piwik no script img

Habecks AutogipfelTransformation verschlafen

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Die Autoindustrie braucht keine Rolle rückwärts. Im Gegenteil, es muss bei E-Autos mehr Tempo gemacht werden.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), gibt eine Pressekonferenz nach dem „Autogipfel“ am 23.9.2024 Foto: Kay Nietfeld/dpa

M ercedes-Chef Ola Källenius hat den Schuss wohl nicht gehört. Anders ist es nicht zu erklären, warum er ausgerechnet mit der Forderung nach einem Aufweichen der EU-Klimavorgaben in den von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) organisierten Autogipfel ging. Mit Sätzen wie „Die Schätzungen der EU-Kommission waren zu optimistisch“ und „Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren“, versucht sich der Manager jetzt vor Strafzahlungen zu drücken, die wegen seiner schlechten Klimabilanz drohen.

Als ob die Politik nur die Uhr rückwärts drehen müsse und schon sei die Krise der Automobilindustrie gelöst. In dasselbe Horn bläst schon länger der frisch designierte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Wahr wird diese These trotzdem nicht. Im Gegenteil. Die deutsche Automobilindustrie ist nicht in der Krise, weil die Transformation zu schnell geht, sondern weil sie stockt und viel zu lange verschlafen wurde.

Das müsste eigentlich auch Mercedes-Chef Källenius wissen. Er musste erst kürzlich seine Gewinnprognose senken. Und zwar nicht wegen der schwachen Nachfrage in Deutschland oder Europa, sondern in China. Denn das Land ist der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Autobauer. Volkswagen zum Beispiel verkauft rund jedes dritte Auto in China – noch.

Denn das Land setzt massiv auf Elektromobilität. Und in diesem Bereich ist die chinesische Konkurrenz mittlerweile meilenweit voraus; insbesondere bei der Batterie ist der Vorsprung groß. So konnte der chinesische Branchenprimus BYD seinen Absatz innerhalb eines Jahres auf gut drei Millionen E-Fahrzeuge fast verdoppeln. Das sind mehr als doppelt so viele Elektroautos, wie im vergangenen Jahr in Deutschland gebaut wurden.

Soll den Autobauern also im Sinne der Arbeitsplatzsicherung geholfen werden, dann muss die Politik ihnen bei der Transformation unter die Arme greifen. Ein vorübergehender Indus­trie­strom­preis oder die Förderung der Batterieproduktion wären vernünftige Ansätze. Niedrigere Klimaschutzvorgaben hingegen sind kontraproduktiv. Das würde die Krise vielleicht kurzfristig lindern, sie aber langfristig dafür umso schlimmer machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • Wie so häufig führen schwarz/weiss-Lösungen nicht zum Ziel. Auf dem weltweiten Automobilmarkt bezogen heißt das, das verschiedene Antriebstechnologien im Portfolio der Hersteller sein sollten. Toyota, von vielen verlacht wegen dieser Strategie, ist weltweit hoch profitabel. "Kundenorientierung" heißt nichts anderes als sich auf die Gegebenheiten und Bedürfnisse des jeweiligen Absatzmarktes einzustellen.

    In Deutschland ist der Gesamt-Aufwand (Zeit + Geld) für E-Mobilnutzung für den Einzelnen noch viel zu hoch. Stichworte: Anschaffungskosten, Wertverlust, Ladeinfrastruktur etc.. Bei den Kosten könnte die Politik helfen. Der Knackpunkt ist aber die fehlende Infrastruktur, die erst in Deutschland bekanntlich "unendlich" lange aufgebaut werden müsste. Und noch sind Batterien für lange Reichweiten nicht verfügbar. Ausserdem ist die Politik unberechenbar.

    Fazit für die Autobauer: technologisch mehrgleisig fahren und sich auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Autofahrer einstellen. Das ist "Kundenorientierung".

  • Die deutsche Autoindustrie hat die letzten Jahre schon nur noch wegen der Umsätze in China gut ausgesehen. In Europa und in Deutschland sieht es schon lange mau aus. Jetzt, wo China seine Autos selbst baut (Überraschung!!!), kacken VW & Co. ab. Nicht, dass seit Jahren davor gewarnt würde…

    • @Nordischbynature:

      China wird langfristig wohl die Wirtschaftsmacht Nr. 1 werden. Basis dafür sind z.B. ihre Technologieoffenheit und der riesengroße Binnenmarkt.

      Das ist die wirkliche Herausforderung für westliche Unternehmen, auch für unsere Autobauer.

  • Wer es noch nicht mitbekommen hat: Die Welt ist mitten in einem technologischem Umbruch. Raus aus der fossilen Energie in die elektrische Energie. Alles wird elektrisch werden! Warum? Weil es mindestens 3x so effektiv ist, als die Verbrennertechnologie. Die Welt um uns hat das kapiert, aber D klammert sich lieber an Hirngespinste wie eFuels.

    • @aka99:

      Die Welt ist ziemlich groß;-) Es geht nicht ums "Kapieren", sondern um die Möglichkeiten der praktischen Umsetzbarkeit. Für jedes Land!

      Bis sich Technologien weltweit durchgesetzt haben, dauert es noch sehr lange.

    • @aka99:

      Weil Deutschland sich auch an dem Hirngespinst versucht die komplette Energiegewinnung auf erneuerbare Energien zu transformieren.



      Dafür braucht es eine Reduktion des Energieverbrauchs.



      Problem allerdings, dass der Umbruch die benötigte Energie in die Höhe schießen lässt.

      Technologiewende und Energiewende gehen halt einfach nicht zusammen. Hier muss man sich für eine Wende entscheiden und dann in den sauren Apfel beißen.

    • @aka99:

      Soso, die Welt um uns hat das kapiert? Vielleicht schauen Sie sich diese Welt mal an. Mir Ausnahme einiger weniger, eher kleinerer Länder ohne relevante Industrie ist von diesem angeblichen Umbruch kaum etwas zu spüren. Außer, dass weiter AKWs gebaut werden, um die Stromversorgung zu sichern.

  • Batteriehersteller (North Volt, Varta) die voll auf die E-Mobilität gesetzt haben: in der Krise.

    Europäische Automobilindustrie in der Krise.

    Könnte es auch an den Vorschriften liegen, welche die Politik gemacht hat?

    Nein, ganz bestimmt nicht. Das ist und war alles super. Das muss sogar noch verschärft werden.

    • @EIN MANN:

      Hier stehen sich die Deutschen selbst im Weg. Mit einem Herrn Porsche, Benz, Daimler, Otto, Diesel .... in der Geschichte haben wir es wahrscheinlich besonders schwer, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen.

    • @EIN MANN:

      Die zögerliche Umstellung und dauermufflige Kunden sind das Problem.

      Die Vorschriften kommen ja nicht aus dem Nichts: Klimawandel? Produktion in China? Sie meinen, kann man ja alles ausblenden und einfach die Vorschriften entschärfen, dann kommt das ja nicht?

  • Die Fertigung von E-Autos, wie von vielen anderen Produkten, ist in China günstiger, weil fast alle Komponenten aus China sind, wie Batterie, Elektronik oder Stahl, oder sehr günstig eingeführt werden können, wie Energie aus Russland.

    Deutschland hat keinen Zugang zu günstiger Energie mehr, das betrifft nicht nur die Fertigung, sondern alle Produkte und die Arbeitslöhne, mit denen die höheren Energiekosten kompensiert werden müssen.



    Eine kWh (Haushalt) in China 0,08 $, D 0,4 $.



    Andere Komponenten müssen zugekauft werden, auch aus China.

    Wenn ein Produkt nur durch Dauersubvention in größerem Maß verkauft werden kann, ist es nicht marktfähig. Ist das so schwer zu verstehen?

    Wenn das in Deutschland nicht funktioniert, wie soll es dann in Ländern wie Polen, Spanien, Frankreich, oder Italien funktionieren?

    Bürgergeld einfrieren, Deutschlandticket erhöhen, aber Subventionen für E-SUV?

    • @Octarine:

      Komischerweise funktioniert das in anderen Ländern absolut besser.



      Quizfrage: In welchem Land fahren mittlerweile mehr eAutos als Verbrenner?



      NORWEGEN!!!



      Obwohl der Deutsche überzeugt ist, dass ein eAuto im Winter gar nicht fahren kann.

      • @aka99:

        Ein Ausnahme-Beispiel von wie vielen Ländern auf der Welt?

        Wer sich die Verhältnisse in Norwegen genauer anschaut, weiss sehr schnell, warum sich diese nicht auf andere Länder übertragen lassen (z.B. Lade-Infrastruktur).

      • @aka99:

        Norway imposes hefty vehicle import duties and car registration taxes, making cars significantly more expensive than in most other countries. By waiving these duties for electric vehicles, Norway is effectively subsidizing EV purchases at a level that other countries couldn’t afford. Add free parking to the mix and going electric suddenly looks like a tempting proposition.



        www.weforum.org/ag...-energy-transport/

        Es sollte ihnen auch aufgefallen sein, dass die Hälfte der Norweger in den 10 größten Städten lebt. Da sollten die Straßen geräumt sein und Garagen vorhanden sein.

    • @Octarine:

      FDP-Fan? "Der Markt regelt alles"?

      Sie haben leider nicht verstanden, dass der Zug schon längst fährt. Wir können noch entscheiden, ob wir aufspringen oder abgehängt werden.

      Der Markt ist dumm, träge und konservativ.



      Das Problem ist nicht das Produkt, sondern der Kunde.

      Dass die Teile grösstenteils aus China kommen war ja eben der Management-Fehler schlechthin. Trotzdem: wenn die billiger sind als hier produzierte Teile nutzt es uns ja trotzdem.

      "Deutschland hat keinen Zugang zu günstiger Energie" - was für ein Quatsch. Haben Sie Zahlen, wie hoch der Energie-Kosten-Anteil ist bei einem BEV im Vergleich zum Fossilen? Wenn die Batterien zugekauft werden?

      • @Mitch Miller:

        Wenn sie VWL Kenntnisse haben, sehen sie die Dinge etwas anders.

        Deshalb kann ich auch an der FDP nichts Gutes finden, die haben auch keine Ahnung, von BWL oder VWL.

  • Die E-Autos aus China sind konkurenzlos billig, deutsche Autobauer können diesen staatlich subventionierten Preiskampf nicht gewinnen.

    Die deutsche Industrie (wie auch andere europäische Hersteller) bietet inzwischen diverse E-Modelle an, die aber kaum verkauft werden. Auch bei Tesla sind die Verkäufe zurückgegangen. Un der E-Up von VW wurde vom Markt genommen, weil jedes verkaufte Auto zusätzliche Verluste produzierte.

    Vielen ging ja die Umstellung auf E-Autos nicht schnell genug, von "Entwicklung verschlafen" etc. war die Rede. Rückblickend muss man aber sagen, dass die Hersteller gut daran getan haben, nicht noch mehr E-Modelle zu entwickeln oder gar komplett umzustellen, einige wären dann wohl schon jetzt pleite.

    In dieser Situation die Autobauer mit Strafzahlungen zu belegen, ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv und auch nicht gerecht. Das Kaufverhalten des Markts und die politischen Rahmenbedingungen können die Hersteller bestenfalls mittelbar beeinflussen.

  • Die Dinger sind leider extrem teuer bei sehr eingeschränktem Nutzwert. Für unseren Hochdachkombi haben wir vor 10 Jahren 16T Euro bezahlt. Der Verbrenner kostet heute 24T Euro. Inflation und Teuerung halt. Aber der BEV 40T Euro und hat eine so winzige Batterie, dass damit Fernreisen unsinnig werden.

  • Fürwahr...

  • Wir haben doch auch Europas größte Dampflokwerkstatt (in Meiningen). Das passt doch.

    Nicht, dass ich etwas gegen Dampfloks hätte (ganz im Gegenteil!) aber die sind Geschichte - ebenso wie das Verbrennerauto.



    Aber im Gegensatz zur Dampflok, zu der es technisch über viele Jahrzehnte keine Alternative gab, gab es das beim Verbrennerauto von Anfang an.



    Denn das E-Auto war eher da - aber die Ölbarone waren noch eher.

    Und so päppeln und pampern wir trotz des technologischen Wandels diese alte Technik bis an deren völlig abgemargerter Leiche nicht mehr ein Fitzelchen Fleisch übrig ist.

    Aber Habeck ist Geschichte - so wie der Verbrenner.



    Beide schnaufen zwar noch die Chausseen entlang aber das Ende ist abzusehen.

    • @Bolzkopf:

      Ich wär mir da nicht sicher. Mit AfD, BSW, CDU gibts erstmal ne Rolle rückwärts. Das böse Erwachen kommt aber umso heftiger.

  • "Ein vorübergehender Indus­trie­strom­preis oder die Förderung der Batterieproduktion wären vernünftige Ansätze."



    Aber bitte als Rückzahlungsmodell. Denn wenn die deutschen Autoingenieure den Wettlauf mit den Chinesen uns Asiaten doch noch gewinnen, sprudelt der Euro wieder reichlich. Dann sollten die Unterstützen Ihr "autobafög" auch wieder zurückzahlen müssen. Andernfalls zahlt der Bürger nicht nur über die Steuern sein zukünftiges Elektrofahrzeug, sondern auch noch über den eigentlichen Kaufpreis zusätzlich. Dann gäbe es wieder kein günstigeres Modell, nur das Verkaufskonzept würde günstig aussehen und by the way den Automanagern den "Kopf" und den Aktionären die Dividende retten.

    • @Sonnenhaus:

      Du glaubst echt, die alte deutsche Verbrennertechnologie könnte sich irgendwann gegen die (chin) e-Mobilität durchsetzen???



      OH, MANN. :-((

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Solange Elektroautos ab 40.000€ kosten, bringt das alles nix. Über 150km Reichweite + halbe Tage laden Stromer wie den Spring ab 17.000 braucht man gar nicht reden.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Den Spring gibt es ab 13000€, er fährt 250 km Innerorts und lädt über Nacht an einer ganz normalen Steckdose, oder 45 min CCS. Kosten pro km nur 1/3, Keine Steuer, kaum Reparaturen etc. etc. Als Stadtauto perfekt. So What. Und nein, man kann mit ihm kein Wohnmobil ziehen.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Seit 2016 bin ich elektrisch unterwegs, inzwischen mit dem 2 Kleinwagen. Keines hat 40.000 € oder gar mehr gekostet, die Hälfte passt eher. Aktuell beträgt bei einer 52 KW Batterie die Reichweite 378 km.

      Wer allerdings immer noch meint, ausschliesslich batteriebetriebene schwere SUV-Panzer bewegen zu müssen soll auch gern dafür bezahlen...

  • Man kann sich vieles wünschen. Man kann natürlich auch die Autokonzerne für vieles kritisieren.

    Allerdings gibt es da ein paar Nebenbedingungen an staatliches Handeln.

    Und eine ziemlich wesentliche davon ist die Wirtschaftskraft. Und da geht es nicht bloß um Arbeitsplätze:



    Jede Subvention - darum geht es hier - muss erst einmal erwirtschaftet werden.

    Wo wird in Deutschland etwas erwirtschaftet, wenn die Autobauer und -zulieferer abbauen, wenn die Chemie und Maschinenbau abwandert, weil die Energiepreise zu hoch sind?

    Dann bleibt einfach zu wenig Substanz übrig.



    Ex-Staatsekretär Graichen als "Mastermind" hinter der grünen Klimapolitik hat die Abwanderung explizit so benannt und in Kauf genommen.

    Mit anderen Worten: Die Transformationspolitik war zu optimistisch, zu schnell, zu eng und an manchen Stellen auch undurchdacht. Sie wird sich auch nicht durchsetzen lassen, denn die Wählerinnen und Wähler werden nicht für ihren unmittelbaren Wohlstandsverlust stimmen.