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Migrationsdebatte im BundestagSchneller, schärfer, härter

Im Bundestag übertrumpfen sich fast alle mit Anti-Migrationsrhetorik. Nur die Linkspartei kritisiert die Richtung grundsätzlich.

Janine Wissler von der Linkspartei spricht von einem „Wettbewerb der Schäbigkeit“ gegenüber Migranten Foto: Felix Zahn/imago

BERLIN taz | Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gibt am Mittwoch Morgen im Parlament den Ton vor. Die Sicherheitsgesetze der Ampel würden „Augenmaß und die notwendige Härte“ verbinden. Die Betonung liegt nicht auf Augenmaß.

Faeser zählt auf, was an repressiven Maßnahmen geplant ist: mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz, verschärftes Waffenrecht, so genannte Dublin-Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, bekommen keine Sozialleistungen mehr.

Außerdem gibt es seit drei Tagen Grenzkontrollen, so Faeser. Seit Oktober 2023 habe es 30.000 Zurückweisungen gegeben – von MigrantInnen, die kein Asyl beantragt haben. Im August 2024 gebe es, so Faeser, ein Drittel weniger Asylanträge als ein Jahr zuvor. Das bremst aber die Energie, Migration weiter zu reduzieren, keineswegs. Faeser verspricht, man werde künftig „verstärkt zurückweisen“ und „alles tun, was rechtlich möglich ist“.

Das ist der Dissens mit der Union: Die will auch Asylbewerber an der Grenze zurückweisen. Das halten Grüne und SPD europarechtlich für unmöglich.

„Wettbewerb der Schäbigkeit“

Das Wort „unmöglich“ hat in der deutschen Migrationsdebatte derzeit keine allzu lange Halbwertzeit. Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) der Union, hält Faeser vor, dass genau das, was in der Ampel lang als unmöglich galt, jetzt Ampel-Politik ist: Abschiebungen nach Afghanistan, Null Sozialleistungen für Dublin Flüchtlinge, umfassende Grenzkontrollen. „Sie tun das, was wir schon lange gefordert haben“, so Frei.

Das ist eine Art Refrain der Debatte. Die Union hält der Ampel vor zu tun, was sie schon lange forderte. Die AfD hält der Union vor, zu tun, was sie schon lange forderte. Bernd Baumann, PGF der AfD-Fraktion, verkündet, dass die Union die zentrale Forderung der AfD übernommen habe: Zurückweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze. „Wir haben Recht gehabt“, so Baumann in triumphalem Tonfall.

In diesem rhetorischem Überbietungswettbewerb ist die rechtsextreme AfD nur schwer zu schlagen. FDP-Justizminister Marco Buschmann ruft Baumann zwar hinterher, er schäme sich für dessen Rede, die AfD missbrauche das Thema Migration ja nur. Aber das klingt etwas pflichtschuldig.

Der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz bescheinigt der Union „politischen Wahnsinn“, weil Parteichef Friedrich Merz islamistischen Terror mit Migration verknüpfe. Das „Maulheldentum“ der Union helfe nichts, dafür um so mehr Geld für Staatsanwälte, Ausländerbehörden, Richter. Aber das ist vom Tonfall eine Ausnahme. In der Debatte regierte die Dramaturgie von schneller, schärfer, härter.

Interessant sind von der Seite der Ampel zwei Reden. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle kündigt an, im parlamentarischen Verfahren das verschärfte Waffenrecht und die neuen, opulenten Überwachungsmöglichkeiten in Frage zu stellen.

Der Grüne Andreas Audretsch fordert das Gleiche für die Streichung von jeder Unterstützung für Dublin-Flüchtlinge. Das ist ein vernünftiger Einwand. Denn völlig verarmte MigrantInnen, die womöglich kriminell werden, können kein Ziel von Asylpolitik sein. Dass es den Grünen gelingt, diesen zentral Punkt zu kippen, ist indes unwahrscheinlich. FDP-Minister Marco Buschmann lobt genau diese Maßnahme als Mittel, um endlich „die magnetische Wirkung unseres Sozialstaates“ auf MigrantInnen zu beenden.

Allein Janine Wissler erhebt grundlegenden Einspruch. Die Linksparteipolitikerin kritisiert, dass „der feuchte Traum der AfD Regierungshandeln geworden ist“. Alle würden mehr Abschiebung wollen, „während im Mittelmeer Menschen ertrinken“. Die Mitte-Parteien glauben die AfD zu bekämpfen, indem sie deren Forderung übernehmen. Diesen „Wettbewerb der Schäbigkeit“ werde SPD-Innenminister Faeser verlieren. Denn egal was sie tue, es werde „den Rechten nie reichen“.

Die Aussichten der Linkspartei, dem nächsten Bundestag anzugehören, sind derzeit übersichtlich. Die Vorstellung, dass dann im Parlament grundlegende Kritik an solchen Verschärfungsrhetoriken fehlen wird, hat etwas Beklemmendes.

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