Vorstoß im Bundestag: Parlamentarier machen AfD-Verbotsantrag öffentlich
Mehrere Abgeordnete wollen im Bundestag in Kürze ein AfD-Verbot beantragen. Nun präsentieren sie ihren Antrag – der einigen Zuspruch finden soll.
Zur Bundespressekonferenz sind die Mitglieder der Kampagne erschienen, weil es lange so aussah, als würden die Bundestagsabgeordneten hier ihren Vorstoß persönlich vorstellen. Dann aber beschränkten diese sich auf eine Presseerklärung. „Die Liste der Anhaltspunkte für verfassungswidrige Tendenzen der AfD ist lang“, heißt es in der Mitteilung der Abgeordneten Marco Wanderwitz (CDU), Carmen Wegge (SPD), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler (SSW). Es brauche nun „zeitnah“ die Einbringung des Verbotsantrags im Bundestag.
„Es gilt zu verhindern, dass nach der furchtbaren Herrschaft der Nationalsozialisten eine in großen Teilen rechtsextreme und völkische Partei in Deutschland wieder mächtig wird“, erklärte Wanderwitz. Wegge betonte: „Wenn eine Partei bestrebt ist, die Demokratie abzuschaffen, so ist es demokratisch, diese Partei zu bekämpfen.“ Steffen konstatierte, dass die AfD sich „für den Weg der Radikalisierung entschieden“ habe. „Der Antrag ist die Konsequenz daraus.“
Renner verwies auch auf die Betroffenen, welche die AfD ins Visier nehme. „Diese Menschen warten auf ein Signal, dass der Bundestag die historische Verantwortung wahrnimmt und nach Karlsruhe geht.“ Und Seidler, der als einziger Abgeordneter den Südschleswigschen Wählerverband im Bundestag vertritt, ergänzte: „Als Demokraten ist es unsere oberste Aufgabe, diese grundlegenden Überzeugungen gegen ihre Feinde zu schützen, indem wir von allen Instrumenten unserer wehrhaften Demokratie Gebrauch machen.“
Achtseitiger Verbotsantrag
Zugleich schalteten die Abgeordneten die Internetseite afd-prüfen.de mit ihrem AfD-Verbotsantrag frei. Sie alle seien Mitglieder unterschiedlicher Fraktionen und nicht immer einer Meinung, heißt es auf dieser Seite. „Worin wir uns einig sind, ist unser klares Bekenntnis zu unserer Demokratie und unserem Grundgesetz.“ Es sei „erschreckend, dass die AfD immer offener ihre Menschen- und Demokratieverachtung zeigt“.
Das Grundgesetz biete aus gutem Grund die Möglichkeit, eine mögliche Verfassungswidrigkeit von Parteien prüfen zu lassen, betonen die Befürworter*innen. Die Voraussetzungen für ein Verbot seien hoch. Aber: „Wir sind davon überzeugt, dass sie im Fall der AfD gegeben sind.“
In ihrem Verbotsantrag werfen die Abgeordneten der AfD vor, die Menschenwürde aller „unverhohlen“ infrage zu stellen. Die Partei vertrete ein völkisches Gesellschaftsbild und bagatellisiere NS-Verbrechen. Sie diffamiere die Presse, andere Parlamentarier*innen und die Demokratie an sich. Zudem beschäftige sie im Bundestag mehr als 100 rechtsextreme Mitarbeiter*innen. Deshalb solle nun das Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD einleiten.
Etliche Unterstützer*innen bei SPD, Grünen und Linken
Weitere Namen, welche Parlamentarier*innen den AfD-Verbotsantrag im Bundestag unterstützen, nennen die Initiator*innen vorerst nicht. Einige Abgeordnete, wie der grüne Staatssekretär Michael Kellner und Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU), hatten dies selbst öffentlich gemacht. Für eine Einbringung eines AfD-Verbotsantrags im Parlament braucht es 37 Abgeordnete, fünf Prozent des Bundestags.
Dem Vernehmen nach ist die Zahl der Unterstützer*innen inzwischen deutlich größer – sie finden sich vor allem in den Fraktionen von SPD und Grünen und der Linken-Gruppe. Aus der Unionsfraktion hieß es dagegen, dort stünden neben Wanderwitz nur 6 weitere der 196 Abgeordneten hinter dem Antrag. Das BSW lehnt diesen bisher ab. Auch die FDP zeigte sich kritisch. Womöglich könnten sich dort einige der Abgeordneten aber zumindest bei einer Abstimmung enthalten.
Nach ihrem Schritt in die Öffentlichkeit wollen die Initiator*innen weitere Unterstützer*innen im Bundestag gewinnen. Im November soll der Antrag dann im Parlament eingereicht werden. Im Anschluss würde eine Plenardebatte geführt, am Ende eine Abstimmung abgehalten. Um den AfD-Verbotsantrag tatsächlich beim Bundesverfassungsgericht einreichen zu können, bräuchte es eine einfache Mehrheit der 736 Bundestagsabgeordneten.
Gegendruck der Fraktionsspitzen von Union und SPD
In den Fraktionen der Union und der SPD hatte es zuletzt einigen Druck auf die Gruppe gegeben. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU) hatte den Antrag als „vollkommen falsch und kontraproduktiv“ bezeichnet, Fraktionschef Friedrich Merz schloss sich an. Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD, hatte erklärt, noch seien nicht alle Voraussetzungen für ein AfD-Verbot erfüllt. Er warnte davor, den Antrag schon jetzt einzubringen, und appellierte, die SPD-Fraktion müsse in dieser schwierigen Frage zusammenbleiben.
Erst am Dienstag hatten indes die Omas gegen rechts und die Onlineplattform Volksverpetzer eine Petition für eine Prüfung eines AfD-Verbots mit 869.000 Stimmen an die Gruppe um Marco Wanderwitz überreicht. Zu den Unterzeichnenden gehören die Fernsehmoderatorin Ruth Moschner, die Schauspielerin Nora Tschirner und der Musiker Bela B.
Die AfD gibt sich nach außen bisher gelassen und tut den AfD-Verbotsantrag ab. Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, kündigte zuletzt an, dass sein Amt bis zum Jahresende ein neues Prüfergebnis zur AfD vorlegen werde. Käme es zu einer Hochstufung der Partei als „gesichert rechtsextreme“ Vereinigung, könnte dies den Verbotsbefürworter*innen Aufwind geben.
Zuletzt hatte sich auch der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer für ein AfD-Verbotsverfahren zumindest für den Thüringer AfD-Landesverband ausgesprochen, der bereits seit 2021 als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft ist.
Update am 17. Oktober um 16 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
FAQ zur Rundfunkreform
Wie die Öffentlich-Rechtlichen aus der Krise kommen sollen
Umgang mit Trauer
Deutschland, warum weinst du nicht?