Arzneimittelmangel bei Kindern: Monopole gefährden die Gesundheit
Leere Apothekenregale? Was wie ein deutsches Problem wirkt, hat eine tiefer liegende Ursache: ein globales Gesundheitssystem mit wenigen mächtigen Herstellern.
W enn die Regierung die aktuellen Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln angeht, sollte sie über die deutschen Apothekenregale hinausdenken. Denn weltweit haben viele Menschen nur begrenzten Zugang zu Medikamenten – und das liegt nicht nur an der dortigen Armut. Der Fehler liegt im globalen Gesundheitssystem.
In Deutschland sind die aktuellen Lieferengpässe von beispielsweise fiebersenkenden Mitteln für Kinder unüblich. Die Menschen hier haben sich daran gewöhnt, dass immer alles verfügbar ist – eigentlich sofort. Warum auch nicht? Erst Krisen holen uns zurück in die harte Realität: Strom kommt nicht aus der Steckdose und der Fiebersaft eben nicht aus der Apotheke.
Stattdessen sind dafür international wenige Hersteller verantwortlich. Bei Paracetamol oder Ibuprofen ist Europa zum Großteil von China oder Indien abhängig, wo die Produktion günstiger ist. In Deutschland zwingt das bisherige Vergaberecht die Krankenkassen dazu, Medikamente möglichst billig einzukaufen. Aber wenn dort bei der Produktion etwas schiefgeht, wird es hier schwierig.
Allein in diesem Jahr kam es schon mehrfach zu Versorgungsengpässen. SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat deshalb eine Gesetzesänderung angekündigt: Neben dem Preis soll bei der Vergabe die Liefersicherheit berücksichtigt werden. Ist das Problem damit langfristig gelöst? Nein. Denn abhängig ist die Welt immer noch von einigen wenigen Produzenten. Mehr Produzenten hieße, man wäre unabhängiger von China – auch bei einem eskalierenden Konflikt mit Taiwan.
Zu hohe Preise für den Globalen Süden
Eine Diversifizierung des Arzneimittelmarkts würde nicht nur Europa guttun. Ärmere Länder des Globalen Südens könnten davon profitieren. Die Menschen dort sind bisher eher schlecht mit Medikamenten versorgt. Das liegt zum einen an Herstellern, die Monopolstellung genießen, was willkürlich hohe Preise mit sich bringt. Selbst beim eigentlich günstigen Insulin kontrollieren aktuell genau drei Hersteller den Markt. Rund 50 Prozent der Menschen, die Insulin bräuchten, haben bisher keinen Zugang.
Zum anderen sind viele Medikamente nicht richtig auf die Zielgruppen in ärmeren Ländern angepasst. Doch für die großen Hersteller ist der Markt offenbar nicht lukrativ genug. Mehrere kleinere Hersteller könnten hingegen sehr wohl ein Interesse an kleineren Märkten haben.
Wenn es nur wenige Hersteller in den wirtschaftsstarken Ländern gibt, dann ist das global gesehen schädlich. Viren und Bakterien interessieren sich nicht für nationale Grenzen. Die Bundesregierung sollte sich in der EU dafür einsetzen, international an einer Lösung zu arbeiten, die auch den ärmeren Ländern nützt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“