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Parteitag der LinkenLeise linke Lebenszeichen

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Mit impulsiven Worten startete die Linke auf ihrem Parteitag eine Art Reanimationsversuch. Um wieder eine Kraft zu werden, muss sie ihre Konflikte überwinden.

Öffnet sich wieder eine Tür für die Linkspartei? Der Parteitag in Halle konnte diese Hoffnung wecken Foto: Hendrik Schmidt/dpa

W ird mit einer neuen Parteiführung jetzt alles gut? Ines Schwerdtner und Jan van Aken, die neuen Hoffnungsträger, gaben sich alle Mühe, auf dem Bundesparteitag der Linken gute Stimmung zu verbreiten. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung schwärmten sie ausgiebig davon, wie „quicklebendig“ die Linke doch sei, wie viel „Feuer“ und „Energie“ immer noch in ihr stecke. Die Delegierten hörten es gerne.

Autosuggestion alleine wird jedoch nicht reichen, um die schwer zerzauste Partei vor dem Absturz ins außerparlamentarische Nirwana zu bewahren. Gleichwohl gilt ebenso: Eine entmutigte Partei, die nicht selbst an sich glaubt, kann auch keine Menschen mehr davon überzeugen, noch an sie zu glauben. Da ist es nachvollziehbar, dass Schwerdtner und van Aken erst mal in Halle die Mut­ma­che­r:in­nen gaben.

In der Sonntagsfrage für die Bundestagswahl wabert die Linke durchgängig zwischen 3 und 4 Prozent. Bei der EU-Wahl im Juni blieben 2,7 Prozent. Bis auf Thüringen und die Stadtstaaten kommt die Linke in keinem Bundesland derzeit in den Umfragen auch nur in die Nähe der Fünfprozenthürde.

Immerhin – der Sturz in den Abgrund blieb aus.

Ein Parteitag alleine kann die Partei nicht aus ihrer tiefen Krise führen. Doch das Event in Halle hätte sie endgültig in den Abgrund stürzen können. Das ist nicht passiert.

Wobei sich durch die breite Einigung auf einen Antrag der Streit über den Umgang mit dem Nahostkonflikt und linkem Antisemitismus noch nicht einfach erledigt hat. Wie auch bei der Haltung zum russischen Überfall auf die Ukraine schwelt der Konflikt weiter. Gleichwohl hat der Parteitag gezeigt, dass Wege der Verständigung gefunden werden können. Aber wie lange hält der Frieden?

Es geht ums blanke Überleben

Dass jetzt „Schluss mit Zoff“ sei, haben auch alle Vor­gän­ge­r:in­nen angekündigt. Gelungen ist es nie. Aber immerhin scheinen nunmehr auch die Letzten begriffen zu haben, dass es inzwischen um die Existenz der Linkspartei geht. Ob sie daraus die richtigen Schlüsse ziehen, ist weiter offen, besteht in der Partei doch noch nicht einmal Einigkeit darüber, wie es zu ihrem Niedergang kommen konnte.

Trotzdem zeigen die bewegenden Auftritte von İsmet Tekin, einer der Überlebenden des antisemitischen Anschlags von Halle vor fünf Jahren, des Sozialmediziners Gerhard Trabert oder der Ex-Grünen Sarah-Lee Heinrich auf dem Parteitag, dass noch nicht alles verloren ist. Viele sehnten sich nach einer „solidarischen politischen Kraft“, sagte Schwerdtner. Recht hat sie.

Die Linke wird derzeit nicht als solche wahrgenommen. Sie wird weiter hart dafür kämpfen müssen, dass sich das ändert.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • die neuen vorsitzenden stehen für einen neuerlichen aufbruch. ob der gelingen wird, ist bei dem beharrungsvermögen der altvorderen einigermaßen zu bezweifeln.



    neues, frisches "blut" und das nicht nur tröpfchenweise braucht es, damit diese partei wiederbelebt wird.



    die grüne jugend-abtrünnigen sind da eine gewisse hoffnung, doch das reicht nicht.



    schlimm ist, daß in der jugend insgesamt die meisten wohl tik-tok +so verseucht sind. die jungen erwachsenen wahrscheinlich auch, + auch die älteren bewegen sich mehr in eingebildeten räumen als in der reality.



    dies ist die alltagsbeobachtung einer altlinken. wäre mir sehr recht, wenn ich nicht recht hätte.

    • @Brot&Rosen:

      Sie haben recht. Allerdings sind junge Erwachsene weniger auf TikTok sondern auf mehr anderen sozialen Mediakanälen unterwegs. Gemeinsam haben sie, dass für sie Politik gleich welcher Art überwiegend kein Thema ist und stattdessen mehr im hier und jetzt gelebt und konsumiert wird. Für mich im fortgeschrittenen Alter wirkt das häufig befremdlich, andererseits beneide ich diese Generation um ihre Sorglosigkeit.

  • Was mich an Linken ärgert, ist die totale Unfähigkeit zur Selbstkritik.



    Immer sind alle anderen schuld - z.B. sei der Aufstieg der AfD ja nur dadurch zu erklären, dass ihr die Union die Szene bereitet. Schlechte Wahlergebnisse der "Linke"? Nur S.W.s Schuld!



    Die Performance der AfD ist m.E. VOR ALLEM dem Versagen der Linken geschuldet, aber so etwas wird nicht mal ansatzweise diskutiert. Lieber bezeichnete man die Lucke-AfD als "Faschisten" - und wenn dann tatsächlich welche die Macht in der Partei übernehmen, fehlen die Worte.

    • @Emmo:

      „Was mich an Linken ärgert, ist die totale Unfähigkeit zur Selbstkritik.“



      Nun, wie ich die Kommentare hier wahrnehme, scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein.



      Eigentlich passiert doch seit 1989 nix anderes.😉

  • Wir brauchen mehr denn je eine wirklich linke Kraft und außer Der Linken ist nichts in sicht. Insofern ist der Parteitag ein Hoffnungsschimmer. Hoffen wir das Beste (aber hoffen allein reicht nicht)!

  • Die Linkspartei ist die einzige in Deutschland verbliebene parlamentarische Kraft, die sich für die arbeitende Mittelschicht und die gesamte Unterschicht tatsächlich auch einsetzt.



    Die SPD ist in der Hand der kapitalfreundlichen Seeheimer und die Grünen scheinen sich auch nur der vermögenden Oberschicht anbiedern zu wollen.



    Wenn die Linkspartei als parlamentarische Kraft wegbricht, dann ist die Tür endgültig offen für Sozialabbau, sinkende Löhne und immer mehr Ausbeutung.



    Dass rechte Kreise und Vertreter der reichen Oberschicht versuchen, der Linkspartei Antisemitismus und andere Skandale anzudichten, zeigt, dass der Verteilungskampf von oben mit allen Bandagen geführt wird.



    Wenn man sich dem nicht erwehrt, wird es bald zappen duster in Deutschland.

    • @TeeTS:

      Also für mich als Teil der "arbeitenden Mittelschicht" setzt sie sich garantiert nicht ein - im Gegenteil.

    • @TeeTS:

      "Dass rechte Kreise und Vertreter der reichen Oberschicht versuchen, der Linkspartei Antisemitismus und andere Skandale anzudichten, zeigt, dass der Verteilungskampf von oben mit allen Bandagen geführt wird."

      Dieser vermaledeite Antisemitismusvorwurf immer.

      Meinen Sie mit rechten Kreisen und der ominösen "reichen Oberschicht" Menschen wie Udo Wolf, den langjährigen Politiker der Linken, der neulich, und ich gehe davon aus, schweren Herzens, aus der Partei ausgetreten ist?

      Oder Herrn Lederer? Frau Pau? Elke Breitenbach? Die haben in Berlin den Parteitag verlassen,

      Ich habe da mal ein Rätsel für Sie: In welchen Kreisen kommt Antisemitismus vor und in welchen nicht?

    • @TeeTS:

      " Dass rechte Kreise und Vertreter der reichen Oberschicht versuchen, der Linkspartei Antisemitismus und andere Skandale anzudichten, zeigt, dass der Verteilungskampf von oben mit allen Bandagen geführt wird."

      Dass linke Antisemitismus kleinreden ist für mich ein sehr großes Problem. Vielleicht sind es auch Juden*Jüd*innen, Allies und so die auf Antisemitismus hinweisen.

      Übrigens ist Mord, sexuelle Gewalt und Folter "mit allen Bandagen", graue Propaganda oder schwarze Propaganda ist die Behauptung, dass es keinen Antisemitismus in der Linken geben würde und dieser nur erfunden ist.

      Wer die Linkspartei in Regierungsverantwortung gesehen hat, der hat gesehen, dass diese sich nicht von Austerity Zwängen freimachen kann. Das ist mit Schuldenbremse und dem parlamentarischen System in Deutschland so. Übrigens wo sie nicht in Regierungsverantwortung ist, dort ist die Linke parlamentarisch weitgehend egal.

      Bundesrats- und Bundestagsmehrheiten sind für Regierung und Gesetze eher entscheidend.

      Es braucht mehr Gewerkschaft und Organisierung, nicht ein hoffen auf Reste einer Linkspartei, wenn du bessere Ergebnisse gegen Lohnabbau möchtest.

      • @ToSten23:

        „Es braucht mehr Gewerkschaft und Organisierung, nicht auf hoffen auf Reste einer Lunkspartei, wenn du bessere Ergebnisse gegen Lohnabau möchtest.“



        Ja, lebt denn der alte Holzmichel noch! Das klingt so ganz nach dem guten alten Anarcho-Syndikalismus. Nicht, dass ich daran etwas auszusetzen hätte, aber ich hab‘ den schon für tot geglaubt.😉

    • @TeeTS:

      Die Linke setzt sich für die arbeitende Mittelschicht und die gesamte Unterschicht ein?

      Vielleicht lesen Sie noch einmal bei der Spitzenkandidatin Rackete zu den EU-Wahlen nach, für wen sie sich einsetzen will.

      Die Linkspartei ist keine parlamentarische Kraft mehr.

      In den meisten Bundesländern dümpelt sie im Bereich der 5-Prozent-Hürde vor sich hin.

      Deshalb wäre Ihee "Tür" dann schon längst offen.

      Seit wann sind Frau Pau und Herr Lederer Vertreter der reichen Oberschicht?

    • @TeeTS:

      Sehe ich ganz ähnlich wie Sie.

      Ich glaube, es formiert sich aber wieder eine wirklich solidarische Opposition, und sie wird keine Probleme mit der parlamentarischen Vertretung haben.