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Bundestag beschließt SicherheitspaketPolit-Show statt echter Sicherheit

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Das Sicherheitspaket drangsaliert Geflüchtete und simuliert Tatkraft. Maßnahmen, die wirklich Schutz versprechen, werden abgeschwächt.

Der Bundestag stimmt am 18.10.2024 über das Sicherheitspaket ab Foto: Michael Kappeler/dpa

E s ist kein Wunder, dass die Ampelfraktionen lange um Änderungen am Sicherheitspaket gerungen haben. Schließlich geht es bei den vorgesehenen Maßnahmen um sensible Themen wie Überwachung, Menschenrechte, Asylrecht und Schutz vor Terroranschlägen. Sehr wohl erstaunlich ist indes, was bei den Verhandlungen herauskam und nun vom Bundestag beschlossen wurde.

An den Stellen, an denen das Sicherheitspaket nicht mehr ist als der Versuch, Tatkraft vorzugaukeln, blieb alles wie ursprünglich geplant. Vor allem betrifft das die Regelungen für Geflüchtete, die nach dem Dublin-System ihren Asylantrag woanders stellen müssen. Dass sie mit Entzug aller Sozialleistungen in andere EU-Länder zurück gezwungen werden sollen, wird an der Sicherheitssituation in Deutschland kaum etwas ändern.

Das liegt daran, dass es mehr als fraglich ist, ob die Abschiebung eines gefährlichen Flüchtlings in ein anderes EU-Land tatsächlich etwas bringt, wo doch die Ländergrenzen innerhalb der EU aus gutem Grund sehr durchlässig sind. Islamistischen Terroristen ist es außerdem wohl eher egal, ob sie einen Anschlag in Deutschland begehen oder eben einem anderen EU-Staat.

Dazu kommt, dass der allergrößte Teil der Dublin-Überstellungen ja eben nicht an den Geflüchteten scheitert, auf die jetzt noch mehr Druck gemacht wird. Stattdessen verweigern sich die Länder an den EU-Außengrenzen systematisch fast jeder Aufnahme. Und Dublin-Abschiebungen nach Griechenland untersagen deutsche Gerichte ohnehin fast immer, weil die humanitäre Lage für Geflüchtete dort so desolat ist.

Ausgerechnet Biometrie eingeschränkt

Verwässert wurde das Sicherheitspaket indes da, wo es tatsächlich um die Verhinderung und Aufklärung von Anschlägen geht. Der Abgleich biometrischer Daten im Internet soll der Polizei – anders als zunächst geplant – nun doch nur in absoluten Ausnahmefällen ermöglicht werden. Der BKA-Präsident muss dafür in jedem Fall einzeln die Erlaubnis bei einem Gericht beantragen. Dazu kommen jede Menge weiterer Auflagen und Einschränkungen.

Es mag gute datenschutzrechtliche Gründe geben, sich gegen weitere Überwachungstechniken für die Behörden zu stellen. Und es gibt sicherlich alternative Möglichkeiten, Gefahren für die Bür­ge­r*in­nen abzuwehren, etwa indem Präventionsprogramm für Islamismus ausgebaut werden. Aber immerhin würde der verstärkte biometrische Abgleich die Sicherheitslage in Deutschland wirklich verbessern. Das ist deutlich mehr als man über die Maßnahmen im Sicherheitspaket sagen kann, die Geflüchtete betreffen.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
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8 Kommentare

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  • Was ist los mit dem Autor? Sieht er die Freiheitsberaubung der einheimischen Bürger nicht? Ach, ich hab es übersehen. Er ist weiß und ein Mann. Natürlich betrifft es ihn nicht. Dass Menschen der Willkür der Polizei ausgesetzt sein werden, die einfach unter Generalverdacht gestellt werden, ist nicht weiter von Belang in den Augen des Autors. Er möchte noch weitergehen und ist der Meinung, dass der Abgleich nur gegen Islamisten eingesetzt werden.

    Das gesamte Sicherheitspaket ist eine Einschärnkung des Bürgers und eine Erweiterung der möglichen Maßnahmen gegen den deutschen Bürger. Warum sieht das der Autor nicht und vermisst zusätzlich noch die digitale Überwachung des Bürgers. Ich gehe davon aus, dass dies nicht in seinem Themenschwerpunkt liegt und er deswegen nicht sensibel genug dafür ist.

  • „Es mag gute datenschutzrechtliche Gründe geben…



    Und es gibt sicherlich alternative Möglichkeiten …



    Aber …“

    Ernsthaft? Das ist die Argumentation?

    „Es geht auch ohne solche Grundrechtsbeschränkungen, aber ich hätte doch lieber die schlechtere Variante gehabt“?

    Und bei der nächsten NSU 2.0 sind wieder alle überrascht und es will wieder niemand was geahnt haben.

  • "Es mag gute datenschutzrechtliche Gründe geben, sich gegen weitere Überwachungstechniken für die Behörden zu stellen."

    Äh, ja:

    netzpolitik.org/20...koalition-ist-tot/

    und was ist eigentlich mit den kommentator*innen hier los?

  • Um Gottes willen. Leistungskürzungen für Geflüchtete. Das geht gar nicht. Teufelswerk. Leute nach Griechenland abschieben? Geht gar nicht.

    Und illegal in der EU befindliche Leute über die EU-Außengrenze schieben? Absolutes NoGo. "Stattdessen verweigern sich die Länder an den EU-Außengrenzen systematisch fast jeder Aufnahme. " Ja die wissen halt, warum die die nicht haben wollen. Sozusagen ein push back nach Europa.

    Wann kapiert man das endlich? Wenn die Leute erstmal in Europa sind, dann bekommt man sie bis auf Einzelfälle nicht mehr hinaus, auch wenn man das gerne möchte. Insbesondere die nicht, die sich eben nicht integriert haben oder deren wahre Identität man nicht kennt. Die mit Arbeitstelle, geklärter Herkunft und Identität und Adresse, ja derer wird man habhaft, und die werden rausgeworfen. Sehr clever!

    Um die Sozialsysteme Europas zu schützen gibt es nur den Weg einer kontrollierten Einwanderung und konsequente Zurückweisung aller anderen ohne Einreiseerlaubnis an der europäischen Außengrenze. Wer einen Asylgrund hat, der darf rein. Wer nicht, der nicht. Außer er hat sonst eine Einreiseerlaubnis.

    Eigentlich ganz einfach und international so normaler Usus.

    • @EIN MANN:

      Genauso sieht es aus. Abschiebung ist keine Lösung. Das wissen die in Berlin auch. Wer einmal hier ist, bleibt auch hier. Diese einfache Wahrheit wollte die Merkeladministration unbedingt verschleiern, weil dann die CDU Wähler schon 2015 die Reißleine gezogen hätten. Die deutsche Wirtschaft rief nun aber nach Nachschub an möglichst unmündigen Mindestlohnempfängern. Dieser Nachschub durfte nicht gefährdet werden. Wir können die AfD erst dann besiegen wenn wir endlich eine ehrliche Debatte führen. Es kann nur über eine Auswahl vor der eigentlichen Einreise gehen. Alles andere ist nur Theaterdonner.

  • "dass es mehr als fraglich ist, ob die Abschiebung eines gefährlichen Flüchtlings in ein anderes EU-Land tatsächlich etwas bringt"

    Der Artikel macht einen Fehler, er geht davon aus, dass dieses Paket nur gegen Terror helfen soll. Natürlich ist ein abgeschobener Gefährder oder Intensivtäter aus Sicht deutscher Behörden ein Problem weniger. Die Täter von Hamburg und Solingen hätrten ihre Taten zuimndest in Deutschland erstmal nicht begehen können.



    Und wenn man denn schon kritisert, dass es eine Beschränkung biometrischer Daten zu Ermittlungszwecken geben wird, dann wirkts schon merkwürdig, gleichzeitig die Abschiebung von Gefährdern falsch zu finden. Ersteres ist ein massiver Eingriff in Persönlichkeits- und Datenschutzrechte aller hier lebenden Menschen, also auch aller Migranten. Und Zweiteres richtet sich direkt gegen Menschen, von denen eine Gefahr ausgeht.

  • Von jedem deutsche Bürger der einen Personalausweis oder Reisepass beantragt, werden seine biometrischen Daten (Fingerabdruck und Gesicht) gespeichert, wieso sollte das bei Flüchtlingen anders sein?

  • Diese hier kritisierte Einschränkung des biometrischen Abgleichs bis zur Wirkungslosigkeit ist dem intensiven Einsatz der grünen Bundestagsfraktion zu "verdanken".

    Sie rühmen sich noch dafür:

    www.gruene-bundest...sicherheitspolitik

    und auch dafür dass sie den Leistungsausschluss für Dublin-Fälle maximal erschwert haben.

    Es hat schon seine Gründe warum Söder keine Grünen in der nächsten Regierung haben will. Das wären vier weitere verlorene Jahre voller Steilvorlagen für die AfD.