piwik no script img

Urteil gegen Verdi in BerlinKita-Streik bleibt verboten

In der Hauptstadt wollten Er­zie­he­r*in­nen unbefristet streiken. Am Freitag wurde das der Gewerkschaft Verdi auch in zweiter Instanz untersagt.

Banner für einen unbefristeten Kitastreik vor dem Gebäude des Landesarbeitsgerichts Foto: Katharina Kausche/dpa

Berlin taz | Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin demonstrierten am Freitagvormittag einige Dutzend Verdi-Anhänger*innen. Sie forderten, von ihrem Streikrecht Gebrauch machen zu können. Zunächst waren die De­mons­tran­t*in­nen noch optimistisch. „Es ist die letzte Instanz. Wir haben die Argumente auf unserer Seite und sind zuversichtlich“, sagte Verdi-Sprecher Kalle Klunkel (Verdi) zur taz.

Das Landesarbeitsgericht hatte zu entschieden, ob Verdi doch noch einen unbefristeten Streik der Er­zie­he­r*in­nen starten darf – nachdem es vor der niedrigeren Instanz schon letzten Freitag eine Niederlage gegeben hatte. In der vergangenen Woche verbot das Arbeitsgericht der Gewerkschaft, den „Erzwingungsstreik“ zu beginnen. Einen entsprechenden Antrag hatte die Senatsverwaltung für Finanzen am Vorabend gestellt.

Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hält das Streikrecht zwar für ein „hohes Gut“, er wollte es Er­zie­he­r*in­nen städtischer Erziehungseinrichtungen allerdings nicht anwenden lassen. Die Gewerkschaften „lassen die Situation unnötig und auf dem Rücken tausender leidtragender Familien eskalieren“, so Evers.

Ausschlaggebend war für Richter Peter Hansen in der vergangenen Woche die Friedenspflicht. Demnach seien Verhandlungspartner dazu verpflichtet, Kampfmaßnahmen wie Streiks zu unterlassen, wenn Verhandlungen noch nicht gänzlich abgeschlossen sind. „Diese Entscheidung ist ein erster Schritt, wohl wissend, dass es nicht der letzte ist“, sagte Hansen. Damit sollte er Recht behalten.

Verdi ging unmittelbar in Berufung, am Freitag verhandelte das Landesarbeitsgericht darüber. Es entschied ebenfalls gegen die Gewerkschaft und berief sich wie schon die Vorinstanz auf die Friedenspflicht. Nicht ausschlaggebend für das Urteil sei aber die Berliner Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die es einzelnen Ländern verbietet, Tarifverträge auf eigene Faust abzuschließen. Der Senat hatte dies stets als Argument gegen Verhandlungen genutzt.

Streit dauert schon Monate

Dennoch kommt es jetzt nicht zum „Erzwingungsstreik“. Es wäre der erste unbefristete Kita-Streik seit 1990 gewesen. Damals dauerte er 10 Wochen an.

Grund für die Streikpläne war bei Verdi die fehlende Verhandlungsbereitschaft des Senats. Verdis Landesbezirksleiter Benjamin Roscher betonte bereits Ende September, dass Verhandlungsgespräche unvermeidlich seien. Es sei Zeit, „dass die leeren Worthülsen und Versprechungen aufhören und Verhandlungen aufgenommen werden“, so Roscher. Verdi möchte seit April mit dem Senat einen „Entlastungstarifvertrag“ aushandeln, um der Überlastung der Er­zie­he­r*in­nen und der folglich sinkenden Betreuungsqualität entgegenzuwirken.

Zwischenzeitlich bot die Gewerkschaft auch an, statt über einen Tarifvertrag über eine rechtlich verbindliche „Entlastungsvereinbarung“ inklusive individuell einklagbarer Belastungsgrenzen zu sprechen. Zu Verhandlungen darüber kam es aber ebenfalls nicht.

Ende September folgte eine Urabstimmung der Gewerkschaft. Die Mitglieder zeigten sich streikbereit: 91,7 Prozent der Stimmberechtigten votierten für den Streik, der nun erst mal vom Tisch ist.

Laut Verdi-Sprecher Klunkel bleibt zumindest noch die Möglichkeit, das Verfahren in einem Hauptsacheverfahren erneut vorzubringen. Ein langwieriger Prozess, der sich mit den Grundsätzen des Streikrechts befassen würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Da hilft dann nur Dienst nach Vorschrift und Krankmeldung bei jedem Schnupfen. Die Wirkung ist für die Eltern noch gravierender, weil nicht planbar. Vielleicht kommt dann der nötige Druck durch die Eltern auf die Senatsverwaltung zustande.

    • @Ressourci:

      Als ob ein Streik für die Eltern planbar wäre. Ihr Kommentar ist reiner Hohn.

  • Die Friedenspflicht verbietet nicht, während der laufenden Verhandlungen zu streiken. Der Streik ist doch gerade ein Druckmittel, um in den Verhandlungen möglichst viel durchzusetzen. Wahrscheinlich geht es eher um die Frage der Verhältnismäßigkeit eines unbefristeten Streiks.

  • Dann soll Verdi doch einzelne Kitas bestreiken.

    Heute die, morgen eine andere und übermorgen noch eine andere.



    Welche dran ist wird morgens um fünf auf den sozialen Medien kund getan.



    Dürfte die gleiche Wirkung haben wie ein flächendeckender Streik.

    Aber unter uns: Da der Senat ja auch für die Streiktage die KiTa-Gebühren bekommt



    (Streik gilt ja als höhere Gewalt ) kann es denen schweißegal sein.



    Und das ist es vermutlich auch.

    • @Bolzkopf:

      Sie sollten es wie damals in Finnland die Krankenschwestern machen. Einfach so geschlossen wie möglich mit Kündigung drohen und das auch ernst meinen.

      library.fes.de/pdf...tockholm/05023.pdf

      • @Thorsten Gorch:

        Es geht aber nur um 10% der Kita in Berlin. Nur die in kommunaler Hand sind. Wieso sollten jetzt die in kirchlichen oder privaten Einrichtungen arbeiten kündigen?

        • @Martin Sauer:

          Sie meinen bei den anderen Trägern (von sehr wenigen exklusiven Einrichtungen abgesehen) sieht es wirklich besser aus?

          Selbst wenn man die Klagen der jungen Eltern im Umkreis ignoriert. Es gibt ja Zahlen, Daten, Fakten:

          www.nifbe.de/compo...personalschluessel

          Und daran wird sich auch nichts ändern solange die Betroffenen (Personal UND Eltern) sich auseinander dividieren lassen.

    • @Bolzkopf:

      Seit dem 1. August 2018 sind Kita und Kindertagespflege in Berlin für alle Kinder kostenfrei.

    • @Bolzkopf:

      Erst mal die Begründung abwarten. Die Vorinstnz sah einen Verstoß gegen die Friedenspflicht. Damit wäre dann Schluss mit den Streiks bis zum Ende des laufenden TV.

      • @DiMa:

        Es gibt keine neue Begründung. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

      • @DiMa:

        Wie man liest bin ich kein Berliner ...



        Kostenlose Kitas sehe ich allerdings mit gemischten Gefühlen aber das ist ein anderes Thema.