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Wohnungsnot in DeutschlandKaum noch Baugenehmigungen

Selbst ein WG-Zimmer kostet in Deutschland im Schnitt mittlerweile 489 Euro im Monat. Derweil gerät die Bauwirtschaft immer tiefer in die Krise.

Es wird gebaut, aber zu wenig, zu teuer und nicht dort, wo es drauf ankommt Foto: Thomas Trutschel/imago

Berlin taz | Während Mietwohnungen immer knapper und teurer werden, gerät die Bauwirtschaft immer stärker in die Krise. Im Juli brach die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 19,2 Prozent ein, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekanntgab. Damit wurde in dem Sommermonat der Bau von nur noch 17.000 Wohnungen genehmigt. Zwei Jahre zuvor hatte die Zahl der Genehmigungen noch bei über 30.0000 Wohnungen gelegen.

„Der Boden ist damit immer noch nicht erreicht und zaghafte Stabilisierungszeichen aus den Vormonaten haben sich als trügerisch erwiesen“, kommentierte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, diese Entwicklung. Das aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspreche nur rund 200.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr. „Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen in Deutschland entstehen sollen, liegt nun für diese Legislaturperiode in unerreichbarer Ferne.“

Derzeit arbeiten noch rund 2,6 Millionen Beschäftigte im Baugewerbe. Lange Zeit ging es der Branche aufgrund niedriger Zinsen relativ gut. Als das Bruttoinlandsprodukt wegen der Coronakrise 2020 um 4,1 Prozent einbrach, legte die Bauwirtschaft noch um 4,0 zu. Die Wende kam mit steigenden Kosten und vor allem steigenden Zinsen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) bekämpfte den dadurch ausgelösten Anstieg der Inflation mit höheren Zinsen. Dies verteuerte Kredite, was sich wiederum negativ auf Immobilienpreise und Bauwirtschaft auswirkte.

Zwar hat die EZB die Zinsen zwischenzeitlich wieder leicht gesenkt. Doch ist sie laut Dullien dabei zu zögerlich. „Die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite hatten sich zeitweise von rund einem Prozent fast vervierfacht und liegen heute immer noch mehr als dreimal so hoch wie zum Tiefpunkt“, erklärt der Experte. „Die Wohnungsnot in den deutschen Ballungsgebieten wird damit absehbar anhalten.“

489 Euro für ein WG-Zimmer

Wie groß die Wohnungsnot derzeit ist, dürften im bald beginnenden neuen Semester auch viele Studierende merken. Mittlerweile kostet ein WG-Zimmer an einem deutschen Hochschulstandort im Schnitt 489 Euro pro Monat. Die Zimmer sind damit im Schnitt um 17 Euro teurer als im Wintersemester 2023/24, wie eine aktuelle Studie zeigt, die das Moses-Mendelssohn-Institut in Kooperation mit der Onlineplattform wg-gesucht.de erstellte. Vor dem Wintersemester 2013/2014 hat ein WG-Zimmer im Schnitt noch 324 Euro gekostet.

Für ihre Analyse werteten die Forschenden mehr als 9.000 Angebote für WG-Zimmer aus. Besonders viel müssen demnach Studierende in München berappen. In der bayerischen Landeshauptstadt kostet ein WG-Zimmer im Mittel 790 Euro im Monat. Das sind 40 Euro mehr als ein Jahr zuvor. Zweitteuerste Stadt ist Frankfurt am Main mit 680 Euro. Nummer drei ist Berlin. Hier bleibt die Miete mit 650 Euro konstant hoch.

Eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt wird es unterdessen so bald nicht geben. Laut Ökonom Dullien ist sie frühestens im späteren Jahresverlauf 2025 zu erwarten, „wenn die EZB die Zinsen spürbar gesenkt hat und sich diese Zinssenkungen auch auf die Baunachfrage durchschlagen“.

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12 Kommentare

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  • Der angebliche "Wohnungsmangel" ist von der Bauwirtschaft herbeigeredet. Dabei gibt es Leerstand ohne Ende. nur nicht gerade im hippen Szeneviertel. Auch wird am tatsächlichen Bedarf vorbei gebaut. Wir brauchen kleine Wohnungen für Studierende, Singles und Seniorinnen und WG-Taugliche Wohnungen. Gebaut werden Einfamilienhäuser und Wohnungen im Luxussegment, die sich dann nur eine Minderheit leisten kann.



    Fährt man von Köln aus rheinaufwärts, sieht man die Touristen-Schauseite und in 2. Reihe Leerstand ohne Ende, bei bester Anbindung nach Köln, Bonn und Koblenz. Es wäre Aufgabe der Kommunen den Leeerstand zu sichten und zu verwalten.

    • @Birgit Bossbach:

      Ganz so einfach ist das leider nicht...



      Einfamilienhäuser werden kaum noch gebaut, und wenn, dann wollen die Bauherren selber darin wohnen und nicht vermieten.



      Größere Bauprojeke sind einfach teuer, es gibt mehr Auflagen, damit der Billigkram nicht verbaut wird, Wärmepumpen kosten eben mehr als eine GZH usw., das hat noch nichts mit Luxus zu tun. Denn 5000€/m2 ist für einen Neubau recht normal und da sind keine goldenen Wasserhähne und Schwimmbad dabei.



      Wenn ich nun als Bauträger vor 4 Jahren ein 15 Parteien Neubau geplant habe und das inzwischen fertig ist: es sind in dieser Zeit die Kosten gestiegen (Inflation, Auslaufen diverser Förderungen) und gleichzeitig sind auch die Zinsen gestiegen. Die Folge davon: die Wohnungen können sich wegen des hohen Kaufpreises und der erschwerten Finanzierungen imemr weniger Leute leisten. Wenn jetzt der Bauherr die Wohnungn nicht verkaufen kann, entsteht Leerstand. Bauherren wollen aber nicht vermieten, sondern neu bauen.

      Ganz sicher wollen sie aber nicht mit Verlust verkaufen, dann doch lieber leer stehen lassen und drauf hoffen es zu einem den Baukosten adäquaten Preis loszuwerden.

  • Frau Geywitz hätte zumindest die Bauordnungen anpassen können und die Anzahl an Regulierungen und Gesetzen hinsichtlich Bauen halbieren können.



    Geredet hat sie ja oft genug davon.



    Gerne würde ich von ihr nun mal hören welche Regulierung sie in diesen drei Jahren nun konkret abgeschafft hat.

    Für zusätzliche Regelungen hat sie auf jeden Fall gesorgt oder zumindest nicht verhindert, dass diese beschlossen wurden.



    Anbei nur ein paar Beispiele:

    >> In mehreren Bundesländern gilt seit 2022 eine Solarpflicht für Neubauten.

    >> Neu installierte Schornsteine müssen seit 2022 den höchsten Punkt des Daches um mindestens 40 cm überragen, um die Abgasabfuhr zu verbessern

    >> Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024: Seit 2024 müssen neu installierte Heizungen mindestens zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Öl-, Kohle- und Gasheizungen dürfen nicht mehr ohne Weiteres eingebaut werden.

    Zu guter Letzt wurde Ende 2022 das Baukindergeld abgeschafft

  • Seit Jahrzehnten kommt nur ein "Wir schaffen das!" Nur wie soll man etwas schaffen, wenn man tut nichts machen!?

    Die Probleme sind vielfältig: Profitgier, Flüchtlingsmassen, illegale Zuwanderung und Tatenlosigkeit der Politiker seit Jahrzehnten.

  • Die kriegsbedingte Inflation wurde und wird mit untauglichen Mitteln bekämpft (als ob es sich um eine klassische Inflation handeln würde). Die EZB trifft daher aktuell die Hauptschuld. Strukturell sieht es anders aus: Der Wohnungsmarkt ist in viel zu großem Ausmaß privaten Gewinninteressen unterworfen. Dass Wohnungen zur Kapitalanlage für skrupellose Hedgefonds (Gruß an den Unionskanzlerkandidaten und passionierten Verbreiter von Unwahrheiten) wurden, hatte wiederum mit den Niedrigzinsen zu tun. Was ich sagen will: Niedrigzinsen sind wünschenswert, aber nur, wenn sie von einer durchgreifenden Regulierung begleitet werden.

  • 324€ auf 489€ in 10 Jahren sind pro Jahr 4,2% in einer Zeit in der die Inflation recht hoch war. Bedeutet WG Zimmer sind nicht wirklich teurer geworden…

    Es ist übrigens zur Zeit kaum möglich Handwerker zu finden. Weder privat noch beruflich. Die suchen sich die einfachen Aufträge raus derzeit. Frag mich wie man da bauen will?

    • @Wombat:

      www.finanz-tools.d...sraten-deutschland



      Der Durchschnitt für 2013-2023 beträgt 2,9% - da liegen die 4,2% deutlich darüber.

      Und - wie sie selber festgestellt haben - es fehlen die Arbeitskräfte. Es wird noch schlimmer werden, bevor es wieder besser werden kann.

      nicht genug Handwerker



      nicht genug Fahrlehrer



      nicht genug Lehrer



      nicht genug Busfahrer



      nicht genug KitaPersonal



      nicht genug Verkäufen



      nicht genug ....

      An jedem LKW steht neben der Firmenwerbung wir suchen Leute.



      An jedem Fimengelände steht wir suchen Leute.



      Von jedem Bekanntem höre ich, wir finden keine tauglichen Leute.

      Wie soll es also besser werden?

    • @Wombat:

      Ich wohne in einer 200.000 Einwohner-Stadt und meine Kaltmiete hat sich in 10 Jahren nahezu verdoppelt. Ähnlich sieht es mit WG-Zimmern aus: damals 120-250€, heute gibts nichts mehr unter 250€ und es geht oft in Richtung 500€ und mehr - sofern man überhaupt noch ein Zimmer oder Wohnung findet. Vielleicht haben wir da zu Städten wie Berlin & Co. "aufgeschlossen". In meinem Bekanntenkreis geht jedenfalls vom Gehalt anteilig deutlich mehr für die Miete drauf als vor 10 Jahren: waren es damals 20-25%, sind es heute eher 30-40%. Und Sozialwohnungen waren schon damals nicht leicht zu bekommen, heute ist das gefühlt ein 6er im Lotto.

    • @Wombat:

      Versuchen sie mal im Innenstadtbereich einen Handwerker zu finden.



      Die sagen ihnen glatt: Da kann ich ja nirgendwo den Montagewagen parken ...

      Aber das sagt er ihnen natürlich nur hinter vorgehaltener Hand ...

  • Wie sollte auch eine Trendwende kommen, wenn der Staat nach wie vor keine Sozialwohnungen baut und die Landesbauordnungen viel zu vollgemüllt sind?

  • Totales Staatsversagen. Komplett. Und mit voller Absicht !

    Angefangen mit den unerträglich hohen Grunderwerbssteuern (im Gegensatz zu geradezu mikrigen Gewerbesteuern) über Notargebühren die wirklich für eine "Nichtleistung" fällig werden bis hin zu von Korrution geradezu durchfaulten Genehmigungsprozessen.

    Glauben sie mir: Wollte man das Problem lösen wäre es längst gelöst !!!!

    Wie schnell Lösungen da sind sieht man am Leinenzwang und an den Ausnahmeregelungen für die E-Roller-Pest.

    Da wollten die Damen und Herren Politiker mal zeigen was sie drauf haben.



    Und schwupps ist das Gesetz geändert.

    • @Bolzkopf:

      Ganz genau. Wenn sie wollten, wäre das Problem längst vom Tisch. Alle anderslautenden Äußerungen hierzu sind somit blanker Hohn.