Krieg im Gazastreifen: Das Zittern um die Geiseln

Die Hamas-Führung droht implizit damit, Geiseln bei Näherrücken des Militärs zu töten. Das facht die Proteste gegen Netanjahus Regierung weiter an.

Der Protest gegen die Regierung wächst Foto: Ilia Yefimovich/dpa

London/Berlin taz | Was Abu Obeida, Sprecher des militanten Flügels der Hamas, am späten Montag sagt, bestätigt eine der wohl größten Sorgen vieler Israelis in Bezug auf die noch immer etwa einhundert im Gazastreifen verbliebenen Geiseln. Nach der Rettung von vier Geiseln im Juni habe man den Bewachern der Geiseln neue Anweisungen erteilt für den Fall, dass sich israelische Soldaten dem Ort, an dem diese festgehalten werden, nähern.

Die genaue Natur der Anweisungen führte er nicht aus – doch die Botschaft scheint klar. „Netanjahus Beharren darauf, die Gefangenen durch militärischen Druck zu befreien, anstatt eine Einigung zu erzielen“, erklärte Abu Obeida, „bedeutet, dass sie in Leichentüchern zu ihren Familien zurückgebracht werden.“

Als Israels Militär am Wochenende sechs getötete Geiseln aus Südgaza barg, wurde schnell bekannt gegeben: Militante erschossen die sechs Geiseln wohl recht kurz vor dem Eintreffen der israelischen Soldaten. Seit dem Fund der sechs Leichen flammen in Israel die Proteste gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Gaza- und Geiselpolitik neu auf. Ein Generalstreik musste am Montag frühzeitig beendet werden, doch die Angehörigen der Geiseln kündigten weitere Proteste an.

Einlenken wollte Netanjahu am Montagabend jedoch nicht und erklärte, es sei eine „strategische Notwendigkeit“, dass israelische Truppen den Philadelphi-Korridor an der Grenze des Gazastreifens und Ägyptens weiter kontrollierten. Diese Bedingung gilt als derzeit wohl größte Differenz zwischen Israel und der Hamas und damit als größtes Hindernis in Verhandlungen rund um einen Deal.

UK entzieht einige Waffenexportlizenzen

Derweil tut sich für Israel auf internationaler Ebene ein neuer Konflikt auf: Der britische Außenminister David Lammy erklärte am Montag im Unterhaus, dass 30 von 350 Waffenexportlizenzen Großbritanniens an Israel entzogen würden. Es bestehe ein „deutliches Risiko“, dass die exportierten Waffen bei Verletzungen des Völkerrechts eingesetzt werden könnten.

Hamas-Sprecher Abu Obeida über die Geiseln

„In Leichentüchern zu ihren Familien zurück“

Lammy hatte nach seinem Amtsantritt eine interne Untersuchung eingeleitet, welche die Legalität von Exporten nach Israel überprüfen sollte. Bereits die Vorgängerregierung hatte die rechtliche Lage der Waffenexporte nach Israel untersuchen lassen. Damals wurden sie jedoch weiter zugelassen.

Militärstrategisch dürfte die Entscheidung für Israel wenig ins Gewicht fallen: Nur 0,02 Prozent aller nach Israel gelieferten Waffenexporte kommen überhaupt aus dem Vereinigten Königreich. Die Entscheidung der britischen Regierung wird deshalb vor allem als symbolisch eingestuft.

Kritik aus Israel und von jüdischen Organisationen

Netanjahu bezeichnete die Ankündigung sogleich als „beschämend“. Man werde den Krieg gegen die Hamas mit oder ohne britische Unterstützung gewinnen, betonte er. Die „missgeleitete Entscheidung“ Londons würde die Hamas „nur ermutigen“.

Verurteilungen kamen in Großbritannien auch vonseiten des britischen Oberrabbiners Sir Ephraim Mervis und des Vorsitzenden des Dachverbands „Board of Deputies of British Jews“, Phil Rosenberg. Während Kritik auch aus konservativen Kreisen laut wurde, begrüßten viele Labourabgeordnete aus dem linken Flügel sowie die Grünen die Maßnahmen – sagten aber gleich, sie gingen nicht weit genug.

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