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Zentrale Lage: die Potsdamer Straße in Michendorf Foto: Miriam Klingl

Landtagswahl in BrandenburgKein Raum für die AfD

In Michendorf wird weniger rechtsextrem gewählt als anderswo in Brandenburg. Der Ort im Speckgürtel von Berlin boomt. Reicht das als Erklärung?

E ines ihrer Ziele als Bürgermeisterin, sagt Claudia Nowka und lacht, sei schon, dass Michendorf mal für etwas anderes bekannt sei als für Stau auf der Autobahn. Michendorf liegt direkt an der A 10, die in einem großen Bogen Berlin und Potsdam umrundet, und wer in der Region mit dem Auto unterwegs ist, der kennt den Ortsnamen tatsächlich oft nur aus den Verkehrsmeldungen.

Claudia Nowkas Chancen, das zu ändern, stehen gut. Denn Michendorf boomt. Die Anbindung an Berlin und Potsdam, ob mit Auto oder Bahn, ist hervorragend, gleichzeitig ist die Gemeinde mit ihren sechs verschiedenen, etwas verstreut liegenden Ortsteilen hübsch eingebettet in die wald- und seenreiche Landschaft südlich von Potsdam. Das zieht nicht nur Reiche an, die in einem der Ortsteile schon in den Neunzigern einen Golfclub samt Villenviertel eröffneten, sondern auch viele Pendler, die in Berlin oder Potsdam arbeiten und in Michendorf wohnen. Heute hat die Gemeinde rund 14.000 Ein­woh­ner:in­nen, das sind rund 4.000 mehr als vor 10 Jahren, und es ist kein Ende des Wachstums in Sicht.

Michendorf gehört zu Brandenburg, in Brandenburg wird am 22. September gewählt. Die taz hat die Landtagswahlen in diesem Jahr zum Anlass für ein gemeinsames Rechercheprojekt mit Wissenschaftlern vom Institut für Rechtsextremismusforschung der Universität Tübingen genommen. Wir haben untersucht, wie Wahlerfolge der AfD mit strukturellen Eigenschaften der Gemeinden zusammenhängen: Welchen Einfluss haben die Steuereinnahmen, die Entfernung zur nächsten Bushaltestelle oder der Anteil männlicher Bevölkerung darauf, ob in einer Gemeinde viel oder wenig AfD gewählt wird?

Einen Zusammenhang konnten wir in allen untersuchten Bundesländern finden: In wachsenden Gemeinden wird eher wenig AfD gewählt, in schrumpfenden Gemeinden eher viel. Dieser Trend zeigte sich auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Und in Brandenburg lässt sich dieser Zusammenhang am stärksten in Michendorf finden: Hier wächst die Bevölkerung überdurchschnittlich stark, während die AfD unterdurchschnittliche Wahlergebnisse einfährt.

Dass in einer Boomtown im Speckgürtel Berlins weniger AfD gewählt wird als in einer schrumpfenden Gemeinde in der Lausitz, klingt wenig überraschend. In Michendorf bekam die AfD bei der Europawahl 18,7 Prozent, bei der Bundestagswahl 2021 waren es 12,2 Prozent. Das ist nicht nichts, aber beide Zahlen liegen deutlich unter dem Landesdurchschnitt, der bei der Europawahl 27,5 Prozent betrug, und auch unter den AfD-Ergebnissen anderer Gemeinden im Berliner Speckgürtel.

Doch wie funktioniert der Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und AfD-Ergebnis genau? Ziehen nur Grünen-Wähler:innen nach Michendorf? Macht die Aufbruchstimmung im Ort immun gegen rechte Propaganda? Oder gibt es in Michendorf noch andere Geheimnisse zu lüften, aus denen wir etwas über AfD-Erfolg und AfD-Niederlagen lernen können?

Spaziergang mit der Bürgermeisterin

Genug Fragen für einen Ortsbesuch. Erste Station: Ein Spaziergang mit Claudia Nowka, Bürgermeisterin seit 2019, Michendorferin seit 2009, lange blonde Haare, fester Händedruck. Die 47-Jährige ist das, was gern als Powerfrau bezeichnet wird: Allein in ihrer Zeit in Michendorf war sie Elternsprecherin und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, koordinierte ein familienpolitisches Bündnis und arbeitete ehrenamtlich als Richterin, und wenn wie in diesem Jahr ein neues Netzwerk der Bürgermeisterinnen in Brandenburg gegründet wird, wird sie Sprecherin. In ihrer Freizeit läuft sie Halbmarathon.

Zur AfD hat Nowka eine klare Haltung: Den Stimmenanteil für die Partei in Michendorf findet sie „immer noch viel zu viel“. Eine engagierte Bürgermeisterin, die offen gegen rechts Stellung bezieht: Auch das kann ein Puzzlestück sein für die Erklärung, warum die AfD in Michendorf weniger beliebt ist als anderswo in Brandenburg. Ausreichen tut es nicht, zumal sich die Frage stellt, was zuerst kam: In einem AfD-Nest hätte eine wie Claudia Nowka wohl weder Bürgermeisterin werden wollen noch können. 2019 trat sie das erste Mal für das parteilose Bündnis für Michendorf bei der Bürgermeisterwahl an und zog aus dem Stand mit einem deutlichen Vorsprung gegenüber allen anderen Kandidaten ins Rathaus ein.

Wobei, so ein richtiges Rathaus, das gibt es in Michendorf eigentlich noch nicht. Aktuell sitzt die Gemeindeverwaltung verteilt auf drei Häuser an der eichengesäumten Hauptstraße Michendorfs, die den gleichnamigen Ortsteil von Nord nach Süd durchzieht und durch verschiedene Geschäfte und Restaurants eher einen kleinstädtischen als einen dörflichen Charakter vermittelt.

Doch das wird sich bald ändern: Direkt hinter dem jetzigen Verwaltungssitz wird gerade das neue Rathaus hochgezogen, viergeschossig, mit Photovoltaikanlage und Sole-Wasser-Wärmepumpe. Nowka zeigt es stolz, weiß aber auch, dass es im Ort kritische Stimmen gibt, die den Bau für unangemessen massiv halten.

Ist das die Erklärung? Dass hier hauptsächlich Wohlhabende hinziehen?

Rund um das neue Rathaus entsteht ein neues Wohnquartier, das Michendorf bauen lässt für die vielen Menschen, die hierherziehen wollen. 124 Wohnungen, gebaut von einer Berliner Genossenschaft, die Miete liegt dennoch bei fast 12 Euro kalt. Das ist viel für Brandenburg, aber offenbar nicht für die Menschen, die nach Michendorf ziehen, die Wohnungen sind fast alle bereits vermietet. Auch die Grundstückspreise sind hoch in Michendorf.

Ist das die Erklärung für das unterdurchschnittliche AfD-Ergebnis in Michendorf? Dass hier hauptsächlich Wohlhabende hinziehen und dass Wohlhabende hauptsächlich andere Parteien wählen? Das Erste mag stimmen, das Zweite geht so nicht ganz auf. Zur Frage, ob eher Menschen mit hohem oder niedrigem Einkommen AfD wählen, sind seit Gründung der Partei diverse Studien erschienen. Mit unterschiedlichen Ergebnissen, auch, weil sich die Zusammensetzung der AfD-Wählerschaft immer wieder ändert: War sie um 2016 tatsächlich sogar eher eine Partei der Besserverdienenden, gelang es ihr in den letzten Jahren, gerade in Ostdeutschland, in prekären Milieus Wäh­le­r:in­nen zu gewinnen.

Dennoch greift es zu kurz, von einem direkten Zusammenhang zwischen Kontostand und AfD-Neigung auszugehen. AfD-Wäh­le­r:in­nen gibt es in allen gesellschaftlichen Schichten. Auch in Michendorf, so erzählt man hier hinter vorgehaltener Hand, werde im Villenviertel rund um den Golfplatz nicht gerade wenig AfD gewählt.

Ist es dann vielleicht nicht der individuelle Wohlstand, aber die allgemeine Aufbruchstimmung in der wachsenden Gemeinde? Auch hier wieder – so einfach ist es nicht. Denn das starke Bevölkerungswachstum bringt für die Gemeinde und damit für manchen Michendorfer auch Probleme mit sich. Dass Michendorf eine Pendlergemeinde ist, mit vielen Menschen, die hier leben, aber in Berlin oder Potsdam arbeiten, führt zu chronisch leeren Gemeindekassen: kaum Einnahmen durch Gewerbesteuer, aber hohe Ausgaben für die Infrastruktur. Schließlich braucht es für die vielen neuen Be­woh­ne­r:in­nen auch neue Kita- und Schulplätze, neue Turnhallen, neue Wohngebiete und Straßen.

„Der Ort verändert sich schnell, und das gefällt nicht allen“, sagt Claudia Nowka. In ihren Bürgersprechstunden höre sie auch viele Beschwerden: Der steigende Autoverkehr im Ort gehe Menschen, die schon lange hier wohnen, auf die Nerven, es gebe zu wenig Geschäfte für den täglichen Bedarf, und auch die Bauarbeiten zur Erweiterung etwa der Schulen in Michendorf führten zu Belastungen.

Bürgermeisterin Claudia Nowka ist seit 2019 im Amt Foto: Miriam Klingl

Die Bedeutung des Ehrenamts

Dass die Gemeinde über wenig eigene Mittel verfügt, hat für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Michendorf aber auch sein Gutes: Sie fördert deswegen das Ehrenamt, wo sie nur kann, etwa indem sie den Michendorfer Vereinen kostenlose Räume zur Verfügung stellt.

Antje Decker (Nachname geändert) bestätigt das. Vor zwölf Jahren ist sie aus Potsdam in den Michendorfer Ortsteil Wilhelmshorst gezogen. Ihr erster Eindruck damals: „Ich hätte nie gedacht, wie viel Ehrenamt nötig ist, um soziales Leben in einer Gemeinde am Leben zu halten.“ Decker ist Betriebsleiterin in einem Bauunternehmen, in Michendorf ist sie außerdem aktiv in einem Verein, der den Wilhelmshorster Weihnachtsmarkt organisiert, in einem Förderverein für Kinder- und Jugendliche, in einer Initiative für die Neugestaltung der Ortsmitte von Wilhelmshorst und im Netzwerk Michendorf bekennt Farbe, das sich seit seiner Gründung im Herbst 2023 für eine weltoffene Gemeinde einsetzt.

Mit zwei Mitstreitern aus dem Netzwerk, René Bohm und Sebastian Wehlig (Nachnamen geändert) sitzt Antje Decker auf der schattigen Terrasse des indischen Restaurants schräg gegenüber von Claudia Nowkas Büro. Bohm, 75, gehörte nach eigener Erzählung Anfang der 1990er zu den ersten Westdeutschen, die die hübschen alten Vierseithöfe in Michendorf kauften. Wehlig, 37, wohnt mit seiner Familie seit knapp sechs Jahren im Wohnmichel, einem nachhaltigen, generationsübergreifenden Wohnprojekt in Michendorf.

Sie erzählen von der Arbeit des Netzwerks, etwa von dem gut besuchten World Café, das sie im Ortsteil Langerwisch organisierten. Mit Thementischen, an denen über lokale Probleme diskutiert werden konnte, Schulplatzmangel, Radwegebedarf, einen schöneren Bahnhofsvorplatz.

Und vom Jahr 2023, als die AfD plötzlich doch eine ganz schön große Rolle spielte in Michendorf. Dass der Ort gut zu erreichen ist, hatte damals offenbar auch die Partei für sich entdeckt, immer wieder nutzte sie Räume der Gemeinde für sogenannte Bürgerdialoge, zu denen weit über Michendorf hinaus mobilisiert wurde.

Vor allem Wohlhabende zieht es nach Michendorf Foto: Miriam Klingl

Claudia Nowka versuchte damals, dem einen Riegel vorzuschieben. Sie brachte einen Antrag in die Gemeindevertretung ein, der vorsah, nicht nur verbotenen Parteien die Nutzung der kommunalen Räumlichkeiten zu verbieten, sondern auch solchen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen, doch nachdem die AfD Beschwerde bei der Kommunalaufsicht eingelegt hatte, schaltete sich das Brandenburger Innenministerium ein und ließ wissen, man halte den Beschluss für rechtswidrig. Nowka nahm das Verbot zurück, vielleicht auch deswegen, weil sie da bereits wochenlang im Zentrum eines rechten Shitstorms stand: Die AfD demonstrierte in Michendorf mit mehreren Hundert Teilnehmern gegen das Verbot, einmal führte die Demonstration zu dem Haus, in dem sie mit ihrer Familie wohnt.

Für Antje Decker, die in Brandenburg aufgewachsen ist und sich, sagt sie, noch gut an die frühen Neunzigerjahre erinnere, „als die Linken durch die Straßen gejagt wurden“, waren die Ereignisse nur umso mehr ein Beweis dafür, dass es so etwas wie das Netzwerk auch in Michendorf braucht. Das habe man bei den Gegenkundgebungen merken können, die das Netzwerk damals organisierte und zu denen mehrere Hundert Menschen gekommen seien.

Sehr gute Beteiligung

Das merke man aber auch zu anderen Anlässen, etwa den Gemeinschaftsaktionen zur Rettung des Seddiner Sees. Der Haussee der Gemeinde Michendorf trocknet aus, auch dieser Teil Brandenburg leidet unter zunehmendem Wassermangel. Bei den gemeinschaftlichen Arbeitseinsätzen wurden Totholzhecken zur Stabilisierung der Uferzonen gebaut, die Beteiligung sei sehr gut gewesen.

Dass solche Dinge in Michendorf funktionieren, liegt auch daran, dass es im Ort ein sehr reges Vereinsleben gibt. Auch, weil die Gemeinde auf das Ehrenamt angewiesen ist, gibt es hier für fast alles Vereine: Schulen und Kitas, Kunst und Musik, eine monatlich erscheinende Ortszeitschrift, ein Café, Kleintierzucht. Dazu kommen Angelvereine, Sportvereine, ein Kegelclub mit mehr als 100 Mitgliedern und eine freiwillige Feuerwehr in jedem Ortsteil.

Und natürlich: Heimatvereine. Jeder Ortsteil hat seinen eigenen, den in Michendorf leitet Verena Hiller, gebürtige Michendorferin. Die resolute 75-Jährige im knallgrünen Kleid mit bunter Kette winkt nur lachend ab, als sie auf die Beliebtheit des Orts angesprochen wird: „Wir sagen immer, am Wochenende bleiben wa im Garten, dann kommt Berlin!“

Ruhiges Wohnen in Michendorf Foto: Miriam Klingl

125 Mitglieder habe der Verein, dem sie seit zehn Jahren vorsteht, die Altersspanne reiche von 60 bis 95 Jahre. Gerade ist Hiller mit der Organisation der Weihnachtsfahrt für den Heimatverein beschäftigt, es geht nach Halle, vormittags Besuch im Schokoladenmuseum, nach dem Mittagessen Stadtführung, und abends dann noch zur Lichtershow in den Bergzoo. „Vor Mitternacht sind wa da nich zurück“, sagt sie vergnügt.

Hiller ist keine Antifaschistin. Mit den Omas gegen rechts könne sie wenig anfangen, sagt sie, und Parteipolitik spiele in ihrem Verein sowieso keine Rolle. Dennoch spricht einiges dafür, dass auch ihr Engagement, der Heimatverein und das rege Vereinsleben in Michendorf überhaupt zu der Erklärung gehören, warum es die AfD hier schwer hat.

Dort, wo es eine starke, gut organisierte Zivilgesellschaft gibt, hat es die AfD schwer, zeigen verschiedene Studien

In Vereinen werden grundsätzliche demokratische Prozesse gelernt und geübt, in Vereinen müssen Menschen miteinander auskommen, die sich sonst vielleicht gar nicht begegnet wären. Dort, wo es eine starke, gut organisierte Zivilgesellschaft gibt, hat es die AfD schwer, zeigen verschiedene Studien.

Die Frage, warum die Zivilgesellschaft im Osten oft weniger gut organisiert ist als im Westen, wird derzeit scharf debattiert. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk macht dafür einen ostdeutschen „Hang zum Autoritarismus“ verantwortlich, andere benennen eher historische Umstände oder die massenhafte Abwanderung junger Menschen als Gründe.

Klar ist jedenfalls: Eine starke Zivilgesellschaft gibt es nur mit vielen ehrenamtlich engagierten Menschen. Und der wichtigste Ort für dieses Engagement sind in Deutschland immer noch die Vereine, in denen insgesamt mehr als 25 Millionen Ehrenamtliche organisiert sind.

Tradition und Selbstbewusstsein

Natürlich ist das kein Selbstläufer: Es gibt auch Vereine, die rechtes Gedankengut pflegen, oder solche, die von der AfD unterwandert werden. In Michendorf scheint so etwas aber nicht zu funktionieren: „Viele der Vereine in Michendorf haben eine lange Tradition und ein gutes Selbstbewusstsein“, sagt René Bohm vom Netzwerk. „Die lassen sich nicht mal eben vereinnahmen, auch nicht von der AfD.“

Und was haben die vielen Vereine in Michendorf mit dem starken Bevölkerungswachstum zu tun? Einiges. Wer neu in einen Ort zieht, sucht Anschluss, und den gibt es, gerade im ländlichen Raum, über den Fußballverein der Kinder, der gerade einen Kassenwart sucht, oder den ehrenamtlichen Einsatz für den Weihnachtsmarkt. Auch in Michendorfs Vereinen, sagt Claudia Nowka, engagierten sich nicht nur Alteingesessene, sondern auch Zugezogene, wodurch sich beide Gruppen dort auch begegnen.

Gut möglich, dass Michendorfs Zivilgesellschaft in den nächsten Jahren noch bekannter wird in Brandenburg, vielleicht auch darüber hinaus. Denn es bahnt sich ein Konflikt an: Die Brandenburger Landesregierung plant ein 300 Hektar großes Industriegebiet am Güterbahnhof Seddin, in einem jetzigen Landschaftsschutzgebiet. Auch Michendorf gehört zu den Kommunen, deren Flächen betroffen wären.

wochentaz

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Und wen man auch fragt, die Pläne kommen hier gar nicht gut an. „Gibt doch jetzt schon zu wenig Wasser für unseren See“, sagt Verena Hiller. „Man sieht ja bei Tesla, dass die Region selbst da wenig von hat, aber viel verliert“, sagt René Bohm. „Ich mache mir ja so schon Gedanken darüber, wie viel Wachstum wir noch verkraften können, wann auch mal gut ist“, sagt Claudia Nowka. Und: „Natürlich braucht die Gemeinde Gelder, aber nicht um jeden Preis.“

Wirtschaftsförderung versus Klima- und Umweltschutz, kommunale Mitbestimmung und Entwicklungsperspektiven: Auch das sind Themen, die Menschen in Brandenburg bewegen, nicht nur „Ausländerkriminalität“ und „Messergewalt“. Und die AfD hat zu diesen Themen und Konflikten bisher wenig zu sagen. Betrachtet man, was in Michendorf so alles zusammenkommt, wundert es einen jedenfalls nicht, dass die AfD hier keine großen Erfolge einfahren kann.

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25 Kommentare

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  • Bereits Pegida war eine Gruppe, wo vor allem auch konfessionslose mit mischten. Und die Kirchen sind frühzeitig auf Distanz dazu gegangen.

  • Rund 20 % irgendwo im Osten sind also "kein Platz für die AfD". Nee, ist klar ...



    Achja, in Münster hat die AfD bei der EW 4.8 % bekommen. Aber das liegt ja im Westen, ist also irrelevant ...

    • @Kaboom:

      Wie damals ist auch heute die katholische Prägung (Zentrum, später CDU) hilfreich. Diese Prägung existiert im Osten gerade noch im ex-kurmainzerischen Eichsfeld.

      .... und inzwischen ein gewisser Studi-Anteil. Formale Bildung macht in manchen Fällen weniger anfällig für Vereinfacher. In Münster findet der grundlose Radfahrerhass keinerlei Grund. Da wirbt auch die CDU für Radwege. Sympathischer Ort.

      • @Janix:

        "Wie damals ist auch heute die katholische Prägung (Zentrum, später CDU) hilfreich."

        Bin nicht so sicher, ob das aktuell noch der Grund ist. 80 km weiter südöstlich im erzkatholischen Paderborn erhielt die AfD 10 % mehr.

        "Diese Prägung existiert im Osten gerade noch im ex-kurmainzerischen Eichsfeld."

        Im Eichsfeld erhielt die AfD 27 % der Stimmen bei der EW, bei der EW knapp unter 30%

        • @Kaboom:

          Ja, die Zeit, wo der Prälat sagte, was man gutkatholisch wählt, ist nicht mehr ganz da. Letztlich zum Glück.

          Gleichwohl wählen immer noch protestantische oder atheistische Männer aus eher ländlichen Gebieten eher rechts als andere.



          Höcke ist aus dem Eichsfeld bewusst nach Greiz für den Wahlkreis - da mochten sie ihn aber auch nicht ausreichend fürs Direktmandat.

  • Danke für diesen Artikel!



    Es ist ein guter Ansatz, statt reiner Theorie, praktische Beispiele anzuschauen.



    Ich freue mich für die Michendorfer.



    Viele Orte, die ich in den Ostdeutschen Bundesländern kenne und durch die Menschen, oder schöne Erlebnisse, in Erinnerung habe, sind in den letzten Jahren leider politisch negativ aufgefallen, schön, hier von einem Gegenbeispiel zu lesen.



    Es ehrt die taz, dass in der Tiefe nach Erklärungen gesucht wird. Dass diese nicht einfach sind, liegt auf der Hand.



    Hinzu kommt, dass die "afd" auch mit Scheinargumenten arbeitet. Da, wo nahezu keine Migranten wohnen, können sie " eigentlich" auch Niemanden " die Arbeit wegnehmen" . Wie in einem anderen Artikel deutlich wurde, sind , im Gegenteil, die höhere Zahl an Migranten, z.B. in sächsischen Städten, verbunden mit einer Arbeitslosigkeit, die unter dem Durchschnitt liegt.



    Es sind solche Tatsachen, die klare Argumente vor Ort liefern.



    Gut gefallen hat mir auch das Engagement verschiedener Firmen, die sich klar gegen die "afd" positioierten.



    Es ist deutlich geworden, dass auch die Wirtschaft vor Ort Zuwanderung braucht. Und nur Arbeitsplätze und ansässige Firmen verhindern Abwanderung.

  • "Wir haben untersucht, wie Wahlerfolge der AfD mit strukturellen Eigenschaften der Gemeinden zusammenhängen: Welchen Einfluss haben die Steuereinnahmen, die Entfernung zur nächsten Bushaltestelle oder der ... "

    Welche Thesen will man damit überprüfen? Kommen dann vielleicht so Unsinnsforderung wie "Mehr Bushaltestellen gegen die AfD!" dabei heraus?

    Was den Osten vom Westen unterscheidet kann man übrigens ganz wunderbar im Deutschlandatlas sehen. www.deutschlandatl...ome/home_node.html

    • @Rudolf Fissner:

      Das werden Sie doch - hier und anderswo - auch schon gehört / gelesen haben, diese "Argumente" aus dem Osten.



      Der Bus fährt nicht - man wählt braun. Der Jugendclub hat dicht gemacht - man wählt braun. Keine Sparkasse, keine Kneipe, keine Post, kein Dorfladen - man wählt braun. etc. pp.

      Achja. Ein paar km von dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, hat gerade vor ein paar Wochen ein Dorfladen aufgemacht, der von Einwohnern dort in Eigenregie betrieben wird.



      Das ist - (pow) sehr plastisch - der Unterschied. Hier will und braucht niemand einen Staat, der den Bürgern den Hintern abwischt.

  • Ein Blick in das Wahlergebnis des Hamburger Stadtteils Blankenese zeigt, dass die These, Reiche bis Superreiche wählen weniger die AFD, wohl zutrifft. Dort hatte die Partei bei der Europawahl nur 4,8%.

  • Sicher ist das vielfältige Miteinander eine gute Basis um dem einfältigen Gegeneinander der rechten und linken Populisten entgegenzuwirken. Wer mitmacht, erwartet nicht nur von anderen, dass sie alles regeln. Um so mehr erschrecke ich vor dem doch sehr hohen Wert der Alternativen Wertevernichter. Hätte man vor wenigen Jahren noch für undenkbar gehalten.

  • Jetzt zur AfD. Der Text versucht uns weiszumachen, dass in wachsenden Gemeinden weniger AfD gewählt wird, weil da eine „Aufbruchstimmung“ herrscht. Na klar, das klingt doch viel zu einfach, oder? Michendorf hat bei der Europawahl immer noch 18,7 % AfD-Anteil, also fast jeder Fünfte! Und bei der Bundestagswahl immerhin 12,2 %. Das ist nicht wenig, auch wenn es unter dem Landesdurchschnitt liegt. Fakt ist: Die AfD ist hier trotzdem eine relevante Kraft. Die Argumentation, dass Wachstum die AfD schwächt, scheint eher ein verzweifelter Versuch, ein wenig Hoffnung in die politische Landschaft zu bringen.

  • Erstmal die Sache mit Michendorf, der „Boomtown“. Klar, Michendorf wächst, aber warum? Wegen der Lage zwischen Berlin und Potsdam. Aha, das ist ja jetzt keine unglaubliche Leistung von Frau Nowka, sondern einfach geografisches Glück. Michendorf liegt an der A10, und was passiert, wenn eine Stadt gut angebunden ist? Die Leute ziehen hin. Überraschung! Da haben wir schon die erste Schwachstelle in der Argumentation: Die „Boomtown“ profitiert von ihrer Lage, aber das ist noch lange kein Beweis dafür, dass die Gemeinde selbst irgendwas besonders „richtig“ macht.

  • Was ist das für ein seltsamer Bericht ?



    Noch nicht einmal die Zusammensetzung der Gemeindevertretung wird erwähnt.



    Ein Blick auf das Ergebnis der Gemeindewahl von 2019 zeigt deutlich, daß das Ergebnis der Grünen mit 17,2 Prozent weit über dem Brandenburger Landesdurchschnitt liegt. Auch die FDP ist dort stärker als anderswo in Brandenburg.



    Die AfD erreichte damals mit dem ersten Wahlantritt 10,9 Prozent.



    Bei der Kommunalwahl 2024 konnte die AfD mit 16,7 Prozent die Grünen überholen, die nur noch auf 12,3 Prozent kommen.

    Interessant ist vielleicht eher, daß Grüne, CDU, SPD, FDP und Linke 2019 zusammen 58,3 Prozent in der Gemeindewahl erreichten, der Rest entfiel auf AfD und zwei Wählergemeinschaften. 2024 gab es schon drei Wählergemeinschaften, und die fünf Parteien Grüne, CDU, SPD, FDP und Linke kamen zusammen nur noch auf knapp 48 Prozent.

    Statt immer die Motivation von AfD-Wählern zu suchen, sollte man mal fragen, warum Grüne, CDU, SPD, FDP und Linke immer weniger Wähler erreichen.

    • @Don Geraldo:

      "Statt immer die Motivation von AfD-Wählern zu suchen, sollte man mal fragen, warum Grüne, CDU, SPD, FDP und Linke immer weniger Wähler erreichen."

      Faschismus und Rechtsextremismus ist im Grunde Ausdruck von politischem Nihilismus (keine politischen Perspektiven mehr) und Entsolidarisierung zwischen den Menschen, Geschlechtern, Völkern und Schichten.

      Und das ist auch Teil der Antwort auf Ihre richtige Frage.

      Die großen bürgerlichen Volksparteien inklusive der Linken-Partei bieten keine gesellschaftliche Perspektive und stiften keinen gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten, sondern Abgrenzung und Ausgrenzung und zwar fast egal. wen man wählt.

      Die AfD-Wähler:innen triggern meiner Ansicht nach zwei verschiedene Motiviationen:

      a) Rechte Wähler:innen wollen just jene Ab- und Ausgrenzung und denken lediglich an sich selbst (und ihre Nahgruppe)

      b) Demoralisierte Wähler:innen sind enttäuschte ehemalige Idealist:innen, die alle Ideale verloren haben. Die Rechten haben nie Ideale besessen und denen rennen sie jetzt hinterher.

      • @Uns Uwe:

        "... sollte man mal fragen, warum Grüne, CDU, SPD, FDP und Linke immer weniger Wähler erreichen."

        Die CDU hat Wählerzuwächse. Und bei der Linken sollte der Hauptgrund BSW bekannt sein.

        Dass sie dann gerade jenen Parteien, die das Asylrecht hoch halten, Ausgrenzung vorwerfen kommt mir ebenfalls wirr vor.

        • @Rudolf Fissner:

          Die CDU lebt gerade davon, dass die Ampel so unter Beschuss steht. Die persönlichen Werte von Merz sind ein Desaster. Und im Osten hat eine MEHRHEIT der CDU-Wähler die Partei gewählt, um die AfD zu verhindern,

          www.fr.de/politik/...test-93276641.html

          • @Kaboom:

            Und? Weil sie Wählerzuwächse hat, hat sie trotzdem weniger Wähler erreicht?

            Man sollte sich nichts in die Tasche lügen. Die großen Verlierer bei den Wahlen sind aktuell nur die Amplelparteien und die Linkspartei.

            • @Rudolf Fissner:

              "Und? Weil sie Wählerzuwächse hat, hat sie trotzdem weniger Wähler erreicht?"

              Nö. Aber Ihre (implizite) Annahme war ja wohl, dass die Positionen der CDU für den Zuwachs an Wählern verantwortlich sind.

              "Die großen Verlierer bei den Wahlen sind aktuell nur die Ampelparteien und die Linkspartei."

              Jo. Aber das liegt IMO eher an der BILD-"Zeitung" und ähnlichen Qualitätsprodukten des Journalismus, sowie der Dominanz rechter Hetzer in den sozialen Medien als an der - zugegebenermaßen schlechten - Politik der Ampelparteien. Scholz agiert als Kanzler genauso (schlafmützig) wie Merkel es tat. Vergleichen Sie mal die Reaktionen der Redaktionen :-) . Selbst hier in der TAZ bewunderte man Merkel noch 2018 (gell, Frau Marinic!)

              Es müsste längst eine Aufarbeitung des völligen Versagens der Merkel-Regierungen geben. Nicht nur im Kontext Flüchtlinge.

            • @Rudolf Fissner:

              Die CDU wurde eben nicht gewählt, weil die überzeugt, sondern weil die "afd" nicht stärkste Kraft werden sollte. Die CDU hat somit Stimmen aus den Ampelparteien bekommen.



              Wer so tut, als würde die CDU die WählerInnen überzeugen, lügt sich was in die Tasche.

        • @Rudolf Fissner:

          "Die CDU hat Wählerzuwächse."

          Auch das hat offensichtlich auch mit der Ampel-Politik zu tun.

          "Dass sie dann gerade jenen Parteien, die das Asylrecht hoch halten, Ausgrenzung vorwerfen kommt mir ebenfalls wirr vor."

          So? Und was halten Sie von der Stellungnahme von Pro Asyl?

          "Die heute bekannt gewordene Konkretisierung des Sicherheitspakets bestätigt die schlimmsten Befürchtungen von PRO ASYL."

          www.proasyl.de/pre...sicherheitspakets/

          Hier ein gemeinsamer Appel von 27 Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und juristische Organisationen, auch an die Bundesregierung:

          www.saechsischer-f...erung-asyldebatte/

          Sind das die gesellschaftlichen Perspektiven, welche einen Rechtsruck verhindern?

  • Was heißt: vorgehaltene Hand bei Wahlergebnissen?



    Einzelne Wahllokalergebnisse sollten doch herausfindbar sein, oder?

    Wilhelmshorst galt mal als grau-DDR-treue Siedlung, da haben einige, auch Zugezogene für Bewegung gesorgt, und letztlich fanden es die meisten gut, so hörte ich zumindest mal. Kunst, Kultur und Bürgerengagement ergänzen den Kartoffelsalat und die Kuchentheke.

    • @Janix:

      PS: die Wahlergebnisse sind detailliert bei brandenburg de zu finden.



      Eine Minute mehr Recherche erspart, von "vorgehaltener Hand" schreiben zu müssen.

  • Ich frage mich seit einiger Zeit, wo sind eigentlich die Interlektuellen in diesem Land und warum gibt es keine Vorschläge von deren Seite, wie man unsere Demokratie umbauen müsste.



    Der Satz des ehem. Bundespräsidenten "Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen" ist viel zu nebulös, obwohl er stimmt.



    Die größte Enttäuschung für mich sind die Grünen, die ich mehrfach gewählt habe. Von der FDP habe ich noch nie etwas gehalten und bei der CDU sind die falschen Leute in vorderster Front!

    • @Horst Schlichter:

      Ich frage mich, warum ausgerechnet Die Grünen die große Enttäusvhung sein sollen. Mir fällt da SPD ein. Nur die Grünen bewegen was, ziemlich viel genau genommen. Das ist man nicht gewohnt, daher das Geschrei. Mit dieser "Enttäuschung" liegem Sie ganz auf der rechten Linie.

    • @Horst Schlichter:

      Die Frage ist ganz einfach zu beantworten.



      Diese Intellektuellen sitzen in Ihren Elfenbeintürmen und sind sich zu fein um sich dem dummen Pöbel zu nähren.

      Man diskutiert untereinander, versucht um sich abzuheben, so unverständlich wie möglich zu argumentieren und klopft sich selbst auf die Schulter.

      Was diese Leute nicht verstehen wollen, dass mittlerweile Politik auf Tic-Toc und in anderen sozialen Medien gemacht wird.

      Nur eigenen sich diese Plattformen nicht für endlose mit Fremdwörtern gespickte mehrseitigen Auslassungen.