Tod des Hisbollah-Führers Nasrallah: Israel gewinnt Geheimdienstkrieg
Nasrallah ist für die Hisbollah unersetzbar und das iranische Regime blamiert. Die israelische Regierung pokert hoch, aber sie hat auch gute Karten.
D ie erschütterten Reaktionen könnten es nicht deutlicher machen: Für seine Anhänger war Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah der Kopf und das Herz der Hisbollah – mehr als drei Jahrzehnte lang. In kaum einem Lebensmittellädchen oder Frisiersalon im Süden Beiruts und des Libanon fehlte ein Foto des nun getöteten und international als Terroristen klassifizierten Schiiten. Er wurde im Südlibanon mit religiöser Inbrunst geliebt und hat den Personenkult selbst gefördert.
Der Tod des Hisbollah-Chefs ist deshalb durchaus kein Pyrrhussieg für Israel. Egal wie sehr die Hisbollah mit Raketenangriffen nun zeigen will, dass sie noch schlagkräftig ist – Nasrallah ist als charismatische Führungsfigur unersetzlich. Zwar ist er selbst auch als „Ersatzmann“ in die Führungsspitze der Hisbollah gelangt, doch seitdem sind 32 Jahre vergangen, in denen Nasrallah zur Hisbollah wurde und die Hisbollah zu Nasrallah. Mit ihm und vielen weiteren Kommandeuren hat die Schiitenmiliz nun nahezu ihre gesamte Führung verloren. Dem Mossad ist es zudem mit den explodierenden Pagern und Handfunkgeräten gelungen, die Kommunikationswege der Hisbollah zu zerstören. Die „Partei Gottes“ wird sich davon nur sehr langsam erholen – wenn überhaupt.
Man muss deshalb nicht der Darstellung der israelischen Regierung glauben, die behauptet, all das sei eine gezielte und bewusst terminierte „Kampagne“ gegen die Hisbollah. Jede israelische Regierung hätte die Chance genutzt, bei entsprechenden Geheimdienstinformationen Nasrallah zu töten. Der Mossad versucht seit den 1990er Jahren, ihn zu erwischen. Deshalb war er kaum noch persönlich aufgetreten.
Das Erstaunliche ist, dass es nun gelungen ist. Der Schlag gegen die Hisbollah zeigt, dass Israel den Krieg der Geheimdienste gewinnt. Die Schwächung der Schiitenmiliz sowie die jüngsten israelischen Angriffe auf iranische Ziele sind eine geheimdienstliche Blamage auch für das Mullah-Regime in Teheran. Keine andere Gruppierung im Nahen Osten steht der iranischen Führung auch nur annähernd so nah wie die Hisbollah. Denn neben dem Konterfei Nasrallahs hängt immer auch eines von ihm: Irans Oberhaupt Ali Chamanei.
Ohne Zweifel würde das iranische Regime gerne zurückschlagen, so wie es Israel generell vernichten will. Doch Iran steht vor einem extrem schwierigen Machtwechsel, da Chamenei Mitte 80 und gesundheitlich angeschlagen ist. Die wirtschaftliche und politische Lage ist enorm angespannt. Jederzeit könnte die Bevölkerung wieder auf den Barrikaden stehen.
Mag sein, dass Israel derzeit hoch pokert, aber es hat auch gute Karten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke