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Eskalation im Nahen OstenDiplomatie ist gefragt

Gastkommentar von Jan Altaner

Die Ausweitung des Krieges im Libanon wird keine Sicherheit bringen. Es braucht am Völkerrecht orientierte Anstrengungen für einen Waffenstillstand.

Nach einem israelischen Luftangriff im Süden von Beirut am 7.10.2024 Foto: Bilal Hussein/ap

T ag und Nacht erschüttern Bombardements der israelischen Luftwaffe derzeit Beirut. Die aktuelle Eskalationswelle zwischen Hisbollah und Israel begann mit israelischen Pager-Angriffen, die mehr als 30 Menschen töteten, 300 erblinden ließen und 3.000 verletzten. 80 Tonnen Bomben töteten wenig später Hisbollahs Generalsekretär Hassan Nasrallah und Parteikader in einem unterirdischen Kommandoraum und die zivilen Bewohner sechs darüberliegender Wohnblöcke.

Die Realität des Kriegs im Libanon ist nicht mehr zu leugnen: Israel ist im Süden einmarschiert; verheerende Luftangriffe treffen alle ­Landesteile, und weit über eine Million Menschen wurden vertrieben. Wie blickt die libanesische ­Bevölkerung angesichts dessen auf die Hisbollah­, Gaza und die Ausweitung des Kriegs?

Seit einem Jahr schießt Hisbollah ungebrochen Raketen auf Ziele in Israel, mit dem erklärten Ziel, durch militärischen Druck und Abschreckung Israels Streitkräfte zu binden und das Land zu einer Verhandlungslösung mit der Hamas in Gaza zu drängen. Jeder dieser Angriffe gefährdet Menschenleben; bisher töteten sie über 50 Menschen, darunter mindestens 28 Zivilisten.

Die Mehrheit unabhängiger Analysten attestierte Hisbollah und dem Iran angesichts des Ausbleibens umfassender Vergeltungsschläge und der Begrenzung auf „symbolische Antworten“ wie das Abfeuern einzelner Mittelstreckenraketen auf militärische Ziele in Tel Aviv lange eine relative Zurückhaltung. Diese scheint mit Irans unangekündigtem Abschuss von über 180 Raketen auf Ziele in Israel in der vergangenen Woche nun vorüber; der regio­nale Krieg droht.

Trauer und Wut eint

Jan Altaner promoviert an der Universität Cambridge zur urbanen, sozialen und ökonomischen Geschichte Libanons im 20. Jahrhundert. Zuvor studierte er Nahost-, Geschichts-, und Islam­wissenschaft in Beirut und Freiburg.

Israels erfolgreiche Schläge gegen Hisbollah, insbesondere die Tötung Nasrallahs, haben Netanjahu innenpolitisch massiv gestärkt. Sein Kriegskabinett zieht militärische Optionen diplomatischen Verhandlungslösungen in Libanon und Gaza weiterhin vor. Libanons vielfältige Gesellschaft, die durch das konfessionalistische politische System entlang politisch-religiöser, ideologischer sowie klassen- und regionalspezifischer Gräben gespalten und polarisiert ist, lehnt mit großer Mehrheit die aktuelle Ausweitung des Krieges ab.

Es eint sie die Trauer und Wut über die Getöteten und Verwundeten, die fortschreitende Bombardierung des Landes und dass Israels westliche Verbündete neben diplomatischen Lippenbekenntnissen Israel durch kontinuierliche Waffenlieferungen zugestehen, das Recht des Stärkeren Verhandlungslösungen vorzuziehen.

Die Hisbollah trug das System der korrupten konfessionellen Eliten mit und verteidigte es gewaltsam

Bereits vor dem 7. Oktober vergangenen Jahres war die öffentliche Meinung zur Hisbollah polarisiert. Rund die Hälfte der Bevölkerung, besonders Menschen aus dem Südlibanon und ein beträchtlicher Teil der historisch marginalisierten Schiiten, unterstützen sie wegen ihrer Befreiung des bis 2000 von Israel besetzten Südlibanons, ihr militantes Eintreten gegen eine regionale US-israelische-Hegemonie, sowie aufgrund tiefer religiöser wie moralischer Überzeugungen. Seit den 1990ern wurde die Partei zunehmend Teil des konfessionalistischen politischen Systems Libanons, eine wichtige Kraft in Parlament und Regierung und baute wie alle Parteien ihr klientelistisches Unterstützungsnetz aus – so etwa im Gesundheits- und Bildungswesen.

Die andere Hälfte der Bevölkerung steht ihr aus ebendiesen und weiteren Gründen kritisch bis ablehnend gegenüber. Die libanesische Revolution 2019 und der Staatskollaps zeigten, dass Hisbollah das System der korrupten konfessionellen Eliten mittrug und gewaltsam verteidigte. Auch ist sie für Gewalt und Morde an Oppositionellen und Intellektuellen verantwortlich. Doch die zentrale Kritik lautet: Als einzige bewaffnete Miliz im Land unterlaufe sie Libanons Souveränität und suche für Entscheidungen über Krieg und Frieden wie ihren Eingriff in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten Baschar al-Assads keine demokratische Legitimierung. Fundamentalkritik an Hisbollah dient Mitgliedern der korrupten politischen Kaste allerdings auch dazu, ihre eigene Mitschuld an Libanons Lage zurückzuweisen.

Destabilisierung Libanons

Israels Militäreinsatz in Gaza wird im Libanon, wie auch von vielen internationalen Organisationen und Experten, als genozidal wahrgenommen und führte zu einer massiven Zunahme an Solidarität mit den Palästinensern. Das Scheitern diplomatischer Verhandlungen für Gaza, die einseitige US- wie deutsche Parteinahme und die Untätigkeit arabischer Staaten verschaffte Hisbollahs lokal begrenztem militärischem Einsatz zum Erzwingen einer Verhandlungslösung zeitweise einen gewissen Legitimationszuwachs.

Hisbollahs zunehmende Schwächung besonders durch die Tötung hoher Kader destabilisiert Libanons kompliziertes Machtgleichgewicht der konfessionalistischen Parteien – mit unabsehbaren Folgen. Während vereinzelte politische Gegner dies feiern, drängen zivilgesellschaftliche Akteure auf gesamtgesellschaftliche Aushandlungsprozesse – auch, da sonst inter- und intrakonfessio­nelle Gewalt drohen könnte. Doch zuerst muss der Krieg beendet werden, den die breite Mehrheit der Bevölkerung nicht will.

Israels Bombardements und der Einmarsch im Libanon treffen eine solidarische, aber von Katastrophen und Leid gebeutelte Gesellschaft. Bisher wurden über 2.000 Menschen getötet, darunter ganze Familien und über 100 medizinische Rettungskräfte, allein 40 in der vergangenen Woche. Diese Ausweitung des Krieges wird langfristig keine Sicherheit bringen, das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt.

Die Hisbollah scheint zu Verhandlungslösungen bereit zu sein. Es braucht daher umgehend neue, ernstgemeinte und am Völkerrecht orientierte diplomatische Anstrengungen für einen Waffenstillstand gerade westlicher Akteure wie Deutschlands und der USA, um das Leid zu minimieren, die Kriege zu beenden, Sicherheit herzustellen und Vertriebene sowie israelische Geiseln aus Gaza zurückzubringen.

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37 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Eine der wenigen Ähnlichkeiten beider Kriege : genau wie bei Russland ist in Israel niemand für Diplomatie empfänglich : da Netanjahu militärisch gewinnt, die Ressourcen nahezu unendlich sind, hat er keinen Bedarf an Verhandlungen. Biden hat es überdeutlich gemacht : Netanjahu hört auf niemanden. Er hofft auf Trump.

    • @Monomi:

      Israels Ressourcen sind nicht unendlich, sondern man ist auf beständige Lieferungen aus den USA angewiesen. Der Fokus allein auf Netanjahu ist also verengt: Biden könnte diesen Krieg stoppen. Er will es aber nicht.

      • @O.F.:

        Wir sollten uns lieber an Herrn Putin halten!

  • "Israels Militäreinsatz in Gaza wird im Libanon, wie auch von vielen internationalen Organisationen und Experten, als genozidal wahrgenommen und führte zu einer massiven Zunahme an Solidarität mit den Palästinensern." Hätte ja nicht gedacht das ich das mal lese in dt. Medien. Ja unzählige Experten für Völkermordstudien, Rechtsexperten für internationales Recht, davon eine Reihe israelischer und jüdischer sagen dies. Einige der renommiertesten Rechtsschulen von Universitäten wie Yale und Cornell haben Abhandlungen darüber verfasst und anhand der vorliegenden Beweise das Urteil Völkermord gefällt. Das Lemkin Institut, GenocideWatch. Vieles Gruppen und Experten die man in anderen Fällen wie Myanmar um Rat gebeten hat, aber jetzt völlig ignoriert im Westen.



    Eine der vorläufigen Maßnahmen die der IGH anordnete war genozidale Rhetorik die als Anstiftung zum Völkermord gewertet werden kann einzustellen und zu bestrafen. Die BBC hat neulich gezeigt wie wenig das fruchtet: youtube- Israel-Gaza: Has Israel taken enough action to prevent incitement to genocide? - BBC World Service



    Und wenn man die Aussagen des Bildungsministers von Israel neulich hörte- humanitäres Völkrecht Fehlanzeige.

  • "Die aktuelle Eskalationswelle zwischen Hisbollah und Israel begann mit israelischen Pager-Angriffen, die mehr als 30 Menschen töteten, 300 erblinden ließen und 3.000 verletzten."

    Und ich schlichtes Gemüt dachte, die Eskalation hätte begonnen, als die Hisbollah anfing, ihre bisher über 8.000 Raketen auf Israel abzufeuern.

    Würde Israel auf den Kommentator hören, oder Gott bewahre auf Frau Baerbock, von der UN ganz zu schweigen, es würde seine Existenz massiv aufs Spiel setzen.

    Man soll also mit den Islamisten der Hisbollah verhandeln. Worüber denn?



    Über das Existenzrecht Israels? Das zu beseitigen ist die raison d'être der Hisbollah, wie auch der Hamas.

    Wenn diese Mörderbanden nicht vernichtet werden können, so muss zumindest gewährleistet sein, dass sie in der Zukunft keine Rolle mehr spielen.

    Hätte jemand 1945 mit der NSDAP oder der SS verhandelt? Wohl kaum. Was diese mit den Islamisten gemeinsam haben, ist der eliminatorische Antisemitismus als Kern ihrer Ideologie.

    • @Jim Hawkins:

      Volle Zustimmung!

    • @Jim Hawkins:

      Auch Israel muss das Völkerrecht, zumal das humanitäre, respektieren, anstatt sich auf die Ebene von Kriegsverbrechen, wie die der Hamas, zu begeben.

      • @Rinaldo:

        Israel muss, Israel muss, Israel muss.

        Alle haben gute Ratschläge für den Existenzkampf des jüdischen Staates.

        Würde er sie befolgen, sein Ende wäre gewiss.

        Also ist es besser, er tut was er tun muss und lässt die anderen aufgeregt mit dem Völkerrecht fuchteln.

        • @Jim Hawkins:

          Das ist dann Ihre regelbasierte Weltordnung, wie sie der Westen ganz richtig für die Ukraine fordert? Für Israel gilt also diese Weltordnung nicht? Als intelligentem Menschen sollten Ihnen Ihre Ausagen oben peinlich sein.

        • @Jim Hawkins:

          Kein Wunder das immer öfter demokratische Staaten Völkerrecht und Menschenrechte ignorieren wenn es in der Bevölkerung Menschen gibt, die auch der Meinung sind, man kann sich Gesetze zurecht legen wie sie einem gerade passen. Aber bitte dann nicht wundern wenn einem das irgendwann auf die eigenen Füße fällt. Im übrigen haben wir uns in unserem Grundgesetz nicht nur universalen Menschenrechten verschrieben, sondern auch dem Völkerrecht. Und wieso steht das im Grundgesetz? Wegen dem Holocaust. Das man dann dabei hilft oder selber aktiv daran teilnimmt, diese Rechte immer mehr auszuhöhlen oder sie nur für eine Gruppe anwendet aber nicht für eine andere, zeigt leider nur das man nichts aus der Geschichte gelernt hat. Es soll mir dann aber bitte auch keiner mehr was von westlichen Werten etc. erzählen, die scheinen genauso in diesem Konflikt gestorben zu sein wie Völkerrecht und Menschenrechte, falls sie jemals existiert haben.

  • "Die Hisbollah scheint zu Verhandlungslösungen bereit zu sein".

    Ja, genau wie beim letzten Mal, als Israel wie die Hisbollah sich beide verpflichtet haben, sich aus dem grenznahen Teil des Libanons komplett zurückzuziehen, und das durch UN-Truppen überwachen zu lassen. Israel ist dem komplett nachgekommen, die Hisbollah hat es komplett ignoriert, und die UN-Truppen haben es zugelassen. Soll sich das wiederholen?

    • @TheBox:

      Vielleicht würde die Hisbollah die alte UN-Resolution ja erfüllen, wenn Israel die Liste der UN-Resolutionen gegen Israel ebenfalls mal abarbeiten würde.



      Rückzug gegen Rückzug zum Beispiel: Auflösung der ALLER Siedlungen im Westjordanland wäre ein starkes Signal....



      Rechnet irgend jemand damit ? Wohl nicht. Warum sollte also der Libanon dafür einen Bürgerkrieg riskieren?

  • Die aktuelle Eskalation begann nicht mit der israelischen Pager-Aktion, sondern mit den Raketenangriffen der Hisbollah, die den Norden Israels praktisch unbewohnbar machen. Und dass im Artikel die Personen, die bei den Pager-Angriffen getötet und verletzt wurden, nur als Menschen ohne weitere Angaben bezeichnet werden, blendet aus, dass es sich dabei um Hisbollah-Mitglieder handelte, die in dieser Terrororganisation eine so wesentliche Rolle spiel(t)en, dass sie von ihrer Führung zum Schutz vor einer Ortung gezielt mit diesen Pagern ausgestattet wurden.

    • @Budzylein:

      Das ist offenkundig falsch: denn abgesehen davon, dass es ohnehin rechtswidrig ist, Sprengfallen als zivile Gegenstände zu tarnen, wurden die Pager zu tausenden in den Libanon geliefert: unter den Toten finden sich unter anderem Kinder und zivile Mitarbeiter der Hisbollah (die ja auch eine politische und soziale Organisation sind) bzw. Reservisten, die rechtlich ebenfalls als Zivilisten gelten und auch so zu behandeln sind. Kinder und Krankenhauspersonal sind keine legitimen Ziele und es ist es ist ein Zeichen von Verrohung, jeden Gewaltakt gut zu heißen, solange die Opfer Araber oder Muslime sind. Hier werden Menschenleben in zwei Klassen eingeteilt. Darüber sollte man einmal nachdenken…

      • @O.F.:

        Die präparierten Pager wurden Ferngesteuert zur Explosion gebracht. Sie fallen somit lt. Artikel 2, des Protokolls II der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen nicht in die Kategorie von Sprengfallen.



        hrlibrary.umn.edu/instree/1980d.htm



        Sprengsätze mit Zeitzünder oder Fernsteuerung sind eine separate Kategorie ("other objects".

        Allein das Kinder oder mediz. Personal umkamen, ist noch kein Beleg dafür, dass der Angriff gegen Zivilisten gerichtet war.



        Pager sind verschlüsselte Kommunikationsgeräte und reagieren nur auf die mit eigenem, zugehörigen Code versehenen Funksignale. Was meistens eigens dafür eingerichtete zugehörige Frequenzen (der Hisbollah) erfordert. Gezielter geht kaum. Es sind Dienstgeräte.



        Wer ein aktives Kommunikationsgerät einer militärischen Organisation bei sich trägt um Befehle empfangen zu können, ist im Dienst, ist teil einer militärischen Befehlskette, und damit legitimes Ziel - durch tragen des aktivierten Gerätes entfällt der Schutz. Das einer dabei zivile Kleidung trägt und sich unter Zivilisten bewegt, macht ihn noch nicht zur zivilen, geschützten Person.



        Ich noch keinerlei Beleg gesehen, dass es eine zivile Nutzung dieser Pager gab.

        • @Socrates:

          Das von Ihnen verlinkte und mir längst Bekannte Protokoll bestätigt genau das, was ich sage... Vielleicht lesen Sie ihre eigene Quelle?

          • @O.F.:

            Gerade weil ich sie gelesen habe, betrachte ich Ihre Behauptung als widerlegt.

            Sie können ja beweisen, dass ich mich irre (was jedem passieren kann):



            Zeigen sie mir jene Stelle im Protokoll die besagt, dass ferngesteuert ausgelöste Sprengsätze rechtlich Sprengfallen ("booby-traps") sind.

            Das werden Sie nicht können, weil es einfach nicht so drin steht: sie bilden die separate Kategorie "other objects".



            Sprengfallen sind einfach rechtlich anders definiert, deshalb gelten rechtliche Verbote und Beschränkungen die sich ausschließich auf Sprengfallen beziehen auch nur für diese, nicht für die präparierten Pager.

            Falls Sie nicht darlegen können, dass die präparierten Pager rechtlich als Sprengfallen gelten, können Sie sich auch nicht auf diesbezügliche Verbote berufen. Sie mögen sich bislang im Irrtum befunden haben; verbreiten Sie dies aber weiterhin, kann ich es ab jetzt, wo ich sie darauf hingeweisen habe im Weiteren nur als Lüge bezeichnen. Haben Sie denn sich selbst gegenüber nicht den Anspruch ihre Annahme (welche die Gundlage Ihrer Meinung bildet) hinterfragen und überprüfen zu können, wenn Andere diese als falsch kennzeichnen? Lieber eine Lüge glauben?

            • @Socrates:

              Sie missverstehen den Text: es geht dort nicht um den genauen Zündmechanismus, sondern um die Tarnung als zivile Objekte – aus eben den Gründen, die man auch im Libanon gesehen hat: unter den Toten waren auch mehrere Kinder. Jenseits des fragwürdigen Umgangs mit Rechtstexten finde ich das auch moralisch verstörend: es gibt eine erschreckende Bereitschaft jeden Rechtsbruch und jeden Gewaltakt schön zu reden, solange die Opfer zu den „Anderen“ gehören. Die hier in Ungnade gefallene Butler hat dazu Kluges geschrieben.

              • @O.F.:

                Kein Missverständnis.

                Schon der Artikel 6 in dem das Verbot auf das sie sich berufen steht ist als „Prohibition on the use of certain booby-traps“ betitelt. Selbst der betreffende Absatz 1 besagt „...it is prohibited in all circumstances to use: (a) any booby-trap in the form of an apparently harmless portable object which is specifically designed and constructed to contain explosive material and to detonate when it is disturbed or approached…“

                Und wie bereits gesagt, bilden lt. Artikel 2 Sprengsätze mit Fernsteuerung eine andere Kategorie („other devices“), deswegen ist (rechtlich) der Zündmechanismus entscheidend. Das ist kein Zufall, denn eine Fernsteuerung ermöglicht einen viel gezielteren Einsatz als ein Landmine oder eine Sprengfalle, in die jeder hineintappen kann. Verbote die „other devices“ betreffen sind in den Artikeln 3 und 4zusammengefasst, weswegen sie dort auch ausdrücklich genannt werden, in Artikel 6 hingegen nicht.

                Das ist keine Schönrederei, sondern eine Klarstellung: nämlich dass der angebliche Rechtsbruch keiner ist. Woher haben Sie denn die Information, dass die Pager Sprengfallen gewesen sein sollen? Wer immer das verbreitet hat, hat Sie reingelegt.

                • @Socrates:

                  Ihnen ist entgangen, dass es zu dieser Frage eine lebhafte Diskussion unter Völkerechtlern zu dieser Frage gab, in der die Einschätzung, dass die Pager in die Kategorie "Sprengfallen" fällt, mehrheitlich geteilt wird (ich rate dazu, hier auch einmal über den deutschen Tellerrand zu schauen). Ich wiederhole hier also nur eine gängige Rechtsauffassung (nicht der Privatmeinung einiger Foristen) und bin nicht "reingelegt" wurden - die Ausslegung von Rechtstexten sollte man doch Juristen überlassen.

              • @O.F.:

                Doch, genau darum geht es, der Zündmechanismus ist entscheidend, weil die einzelnen Verbote sich eben auf gewisse Arten von Sprengsätzen erstrecken oder auch nicht.

                Dieses Verbot auf welches Sie sich beziehen, ist Teil von Artikel 6 mit dem Titel: "Prohibition on the use of certain booby-traps"

                Von "other devices" zu denen die ferngesteuerten Sprengsätze gehören ist keine Rede.

                Sogar der entsprechende Absatz beizeht sich explizit auf Sprengfallen:

                "it is prohibited in all circumstances to use: (a) any BOOBY-TRAP in the form of an apparently harmless portable object which is specifically designed and constructed to contain explosive material and to detonate when it is disturbed or approached,..."

                Egal aus welche Quelle Sie jene Falschinformation haben, dass diese Pager als Sprengfallen zu betrachten sind: man hat Sie offenkundig reingelegt. Leider musste ich die Erfahrung machen, dass oftmals Leute die sich mit Völkerrecht angeblich auskennen, dennoch in der Presse Behauptungen aufstellen, die sich - nach durchlesen der einschlägigen Völkerrechtlichen Regelung - als unwahr erweisen. Da gibt es eine erschreckende Bereitschaft zur Rechtsverdrehung.

                • @Socrates:

                  Hier immunisieren Sie sich gegen Kritik, wenn Sie Experten vorwerfen, öffentlich bewusst Recht zu verdrehen (und mit Verlaub: die Auslegung juristischer Texte erfordert mehr als "durchlesen" - genau deshalb gibt es Studiengänge und Lehrstühle dafür).

      • @O.F.:

        Die Pager wurden nicht zu zivilen Zwecken von der Hisbollah bestellt, sondern zur Ermöglichung einer Kommunikation ohne Ortungsmöglichkeit zwischen den Terroristen. Die Pager dienten damit der Fortsetzung der Raketenangriffe.

      • @O.F.:

        Meine Angaben offenkundig nicht falsch. Sie bestreiten ja gar nicht, dass die Pager-Aktion die Hisbollah-Mitglieder traf; Sie bewerten die Aktion lediglich als rechtswidrig, weil Sie die Mitglieder der Terrororganisation Hisbollah in Zivilisten und - ja, was eigentlich?; Sie sagen es nicht - einteilen wollen. Und Kinder waren nicht das Ziel der Aktion.

        Demgegenüber terrorisiert die Hisbollah mit ihren Raketenangriffen ständig und absichtlich großflächig Zivilisten, und die Opfer dieser Angriffe sind neben Juden auch Araber, Muslime und Drusen, z. B. die 12 drusischen Kinder auf den Golan-Höhen, die beim Fußballspielen von einer Hisbollah-Rakete getötet wurden.

        • @Budzylein:

          Die Kategorie “Terrororganisation” spielt hier keine Rolle, es geht um die Unterscheidung von Zivilisten und Kombattanten. Die im Libanon legale Hisbollah besteht nicht nur aus einer Miliz, sondern ist auch eine politische und soziale Organisation. Die Mitarbeiter des zivilen Flügels sind rechtlich gesehen Zivilisten und stehen damit unter demselben Schutz wie jeder andere libanesische Zivilist. Der Pager-Anschlag hat z.B. auch Krankenhausmitarbeiter betroffen (Pager als Kommunikationsmittel in einem Krankenhaus sind nicht besonders überraschend). Wir können uns vielleicht darauf einigen, dass Ärzte und Krankenschwestern keine legitimen militärischen Ziele sind, egal welcher Partei sie angehören.

          • @O.F.:

            Das schreiben Sie jetzt zum x-ten Mal. Die Mitarbeiter des zivilen Flügels, die Hisbollah-Dienstgeräte, die nicht geortet werden sollen erhalten, damit sie bei militärischen Aktionen eingreifen, sind keine Zivilisten, sondern Kombattanten.

  • Hm. Wie will man ernsthaft noch glauben und behaupten, die Hisbollah sei an einer Verhandlungslösung interessiert?? Die hatten sie doch seit spätestens 2006, haben sich aber kein bisschen um die UN Resolution geschert, nach der sie von der Grenze zu Israel hätten weichen müssen… auch hat sie niemand gezwungen, aus angeblicher “Solidarität” seit einem Jahr Raketen auf Israel zu schiessen, oder? Und jetzt, wo es tatsächlich endlich massive Konsequenzen gibt, ist man auf einmal so interessiert an einer Verhandlungslösung? Aha. Ich halte so gut wie nichts von Bibi und seiner Koalition, aber finde die Darstellung hier doch etwas einseitig.

  • Das völkisch-nationalistische Netanjahu-Regime wird weiter auf Eskalation setzen. Netanjahus eigenes Schicksal hängt vom andauernden Kriegszustand hab. Gleichzeitig wollen er und seine noch extremeren Bundesgenossen ihren völkerrechtswidrigen Traum eines Groß-Israels vom Fluss bis zum Meer, inklusive Gebieten im Südlibanon, vorantreiben.



    Diese Verbrecher sind nur durch Druck zu stoppen. Israel muss sanktioniert und isoliert werden. Freiwillig passiert da gar nichts, wie der andauernd fortschreitende Raub palästinensischen Landes in der Westbank belegt.



    Diese Verbrecher werden ihre Beute nicht ohne Zwang hergeben. Wer das Völkerrecht achtet, muss das israelische Regime verachten und bestrafen.

  • "Die Hisbollah scheint zu Verhandlungslösungen bereit zu sein." - das lässt sich leicht ohne Beleg so schreiben, überrascht aber dennoch aufgrund der klaren Statements des Hisbollah, so lange weiter Israel zu beschießen, bis dieses in Gaza vor der Hamas kapituliert. Woher also kommt die Zuversicht?

    • @Niclas Grabowski:

      Der CNN Artikel hier nennt mehrere Quellen, die bestätigen, dass der ehemalige Anführer der Hisbollah Nasrallah einem 21-tägigen Waffenstillstand zugestimmt hat. Dieses Abkommen wurde von wichtigen westlichen und arabischen Akteuren mitgetragen.

      Wenig später wurde Nasrallah allerdings umgebracht.

      www.cnn.com/2024/1...l-latam/index.html

      • @Timothee Güsten:

        Mehrere Quellen sowie - ab der Mitte des Artikels - Dementierungen bzw. Unkenntnis pber die Zustimmung. Liest sich alles eher schwammig.

  • "Die Hisbollah scheint zu Verhandlungslösungen bereit zu sein. Es braucht daher umgehend neue, ernstgemeinte und am Völkerrecht orientierte diplomatische Anstrengungen für einen Waffenstillstand gerade westlicher Akteure..."



    Dann ist aber verwunderlich, dass die Bereitschaft zur Deeskalation an einigen Stellen nicht wahrgenommen werden konnte oder wollte.



    Stattdessen solche !"Fehlschläge":



    "In Libanon sind am Montag nach offiziellen Angaben durch einen Luftangriff Israels mindestens zehn Rettungskräfte getötet worden. Der Angriff habe nahe Bint Dschubail ein Gemeindegebäude getroffen, teilte das Gesundheitsministerium mit. Zum Zeitpunkt der Bombardierung sollen sich Feuerwehrleute in dem Gebäude befunden haben."



    Quelle srf.ch



    Die Idee von gezielten Maßnahmen mit chirurgischer Präzision wird ad absurdum geführt durch die Tötung von zivilen Helfern und auch immer wieder von Journalist:innen.



    Aus dem Libanon 2023:



    www.amnesty.de/lib...rus%20get%C3%B6tet.



    Die Vorzeichen eines Waffenstillstandes sind sehr ungewiss in diesen Zeiten.

    • @Martin Rees:

      Es ist sogar noch schlimmer:



      "Die Idee von gezielten Maßnahmen mit chirurgischer Präzision wird ad absurdum geführt durch die Tötung von zivilen Helfern und auch immer wieder von Journalist:innen."



      Eben nicht. Diese Tötungen können genauso gezielt gewesen sein, wie andere auch. Denn als unbeabsichtigter Fehler passiert es einfach zu oft. Niemand soll sich zu irgendeiner Zeit vor den Angriffen Israels sicher fühlen können. In keiner Funktion.

  • Guter Kommentar: objektiv, sachlich und zielführend.

  • Hisbollah Raketen töten also in 1 Jahr 2000 Libanesen. Die Erblindeten und Verstümmelten kommen dazu. Das ist sicher alles ganz rational. Frieden durch Eskalation.

    Im Übrigen geht es hier um die Golanhöhen an der libanesischen Grenze. Die wurden durch die UN den Palästinensern zugesprochen, dann aber von Israel annektiert und zersiedelt. Sie sind eine wichtige Wasserquelle. Dort schlagen die meisten der Hisbollah Raketen ein. Die Geschichte hat nicht erst am 7.10.2023 begonnen.

    • @Chris Burner:

      "Die wurden durch die UN den Palästinensern zugesprochen"

      Das klingt wie Fake News.

      Gib mir Belege.

      Fakt ist, dass ein Staat für das jüdische Volk durch die League of Nations, mit Stimmen aus allen Kontinenten legitimiert, im Britischen Mandat gegründet werden sollte.

      de.wikipedia.org/w...osmanische_Gebiete

      Die durch diese Mandate entstandenen Staaten sind Libanon, Syrien, Hatay, Jordanien, Irak. Ihre Grenzen haben sich in die Mandatsgebiete nach uti possidetis eingefügt. Forderst du ihre Abschaffung?

      Ich bin für eine diplomatische Lösung für Frieden, aber das bedeutet zu Revanchismus nein zu sagen. Geschichte hat nicht mit dem Massaker der Hamas und Gruppen aus Gaza begonnen, aber auch nicht 1948, aber Geschichte beinhaltet San Remo 1920, Hebron 1929, 1834 Safed, usw.