Asylpolitik in Dänemark: Überall hin, nur nicht ins Land
Die dänische Regierung treibt ihre Pläne für einen Flüchtlingsknast im Kosovo und nach Ruanda ausgelagerte Asylverfahren weiter voran.

Migrantisches Begrüßungskomitee für ankommende Geflüchtete in Dänemark, 2015 Foto: reuters
STOCKHOLM taz | Sich unangenehme Probleme vom Hals zu schaffen, indem man Menschen einfach in andere Länder verfrachtet, scheint ein von der sozialdemokratischen Regierung Dänemarks zunehmend verfolgtes politisches Konzept zu sein. In der vergangenen Woche wurde der bereits im vergangenen Jahr angekündigte Plan besiegelt, ein Gefängnis im Kosovo zu einer Art dänischer Strafkolonie für bis zu 300 Abschiebehäftlinge zu verwandeln. Und man plant einen Asyldeal mit Ruanda, ähnlich dem, den London gerade abgeschlossen hat.
Den von ihm und seiner kosovarischen Amtskollegin Albulena Haxhiu am Mittwoch unterzeichneten Vertrag über die 10-jährige Anmietung von Haftplätzen im Gefängnis Gjilan bezeichnete Justizminister Nick Hækkerup als „bahnbrechend“. Der Kosovo-Knast ist wegen der geringeren Personalkosten nicht nur preisgünstiger als eine dänische Haftanstalt. Hækkerup möchte noch einen Schritt weiter gehen: „Unser Ausgangspunkt ist, dass die Verurteilten das selbst finanzieren müssen.“ Ob mit unbezahlter Arbeit oder wie sonst man das praktisch erreichen könne, daran werde in seinem Ministerium noch gefeilt.
KritikerInnen werfen Kopenhagen nicht nur deswegen „modernes Kolonialdenken“ vor, sondern auch wegen eines anderen Plans, der seit über einem Jahr vor sich hinköchelt: Flüchtlingen soll der Aufenthalt in Dänemark zur Durchführung eines Asylverfahrens ganz versagt und ihre Asylprüfung ins 6.000 Kilometer entfernte Ruanda verlegt werden. Ihr Transport dorthin soll erforderlichenfalls mit Hilfe von „unmittelbarem Zwang“ erfolgen, heißt es in einem Gesetzentwurf.
Die Idee des dänischen Integrationsministers Mattias Tesfaye scheint der Regierung von Boris Johnson so gut gefallen zu haben, dass London mit einem entsprechendem Asyldeal Dänemark in der vergangenen Woche sogar noch zuvorkam. Man sei aber „auf gutem Wege“, informierte Tesfaye am Donnerstag VertreterInnen aller Parlamentsparteien. Allerdings könne er Einzelheiten nicht nennen, „der Dialog mit Ruanda muss vertraulich bleiben“. Ein Sprecher der für alle skandinavischen Länder zuständigen ruandischen Botschaft in Stockholm bestätigte Jyllands Posten entsprechende Verhandlungen.
Keine Angst vor Warnungen aus Brüssel
Das veranlasste EU-Flüchtlingskommissarin Ylva Johansson am Freitag, Kopenhagen vor „möglichen Konsequenzen für die Dublin-Zusammenarbeit“ zu warnen, sollte man einen solch „kontraproduktiven“ und „egoistischen“ Plan tatsächlich verwirklichen.
Diese Warnung aus Brüssel muss man vermutlich nicht allzu ernst nehmen. Zum einen hat die schwedische Kommissarin angesichts der illegalen Pushbacks von Flüchtlingen durch Polen und Litauen nach Belarus bewiesen, dass sie mit dem Bruch von europäischem und internationalem Recht keine übergroßen Probleme zu haben scheint und es im Zweifel bei einem erhobenem Zeigefinger bleibt. Zum anderen hatte sich Dänemark für seine Zustimmung zum Maastricht-Abkommen ohnehin ausgehandelt, außerhalb der gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik stehen zu können.
Allerdings fällt es der dänischen Regierung zunehmend schwer, den Sinn ihres von der Linksopposition als „skrupellos“ verurteilten Ruanda-Konzepts deutlich und im Parlament die dafür erforderlichen Millionen locker machen zu können.
Ursprünglich hatte man von einer Art Vorreiterrolle in der EU geträumt: Andere Länder würden sich sicher anschließen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass dies nicht der Fall sein dürfte. Das Argument, Flüchtlinge könnten so davon abgehalten werden, die Flucht über das Mittelmeer überhaupt erst anzutreten, greift deshalb nicht mehr.
Der Effekt, den eine Auslagerung des Asylverfahrens nach Ruanda allenfalls noch haben könnte: Flüchtlinge würden vermutlich Dänemark meiden. Vielleicht reicht Kopenhagen ja schon ein solcher „Erfolg“.
Leser*innenkommentare
Andreas J
" Ob mit unbezahlter Arbeit oder wie sonst man das praktisch erreichen könne..." Nennen wir es doch ganz praktisch zeitweise Versklavung. Wird immer ekeliger wie Menschenrechte nicht weißer und/oder nicht christlicher Flüchtlingen in Europa gehandhabt werden.
In aller Ruhe
„Ursprünglich hatte man von einer Art Vorreiterrolle in der EU geträumt: Andere Länder würden sich sicher anschließen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass dies nicht der Fall sein dürfte.“
Und das aus dem Mund einer deutschen Journalistin, wo unsere Innenministerin doch mit ihrem Vorschlag so erfolgreich war...
tomás zerolo
Es ist verstörend. Menschen, die sich nichts zuschulden kommen lassen in Lagern zu internieren.
Ich lese derzeit Hannah Arendt und mir wird schwindelig.
Wie konnte es bei uns wieder so weit kommen?
Willi Müller alias Jupp Schmitz
Wie inhuman ist DAS denn???
nutzer
Das Auenland verträgt nicht allzu viele Nichtauenlendninge....
die Kehrseite der dänischen heilen Welt...
Machiavelli
@nutzer Tatsächlich wird das betreten des Auenlandes die Menschen mit dem Tod bestraft, nachdem Sauron besiegt worden ist und Elessar das nördliche Königreich wiederhergestellt hat. Jede heile Welt hat ihre Schattenseiten.