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Ukraine-Krieg nach Trumps WahlsiegAuf sich allein gestellt

Gastkommentar von Paul Hockenos

Der künftige US-Präsident Trump will einen Deal mit Putin. Damit verfiele die Ukraine zum Marionettenstaat. Auch die Einheit der EU steht auf dem Spiel.

Die zwei Schurken wollen die Ukraine zum Marionettenstaat machen Foto: Dmitri Lovetsky/ap

D er zukünftige US-Präsident Donald Trump hat seine Bereitschaft bekundet, mit Wladimir Putin ein Abkommen über die Ukraine zu verhandeln. Auch von immer mehr „friedensbewegten“ Politikern in Europa wird eine solche Lösung befürwortet. Doch nur Trump allein behauptet, er könne den Krieg „in 24 Stunden“ beenden.

Seine Schnelllösung enthält zwar keine Einzelheiten. Wahrscheinlich ist aber, dass der Deal, der Trump vorschwebt, darin besteht, dass Russland die besetzten Gebiete in der Ukraine, einschließlich der Krim, behält. Vermutlich gäbe es keine Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Jedenfalls scheint Trump zu glauben, dass Putin zu seinem Wort steht. Eine Rumpf-Ukraine würde ihre Wunden lecken und weitermachen. Trump ist nicht der einzige westliche Politiker, der sich auf diese Weise dem Thema gern entledigen würde – und damit wäre die Sache vermutlich erledigt.

Für Europa ist diese Option ein No-Go: inakzeptabel wie undurchführbar. Zum einen kommen die Ukrainer in diesem Szenario nur als machtlose Opfer eines verlorenen Krieges vor. Offenbar glaubt Trump, dass dieses tapfere Volk seine Niederlage stoisch hinnehmen wird, sobald es merkt, dass der Westen es im Stich gelassen haben. Höchstwahrscheinlich bedeutet dies, dass Russland die Ost- und Süd­ukraine als sein Eigentum anerkennt und de facto die Kontrolle über den Rest des Landes sowie über Moldau übernimmt.

Der Krieg wird nicht, wie Trump verspricht, in 24 Stun­den enden, sondern sich über Jahre in Osteuropa fortsetzen

Es besteht keinerlei Aussicht, dass die Ukrainer dem zustimmen werden, selbst wenn die USA ihre Unterstützung zurückziehen. Seit 2014 hat dieses Volk eine in Europa einzigartige Demokratie geschaffen. Das Engagement der Bürger für das Ethos der EU ist so groß wie in keinem anderen Land des Kontinents. Sie werden unter diesen Bedingungen nicht kapitulieren, obwohl sie, wenn sie von Europa im Stich gelassen werden, die bürgerliche Demokratie durchaus gegen eine weniger schmackhafte Ideologie eintauschen könnten. So oder so wird der Krieg nicht, wie von Trump versprochen, in 24 Stunden enden, sondern sich über Jahre in Osteuropa fortsetzen.

Eine archaische Weltordnung

Dieses Szenario bedeutet auch, dass der kollektive Westen die Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts aufgibt: zivile und militärische Finanzierung, das diplomatische Engagement, die Versprechen an die Ukraine und selbst die Idee der EU als Vertreterin der liberalen Demokratie und des Nachkriegsfriedens. Die Glaubwürdigkeit des transatlantischen Bündnisses steht auf dem Spiel und die Stunde der Diktatoren wäre gekommen. Die Deutungshoheit würde den Putins, Trumps, Orbáns und Xis gehören. Das Prinzip „Macht macht Recht“ würde das Prinzip einer regelbasierten internationalen Ordnung ersetzen; es würde eine neue Ära einleiten, in der Staatlichkeit, Staatsform und Staatsgrenzen das alleinige Vorrecht der Mächtigsten sind.

Die Auswirkungen in Mittel- und Osteuropa wären verheerend – auch ohne eine russische Invasion im Baltikum oder in Polen. Russland beabsichtigt wohl nicht, das transatlantische Bündnis auf diese Weise zu bekämpfen, sondern mit einer hybriden Kriegsführung, wie es sie schon seit über 15 Jahren anwendet. Eine russische Präsenz entlang der gesamten baltischen, polnischen, slowakischen und rumänischen Grenze würde es Putin ermöglichen, seine Cyberangriffe, Desinformationen und Sabotage mit größerer Schlagkraft einzusetzen und seine rechtsextremen Favoriten wie Orbáns Fidesz, die AfD und RN zu stärken.

Die Reaktionen Polens, der baltischen Staaten sowie Rumäniens auf einen Ausverkauf der Ukraine ist schwer vorherzusagen, aber es ist durchaus denkbar, dass sie wütend mit dem Bündnis brechen und auf eigene Faust zusammen mit den Ukrainern kämpfen. Nicht weniger als die Einheit der Nato und der EU steht auf dem Spiel.

Belarus-Modell für Ukraine, Georgien & Moldau

Es hat eine bittere Ironie, dass Putin selbst diese Art von Abkommen wohl nicht akzeptieren würde – oder wenn doch, dann nur, um eine stärkere Machtposition zu erlangen und dann sein Wort zu brechen, wie er es bei internationalen Verträgen immer wieder tut. Da Russland dann der starke Mann ist, fällt es schwer zu glauben, dass Putin sich auf Russlands Schlachtfeldgewinne beschränken würde. Stattdessen würde er auch Anspruch auf Charkiw, Saporischschja und Odessa erheben. (Letzteres würde ihm Moldau einbringen.)

Putin führt diesen Krieg nicht wegen eines kleinen Teils der Ukraine: Er will, dass sich die Ukraine, Georgien und Moldau ihm beugen und wie Belarus ein russlandähnliches politisches System akzeptieren – oder die Konsequenzen tragen. Sie gehören dann dem autoritären Lager an, das mit dem degenerierten liberalen Westen im Clinch liegt. Diese Entscheidung können sie selbst treffen, wie Belarus es getan hat, oder sie von Moskau treffen lassen, so oder so.

Die Folgen dieses Szenarios für Europa sind erschütternd: 5 bis 10 Millionen weitere ukrainische Flüchtlinge würden in die EU strömen. Die Ukraine selbst würde dem Verfall überlassen und in eine gesetzlose Mafiazone verwandelt, wie der Donbass, der seit 2014 unter russischer Herrschaft steht. Sollte Russland die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste kontrollieren, wäre es der Herr über die Getreidelieferungen, die Hunderte von Millionen Menschen ernähren, und hätte damit ein weiteres Druckmittel, um den weichherzigen Westen zu erpressen. Russlands Position innerhalb der Brics und anderer autoritärer antiwestlicher Bündnisse würde erheblich gestärkt, ebenso wie im Nahen Osten und in Afrika.

Da keines dieser Szenarien für Europa akzeptabel ist, muss es die USA unter Trump davon überzeugen, dass diese Lösung völlig falsch ist. Oder, falls Washington sich weigert: Trump aus dem geopolitischen und militärischen Kalkül mit Blick auf die Ukraine ausschließen. Europa wird dann auf sich allein gestellt sein und zum ersten Mal in der Nachkriegszeit sein Schicksal vollständig selbst in die Hand nehmen.

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10 Kommentare

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  • Ich denke nicht dass es so simpel ist. Selbst mit einem so simpel getrickten Menschen wie Trump.



    Ich habe mir gestern Abend ein sehr interessantes Interview mit dem ehemaligen US Botschafter in der Ukraine John Herbst angeschaut.

    www.youtube.com/watch?v=SR9kAo1ug2A

    Er sagt (etwas vereinfacht ausgedrückt) dass Putin für einen solchen Deal zu schwach ist und dass Trump wenn er so etwas akzeptiert als Trottel dastehen würde und das wird er nicht tun.



    Außerdem hat er zwar so Leute wie Vance in seinem Team aber auch immernoch Leute wie Pompeo die durchaus etwas in der Rübe haben und ihn in einer anderen Richtung beraten werden.

    Mr Herbst lässt auch in mancher Hinsicht kein gutes Haar an Boden und seiner extrem zurückhatenden Art gegenüber Putin, die er mit der von Scholz vergleicht (autsch) und dass Trump ja durchaus in der Vergangenheit z.B. in Syrien gezeigt hat dass es ihm herzlich egal ist was Putin denkt und dort zumiondest mit Tomahawks eingegriffen hat als seine eigene rote Linie überschritten wurde.

    Deshalb bin ich nicht ganz so pessimistisch.

  • Es ist müßig, sich über das, was Trump macht, oder vielleicht machen könnte, Gedanken zu machen. Ungern erinnert man sich, dass "sprunghaft" wohl seine hervorstechenste Eigenschaft ist. Insofern ist es wahrscheinlich nicht einmal Trump klar, was passieren wird.



    "Plan"? Der ist wohl kaum vorhanden . Erwartbar ist, dass er beginnt die demokratischen Einrichtungen der USA weiter zu beschädigen und zerstören.



    Ansonsten müssen wir uns wohl auf Hyperaktivität, insbesondere auf X, einstellen.

  • Trump ist ziemlich erratisch in seinen Handlungsmustern. Er unterstützt z.B. Netanjahu, welcher gegen Russlands Verbündeten Iran kämpft. Daher finde ich es im Moment schwierig vorherzusagen, was genau Trump machen wird ab 2025 im Bezug auf die Ukraine.

    Klar ist allerdings, dass die Ukraine keinen Diktatfrieden zu Russlands Gunsten akzeptieren wird. Der Kampf wird also mit oder ohne die USA weitergehen.

  • Europa muss sich sortieren und strukturieren, um im Zweifel ohne die USA auszukommen. Europa muss sich darauf einstellen, alleine gegen Putin sich zu stellen. Europa muss Stärke zeigen, sonst wird es zu Brüchen und Konflikten kommen. Und es wird mehrere Nagelproben geben, es wird schwer.

  • Wie im Beitrag erwähnt, werden die Osteuropäer nicht zulassen, dass Westeuropa seine Unterstützung zurückfährt. Das Gegenteil dürfte bei einer vorausschauenden EU Politik der Fall sein, denn ein Sieg Putins würde einen Preis erfordern, der monetär gar nicht bezifferbar ist.

    Deutschland sollte hier endlich eine Führungsrolle für die westlichen Staaten übernehmen und die unsägliche Schuldenbremse nicht mehr als Alibiinstrument anführen, sondern kräftig investieren in Waffenlieferungen für die Ukraine und in die eigene Verteidigungsfähigkeit.

    Denn es sollte eigentlich mittlerweile jedem klar sein, dass die Ukraine nicht nur für ihre eigene Freiheit kämpft.

  • Auch ich erfreue mich im Moment an der allgegenwärtigen Aufregung und den wilden Spekulationen!

    In ein paar Tagen oder Wochen wird sicher wieder mehr Nüchternheit Einzug halten und dann werden wir sehen was Herr Trump tut (und nicht was er sagt) sollte er im Januar zum Präsidenten vereidigt werden: Welche Regierung er zusammenstellen wird und welche innen- und außenpolitischen Initiativen er ergreifen oder ergreifen lassen wird.

    Zur Beendigung des Krieges in der Ukraine kommt Herr Trump leider ein wenig spät, denn das haben bereits die Russen in die Hand genommen und seine Rolle dürfte nicht aus viel mehr bestehen als auf irgendwelchen Papieren seine womöglich sowieso wertlose Unterschrift zu leisten, sollten die Russen darauf tatsächlich Wert legen.

    Im Nahen Osten gibt es für Trump noch weniger zu gewinnen. Egal wie sich seine Administration dort einzubringen oder herauszuziehen versuchen wird, auch hier beschränkt sich die Auswahl nur auf verschiedene Arten von Niederlagen.

    Innenpolitsch ist der Gang der Dinge in den USA vollkommen unkalkulierbar, das Land gilt einigen Beobachtern schlicht als unregierbar. Überhaupt hat sich in den letzten Jahren die Welt erheblich verändert.

  • Im Moment wäre das "Wahlversprechen" auch für Trump eine Herausforderung. Denn davon ausgehend, daß Trump nichts "nachschießen" will, wird Putin über das Ansinnen nur müde lächeln. Um zu erreichen, daß der sich zeitnah auf ein Einfrieren des Status quo einließe, müßte man den zu der Überzeugung bringen, auf gar keinen Fall mehr kriegen zu können, als er jetzt hat.

    Schließlich hat er wesentliche Kriegsziele noch nicht erreicht: Die Ukraine soll vom Schwarzen Meer abgeschnitten, in ihrem Osten die Ausbeutung der Rohstoffvorkommen möglich werden. Putin hat die Zeit (wenn nicht er persönlich, dann eben ein anderer) und nach und nach auch das Material, um das gegen eine Ukraine durchzusetzen, die der Westen vor seinen Augen am ausgestreckten Arm verhungern läßt.

    Aus den Staaten kann nun nichts mehr kommen, auch wenn Donald nicht beide Kammern in der Tasche haben sollte und die homöopathische Dosis, die Olafs Besonnenheit zuweilen zuließ, den Patienten nicht vor dem Sterbebett bewahren.



    Klar, man wollte sich nicht "nackig" machen. Aber was man sich da "gerettet" hat, reicht nirgendwohin, soll sich Putin - auf Donalds dringendes Anraten - bald neue Kriegsziele suchen.

  • Diese verheerenden Szenarien sind etwas, das bei den diversen Artikeln zu dem potentiellen Wahlsieg Trumps bestenfalls gestreift worden ist.

    Trump muss in den USA kein faschistisches System etablieren, um die Welt, wie wir sie kennen, aus den Angeln zu heben.

  • So ziemlich jeder Politiker der „bürgerlichen Mitte“ in Deutschland ist Mitglied der Transatlantik - Brücke. Da ist es nachvollziehbar, dass man besorgt ist.



    Dabei hätte man es seit Trump 1 schon wissen müssen: Man hätte bereits ein unabhängigeres und geeinteres Europa gebraucht. Und zwar nicht nur durch wesentlich höhere Verteidigungsausgaben wie einige jetzt fordern. Statt dessen hat man Washington immer in den Mund geschaut. Ob die Damen und Herren jetzt aufwachen?

  • Nur Kim Jong Un ist schneller in Bezug auf die Ukraine.



    War's Kittihawk,



    War's Kriki?



    Ich weiß es nicht