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Armut unter StudierendenDie Not nicht im Blick

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Die Sozialerhebung des Studierendenwerks zeigt: Die Lage ist für viele prekärer geworden. Die Ampel sollte ihren Koalitionsvertrag ernst nehmen.

Die Verschuldungsangst bei Studierenden aus Nichtakademikerfamilien ist überproportional hoch Foto: Peter Kneffel/dpa

W enn es um die Bekämpfung der Armut geht, ist bei der Ampel schnell das Ende der Fahnenstange erreicht. Die geplante Kindergrundsicherung wackelt, weil FDP-Finanzminister Christian Lindner keine ausreichenden Gelder zur Verfügung stellt. Und Studierenden gegenüber tritt die Bundesregierung gönnerhaft auf, indem sie ihnen einmalig 200 Euro überwiesen hat.

Dabei dokumentiert die neue Sozialerhebung des Studierendenwerkes eindrücklich, dass für sehr viele Studierende viel mehr Hilfe nötig wäre. Die seit Jahren ungebremsten Mieten und die jüngst explodierten Heiz- und Lebensmittelkosten haben ihre finanzielle Situation so weit verschärft, dass der Begriff strukturelle Armut bei der Gruppe keine Übertreibung ist. Es ist höchste Zeit, dass die Ampel dies anerkennt – und entsprechend handelt.

Um damit anzufangen, bietet sich an, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen: SPD, Grüne und FDP wollten das BAföG so reformieren, dass es besser zur Realität an den Unis passt und denen unter die Arme greift, die keine Unterstützung von den Eltern bekommen.

Bis heute können BAföG-Empfänger:innen nicht einfach das Studienfach wechseln oder in Teilzeit studieren. Bis heute endet die Förderung mit dem Ablauf der Regelstudienzeit. Und bis heute ist die Verschuldungsangst bei Studierenden aus Nichtakademikerfamilien überproportional hoch. All das wollte die Ampel anpacken – doch bleibt es bislang bei der Absichtserklärung.

Gehandelt mit angezogener Handbremse

Und dort, wo die Bundesregierung handelte, tat sie es mit angezogener Handbremse: Die erhöhten BAföG-Sätze hat die Inflation längst gefressen. Der „Notfallmechanismus“, der das BAföG für alle Studierende öffnet, greift nicht für den aktuellen Notfall.

Und auf die versprochene Soforthilfe über 200 Euro mussten die Studierenden geschlagene sechs Monate warten. Man kann nicht behaupten, dass die Politik deren Nöte auf dem Radar hätte. Es wäre gut, wenn sich dies endlich ändert – am besten vor dem nächsten Winter.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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6 Kommentare

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  • 6G
    652797 (Profil gelöscht)

    Dem kann man leicht entgehen indem man einen Beruf erlernt.



    Dannach etwas arbeiten, wenn dass nicht erfüllend ist kann man auch studieren.

  • Ich mache mir um die Handwerker, deren Meister und die hoch qualifizierten Fachberufe mehr Sorge.

    Einzig im Bereich Mint und Medizin sehe ich dringenden Bedarf, sonst sieht Deutschlands Zukunft dunkel aus.

  • Wenn man nicht auf die Straße geht, wird sich nichts ändern!

  • Das ist zwar nicht besonders populär, aber wir hatten im letzten Jahr eine sagenhafte Quote von 55% Studierendenquote im gesamten Jahrgang. Wir haben einen absoluten Überschuss an Studenten und dagegen einen Mangel in vielen Ausbildungsberufen.



    Das Studium von Orchideenfächern finanziell attraktiver zu machen ist deshalb auch nicht sinnvoll.



    Wenn die Situation von Studenten so dramatisch wäre wie beschrieben, müssten wir ja eine Abnahme der Studierendenzahlen sehen. Solange das nicht der Fall ist, besteht da auch kein Handlungsbedarf.

    • @Šarru-kīnu:

      Wo nehmen Sie den Überschuss an Studierenden her? Es mangelt an Ärzten, an Ingenieuren, an Programierern, an Lehrern in allen Fachrichtungen und Schularten und auch die vielgeschmähtem Geisteswissenschaftler und Studienabbrecher werden vom Arbeitsmarkt aufgesogen, auch sie sind selten arbeitslos, wenn sie ein bisschen flexibel sind. Die Keute, die studieren, werden schon gebraucht.

    • @Šarru-kīnu:

      Soziale Selektion ist aber auch nicht die Lösung. Wird wohl eher Studierende aus einkommensschwächeren Familien treffen. Über mir wohnt ein Student auf frisch sanierten 60qm und muss nicht Jobben weil Papa richtig Kohle hat. Darüber zweier WG in gleicher aber unsanierter Wohnung aus einfachen Verhältnissen die mittlerweile mehr malochen als Studieren.