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Politisch irrelevantKirmesnummer oder TV-Duell?

Menschengemachte Naturkatastrophen, egal ob Sturm oder TV-Duell, ziehen über die Welt. Nicht allen muss man Aufmerksamkeit schenken.

Sahra Wagenknecht wartet auf Alice Weidel im Welt-TV Studio Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Gute Besserung, Kevin Kühnert.

Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Gute Besserung, Kevin Kühnert.

taz: Der Bundestag verabschiedete ein Gesetz für Kitas, um die Betreuung zu verbessern. Der Osten Deutschlands ist unterdessen vorbildhaft: Dort gibt es so wenig Kinder, dass ein Personalüberangebot entstehen könnte. Wäre das nicht auch ein Modell für den Westen Deutschlands?

Küppersbusch: „Seid Ihr alle da?“ – Nee, rüber in den Westen. Die Entvölkerung Ost könnte genutzt werden, einen besseren Personalschlüssel in den Kitas dort zu erzielen. Darauf zielt das Gesetz auch, indem es die Länder hemmt, die Kohle einfach den Eltern zu geben – durch günstigere Kita-Gebühren. Im Westen nichts Neues: Zu wenig Kitas, viel zu wenig Personal, Fachkräftemangel. Immerhin – endlich könnte man mal wieder sagen: „Wenn´s Dir hier nicht passt, geh doch nach drüben.“

taz: Zur geplanten Reform der Öffentlich-Rechtlichen konnte jedermann seine Stellungnahme einreichen. Was stand in Ihrer?

Küppersbusch: Macht mal hinne! Mit „Goebbels und Hugenberg“ kriegt man kaum noch wen überzeugt, dass es ÖRR geben muss. Musk und Zuckerberg dagegen finden viele toll, da bildet sich kein breites gesellschaftliches Bündnis, das gesellschaftlich kontrollierte Medien fordert. Die ARD ist diese Woche einem wenig beachteten Bündnis aus ZDF, belgischen, kanadischen, australischen und Schweizer Sendern beigetreten, die Werkzeuge für „freie und faire Kommunikation im Netz“ entwickeln. Bisher sind da eher sehr spezielle Softwareprodukte bei herumgekommen. Wenn´s mehr wäre, würden die Markt-Taliban auch schon rumposaunen: Jetzt vergeuden die auch noch Kohle für „facebook auf evangelisch“. Und genau das, gesellschaftlich kontrollierte „soziale Medien“, stünde in meiner Stellungnahme.

taz: Jüngst sah man Sahra Wagenknecht und Alice Weidel in einem „Duell“ bei Welt-TV. Wer war Ihr Favorit?

Küppersbusch: Milton. Konkurrent ntv schlug das Damencatchen bei Welt im Marktanteil knapp mit dem „Mega­sturm“. Auch wenn man sich schwertut, Wagenknecht und Weidel als Naturkatastrophe anzusehen. Das war eher menschgemacht: Die Sendung hatte keine nahende Wahl oder Koalition zum Anlass; sie war mindestens so politisch relevant wie zirzensisch. Und schneller realisiert als, sagen wir mal, noch ein Boxkampf Stefan Raab gegen Greta Thunberg, Thema Palästina, Klima, sowas. Journalistisch spannend war die Frage, wie ein Wettbewerb ums Dagegensein aussähe, dagegen arbeitete das blöde Gefühl, dafür eine Kirmesnummer zu gucken. Ich hab die Zitate nachgelesen und die Sendung nicht geguckt.

taz: Die Verkehrsminister der Länder wollen ein Sondervermögen für die marode Infrastruktur Deutschlands. Nur so könne man kaputte Straßen und Brücken erneuern. Vielleicht haben wir das Geld, aber haben wir auch die Fähigkeiten?

Küppersbusch: In Zeitlupe heißt das „Sondervermögen“ vier mal CSU und Wissing oben drauf. Allein Ex-Minister Scheuer steht für 243 Millionen Euro Mautbegräbniskosten. Die Brumm-Brumm-Fraktion im Verkehrsministerium hat die Nation jahrzehntelang am Auspuff gestillt. In den Ländern dagegen reden Grüne wie Hermann und Krischer mit, und selbst die haben nicht den Wumms, es auch mal gut sein zu lassen mit Straßenbau und -ausbau. Man jubelte der Runde entschlossener zu, wenn sie das Geld nicht einfach mehr-, sondern besser ausgeben wollte: Wasserwege, Schiene. Die MinisterInnen werfen ihre Forderung auf den Bund und die nächste Regierung. Das ist dann wieder wie im Stau rumstehen, aber mit ’nem Porsche.

taz: Die chinesischen Zusatzzölle auf europäischen Weinbrand sind in der vergangenen Woche in Kraft getreten. Ist es der erste Schritt auf dem Weg in einen neuen Rauschmittelkrieg?

Küppersbusch: Aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzt heißt das: Französisch. Martell, Remy Martin und Hennessy beherrschen 99 Prozent des chinesischen Branntweinmarktes. Frankreich hatte seine Ökoprämie eingeschränkt auf Autos, die bei Herstellung und Transportweg weniger CO2 rumpesten – die vornehme Art, China zu sagen, ohne China zu sagen. Deshalb der gleiche Schnaps nun umgekehrt: China sagt Strafzoll und meint Frankreich. Zudem hat Macron europäische Strafzölle unterstützt – Scholz war dagegen. Hallo China! Jägermeister, geile Brause! Wohlsein!

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Die Jahreshauptversammlung voriges Jahr war Tumult, Schuldendesaster und Abbruch. Während diese Montagsausgabe der taz gedruckt wird, tagt die nächste Hauptversammlung. Es bleibt spannend.

Fragen: Chantalle El Helou

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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8 Kommentare

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  • Bei dem Wettbewerb ums "Dagegensein" sollte aber auch die Kirmespartei FDP mitspielen dürfen, die haben gute Chancen auf 'ne Medaille...

  • Kirmesnummer? Bei 45% Wählerstimmen ist dieser Spruch überflüssig.

    • @Tom Lehner:

      Finde ich eigentlich nicht. Die Frage bleibt offen: warum stimmen 45% der Wähler für solche Kirmesfiguren?

      • @Stechpalme:

        "warum stimmen 45% der Wähler für solche Kirmesfiguren?"



        'Brot und Spiele' hat schon bei den Römern funktioniert. Wir sind offensichtlich nicht weiter.

      • @Stechpalme:

        Ganz genau.

  • "Allein Ex-Minister Scheuer steht für 243 Millionen Euro Mautbegräbniskosten. Die Brumm-Brumm-Fraktion im Verkehrsministerium hat die Nation jahrzehntelang am Auspuff gestillt."

    Nein, das reicht so nicht, bitte etwas detaillierter, Herr Küppersbusch.



    Der erste Satz ist ein GAU, was die Verschwendung von öffentlichen Mitteln angeht. Logisch wäre hier eine Anklage wegen Veruntreuung - wenn so etwas bei "nur" politisch Verantwortlichen in unserem Lande denn ginge.

    Der zweite Satz hat mit dem ersten rein gar nichts zu tun. Man kann Gelder verschwenden und dennoch mit Augenmaß auch weiterhin Verbrenner fördern. Extrem schlechte Ausgabenpolitik ist nicht automatisch an extrem schlechte Wirtschaftspolitik gekoppelt (auch wenn wir eine solche Kopplung im Moment beobachten dürfen).



    Alles sehr legitim in einer Glosse, aber auf diese Weise geht dann doch der Verschwendungsskandal ungerechtfertigt unter, wenn man da eine generelle Verschwörung aller Verbrenner-Fans unterstellt und nicht zwischen absoluter Unfähigkeit beim Steuerverschwenden und ev. vielen anderen Aspekten bei Treue zum Verbrenner unterscheidet.

  • "Ich hab die Zitate nachgelesen und die Sendung nicht geguckt." Besser so.



    So was muss Mensch sich ja wirklich nicht antun

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Och. Schön dess - aber doch.



      “Die Sendung hatte keine nahende Wahl oder Koalition zum Anlass; sie war mindestens so politisch relevant wie zirzensisch.“



      D.h. “die Eigenheiten eines antiken oder heutigen Zirkus betreffend, auf ihnen basierend. Herkunft: von lateinisch circensis zur Arena gehörig entlehnt.“



      Gleich daneben - ach wie schön.



      Für diese Front-Frauen 🤹🤹‍♀️



      Echt - mal schauen!



      & Däh



      Hola! “Bezirzen: auf verführerische Weise durch charmante Überredung für seine Wünsche gewinnen "sie wird ihn schon bezirzen und alles bekommen, was sie will" & das im 📺 🎡🎢🎪🎠 wa!



      Da fällt mir glatt & gemein



      Doch - Tusch & 🐽 - auf ollen Busch - Dem sei “Die Verwandlung“ ein.



      Schaustes genderneutral & ge🪞t gahl!



      www.zeno.org/Liter...en/Die+Verwandlung



      (Ps - Befürchte nur - am Ende nein!



      Findet sich kein klug-beherztes Schwersterlein!;)(