wieder „chaotisiert“ würden, sagte Baerbock. In einer Krise brauche es klare Regeln: gerade dann dürfe nicht jedes Land an der Außengrenze machen, was es wolle. Baerbock fürchtet, dass die Standards für Schutzsuchende per „Krisenverordnung“ massiv herabgesetzt werden könnten. Im Falle einer Krise sollen laut Entwurf längere Fristen gelten, um Asylsuchende zu registrieren, und die Standards bei Unterbringung und Versorgung sollen abgesenkt werden können.

Auf der Plattform X, ehemals Twitter, warnte Baerbock zudem, die Krisenverordnung würde einzelnen Staaten im Krisenfall einen zu großen Ermessensspielraum einräumen und damit de facto wieder Anreize schaffen, um große Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland weiterzuleiten.

Habeck: „Moralisch schwierige Entscheidungen treffen“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Wochenende erklärt, um das Recht auf Asyl zu schützen, „müssen wir die Wirklichkeit annehmen und die konkreten Probleme lösen – auch, wenn es bedeutet, moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen.“ Er bezog sich dabei auf die Zustimmung zum Gemeinsamem Europäischen Asylsystem, das unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU vorsieht. Das „war schwierig für viele Grüne“, sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Zugleich sprach sich Habeck für mehr Abkommen mit Herkunfts- und Transitländern aus. Diese müssten Anreize haben, durchreisende Menschen zu halten, sagte Habeck am Samstag auf einem Grünen-Landesparteitag im schleswig-holsteinischen Neumünster. Anschließend könnten Menschen aus diesen Ländern gesteuert nach Europa und nach Deutschland geholt werden. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass diese Länder – nach dem Motto „Geld gegen Gewalt“ – die Menschen mit totaler Gewalt zurückführten.

In der kommenden Woche treffen sich die Justiz- und Innenminister der EU in Brüssel. Dort wollen sie auch über die Migrationspolitik sprechen.

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