piwik no script img

Beraterin über gerechte Verkehrsplanung„Frauen fahren weniger Auto“

Gendergerechte Verkehrsplanung bedeutet, die Bedürfnisse aller Beteiligten in den Blick zu nehmen. Juliane Krause hilft Kommunen, das umzusetzen.

Wenn nicht mehr aller Platz dem Auto gehört: Fahrradstraße im Berliner Bergmannkiez Foto: dpa | Sebastian Gollnow
Alina Götz
Interview von Alina Götz

taz: Frau Krause, was hat Mobilität mit Geschlecht zu tun?

Juliane Krause: Die Wahl des Verkehrsmittels ist abhängig vom Geschlecht. Das zeigen bundesweite Erhebungen. Frauen gehen mehr zu Fuß, nutzen mehr die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und fahren weniger Auto, sind dafür öfter Beifahrerinnen. Mit dem Rad sind sie ungefähr gleich unterwegs.

taz: Warum ist das so?

Krause: Männer besitzen im Schnitt häufiger ein Auto als Frauen. Der Anteil der Pkw-Halterinnen beträgt circa 33 Prozent. Das hat mit dem Einkommen zu tun, das bei Männern in der Regel höher ist. Alleinerziehende – das sind immer noch mehr Frauen als Männer – können sich nicht unbedingt ein Auto leisten. Weil Frauen immer noch viel Haus- und Familienarbeit übernehmen, sind ihre Wege häufig komplexer.

taz: Was meinen Sie damit?

Marek Kruszewski
Im Interview: Juliane Krause

70, ist Bauingenieurin, Inhaberin von plan & rat, einem Büro für kommunale Planung und Beratung in Braunschweig.

Krause: Die sogenannten komplexen Wegeketten haben Menschen, die neben der Erwerbstätigkeit auch noch Haus- und Familienarbeit machen. Einfache Wege sind: von zu Hause zur Arbeit, danach eventuell noch Einkaufen oder zum Sport, zurück nach Hause. Komplexer wird es, wenn zwischen zu Hause und Arbeit Kind eins in die Kita und Kind zwei in die Schule gebracht werden müssen, das Einkaufen in der Mittagspause passieren muss und nach der Arbeit die Kinder wieder eingesammelt werden. Die Wege in der Freizeit sind bei Männern und Frauen etwa gleich. Die Wege, die wir als Care-Wege bezeichnen, haben eben vermehrt Frauen. Dafür müssen die Verkehrssysteme ausgerichtet sein.

taz: Geschlechtergerechtigkeit muss also ein Kriterium in der Verkehrspolitik sein?

Krause: Es geht nicht nur um die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen, sondern auch von anderen Gruppen wie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder Behinderungen, Kinder und Jugendliche. Eben Gruppen, die nicht unbedingt über einen eigenen Pkw verfügen. Deren Mobilität zu sichern, muss Prinzip bei der Planung sein.

taz: Ist das schon so?

Krause: Es ist nicht die höchste Priorität. Aber es dreht sich langsam. Denn auch die Pläne zum Klimaschutz im Verkehr stärken ja Rad-, Fußverkehr und ÖPNV. Das kommt diesen Gruppen zugute.

taz: Wo hakt es noch?

Krause: In den entscheidenden Positionen sitzen Leute, die diese einfachen Wegeketten haben; Männer zwischen 40 und 60, die mit dem Auto zur Arbeit und zurück fahren. Die machen eher autozentrierte Planung. Männer haben manchmal ein Aha-Erlebnis, wenn sie den Kinderwagen schieben und merken, dass der Bordstein nicht abgesenkt oder die Ampelphase zu kurz ist.

taz: Die Studie, die Sie in Bremerhaven vorstellen, thematisiert auch das Sicherheitsgefühl von Frauen im öffentlichen Raum.

Vortrag und Diskussion

Gleichstellung und Verkehr – Mobilität für alle in Bremerhaven!“, 12. September, 19.30 Uhr, Veranstaltungssaal im Historischen Museum Bremerhaven

Krause: Die Studie zeigt, dass Angst im öffentlichen Raum ein spezifisches Thema für Frauen ist. Es ist zwar so, dass mehrheitlich junge Männer angegriffen werden, aber Frauen Angst haben vor Anmache und möglichen sexuellen Übergriffen. Sie meiden abends und nachts bestimmte Räume. Es ist ein nicht freiwilliger Verzicht auf Mobilität.

taz: Was bedeutet das für die Verkehrsplanung? Ist es ihre Aufgabe, darauf Rücksicht zu nehmen?

Krause: Für die Verkehrsplanung bedeutet das, dass auf das subjektive Sicherheitsempfinden von Frauen Rücksicht genommen werden muss und die öffentlichen Räume dementsprechend gestaltet werden müssen: gut erreichbar, gut beleuchtet, einsehbar, keine dunklen Ecken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Für die Verkehrsplanung bedeutet das, dass auf das subjektive Sicherheitsempfinden von Frauen Rücksicht genommen werden muss..."



    Das "subjektive Sicherheitsempfinden" lässt sich, sofern genug Geld vorhanden ist, mühelos verbessern: Durch die Anschaffung eines SUV.



    Ich hatte Mühe, meiner Frau einen solchen auszureden; sie hat jetzt einen Dacia Sandero. Mein Nachbar machte es anders: Er kaufte seiner Frau einen Land Rover. Der war ihr dann doch etwas zu rustikal...

    • @sollndas:

      Sehr passende Antwort. :-)

  • Die schlichte Anzahl der Verkehrsschilder auf dem Foto ist der wahrgewordenen Traum städtischer Verkehrsplaner.

  • Sehr zu empfehlen für beide Themenbereiche (Verkehr/komplexe Wege/finanzielle Ressourcen und Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum): Caroline Criado Perez "Invisible Women" [1].

    @JANIX: aber hundertprozentig. Eigentlich ein Grund zu feiern, wenn VW weniger Autos verkauft, nur katastrophal, wie der Laden die Transition managt, mensch könnte fast schon Bosheit darin vermuten.

    [1] en.wikipedia.org/w...d_Designed_for_Men

  • Dass Frauen weniger Auto fahren als Männer, liegt laut Artikel vor allem daran, dass sie weniger Geld zur Verfügung haben. Das deutet darauf hin, dass die Mobilitätsbedürfnisse zwischen den Geschlechtern gar nicht so unterschiedlich verteilt sind, sondern nur die Verwirklichung dieser Bedürfnisse den Frauen seltener möglich ist. Dafür spricht auch das (angeblich nur "subjektive") Sicherheitsempfinden der Frauen, die sich mehr als Männer dazu veranlasst sehen, öffentliche Räume zu meiden, was vor allem Frauen betrifft, die nicht mit dem Auto nach Hause fahren können und daher sicherheitshalber abends gar nicht erst das Haus verlassen; hätten diese Frauen die Wahl, würden sie sich wahrscheinlich ein Auto zulegen. Die These der Autorin, dass Frauen eine andere "Wahl der Verkehrsmittel" träfen als Männer, ist durch nichts begründet.

    • @Budzylein:

      "Dafür spricht auch das (angeblich nur "subjektive") Sicherheitsempfinden der Frauen..."



      Empfindungen sind per se subjektiv. Warum das nur angeblich so sein soll, würde mich interessieren.

      "...hätten diese Frauen die Wahl, würden sie sich wahrscheinlich ein Auto zulegen. Die These der Autorin, dass Frauen eine andere "Wahl der Verkehrsmittel" träfen als Männer, ist durch nichts begründet."



      Ihre Eingangsbehauptung ist reine Spekulation. Damit die Autorenthese als nicht begründet anzugreifen, ist diskursiv wagemutig.

      • @Encantado:

        Ja, Empfindungen sind immer subjektiv; insofern habe ich mich falsch ausgedrückt. Mir ging es darum, dass die Verwendung dieses Pleonasmus durch Juliane Krause abwertende Tendenz hat, als seien die Empfindungen unbegründet, wie auch in ihrem Hinweis darauf deutlich wird, dass mehrheitlich junge Männer angegriffen werden.

        Aber meine von Ihnen zitierte Eingangsbehauptung greift lediglich die Ausführungen von Frau Krause auf. Wenn sich (wegen des höheren Anteils weiblicher Alleinerziehender) weniger Frauen ein Auto leisten können als Männer, wie Frau Krause sagt, handelt es sich doch nicht um eine freiwillige Wahl, wenn sie weniger das Auto nutzen; und die Formulierung von Frau Krause "können sich nicht unbedingt leisten" impliziert doch, dass sie nur deshalb kein Auto haben, weil sie es nicht finanzieren können. Es liegt nicht am Geschlecht bzw. an geschlechtsspezifischen Vorlieben, wenn Frauen weniger Auto fahren als Männer, sondern an bestimmten Sachzwängen, die bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern. Und es ist nicht geschlechtergerecht, aus Benachteiligungen von Frauen, die diese Sachzwänge verursachen, eine frauenspezifische "Wahl der Verkehrsmittel" herzuleiten.

    • @Budzylein:

      Wahrscheinlich liegt es auch gar nicht daran, dass Frauen weniger Geld haben, sondern daran, dass sie weniger weite Arbeitswege haben, weil sie oft nicht die Rolle des Hauptverdieners übernehmen müssen, zudem lassen sich viele Frauen bei gemeinsamen Fahrten auch gerne vom Gatten chauffieren.



      Mag sein, dass Männer mehr Auto fahren als Frauen, das gilt aber auch für Dorf- gegenüber Stadtbewohnern, für Ältere gegenüber Jüngeren, für Ärmere gegenüber Reichere und da lassen sich wahrscheinlich auch noch zahlreiche andere statistische Zusammenhänge konstruieren. Daraus jetzt ein Genderthema zu machen ist wenig sinnvoll.

      • @Ruediger:

        "Daraus jetzt ein Genderthema zu machen ist wenig sinnvoll." So ist es.

  • Auch Männer würden doch von weniger Automanie profitieren. Und von mehr sportlichem Radeln, Fußgehen, Bahnen, Bussen: dem Wichtigen gut erreichbar. In welchem Alter auch immer.

    • @Janix:

      "Auch Männer würden doch von weniger Automanie profitieren."



      Vor allem würden sie von besseren Öffentlichen profitieren, und u. U. sogar von sich aus umsteigen.



      Ein einseitiger Kampf gegen Autos ist doch Unsinn.