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Kreml-Chef in Ulan-BatorMongolei rollt Putin den Teppich aus

Eigentlich müsste Kremlchef Putin festgenommen werden, denn Ulan-Bator hat das Römische Statut ratifiziert. Doch das passiert nicht.

Der mongolische Präsident Uchnaagiin Chürelsüch begrüßt Wladimir Putin in Ulan Bator Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Moskau taz | Der rote Teppich ist ausgerollt, die Reiter der mongolischen Ehrengarde schauen hoch zu Ross auf den Gast, der auf dem Süchbaatar-Platz der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator seelenruhig seinen Weg zum Regierungsgebäude abschreitet.

Russlands Präsident Wladimir Putin drückt einem Blumenmädchen einen Kuss auf die Wange und die Hand des mongolischen Staatschefs Uchnaagiin Chürelsüch. Beide verneigen sich vor der bronzenen Statue für den einstigen Steppen-Imperator Dschingis Khan. War da was? Eine drohende Festnahme Putins wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine? Die Präsidenten lächeln und beginnen ihre Gespräche in einer Jurte, dem traditionellen mongolischen Rundzelt.

Seit März 2023 liegt gegen den russischen Oberbefehlshaber ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag vor. Dem Kremlherrscher wird vorgeworfen, die Verantwortung für die „widerrechtliche Deportation“ ukrainischer Kinder nach Russland zu tragen. Die Mongolei hat das Römische Statut, die gesetzliche Grundlage des Strafgerichtshofes, vor 22 Jahren ratifiziert. Damit müsste Putin von den Mongolen festgenommen werden. Doch der einstige Satellitenstaat der Sowjetunion hatte Moskau die Garantie gegeben, seiner Verpflichtung nicht nachzukommen. Ulan-Bator nennt den Krieg Moskaus gegen die Ukraine – wie Moskau – offiziell „militärische Spezialoperation“ und hat diesen nie verurteilt.

Es ist mehr als die geografische Lage, die den armen Drei-Millionen-Einwohnerstaat zwischen Russland und China praktisch zu diesem Verhalten zwingt. Ulan-Bator ist von seinen großen Nachbarn komplett abhängig und kann letztlich gar keine Außenpolitik gegen Russland oder China machen. Seit Jahren buhlt das rohstoffreiche Steppenland um die Aufmerksamkeit der Welt. Nun hat es diese Aufmerksamkeit und stößt den Westen vor den Kopf.

Ulan-Bator geht es um mehr als Feierlichkeiten

Die Ukraine verlangt für den „schweren Schlag“ rechtliche Konsequenzen für die Mongolei. Das Land habe es einem beschuldigten Verbrecher erlaubt, der Justiz zu entgehen, schrieb der ukrainische Außenamtssprecher Heorhi Tychy in den sozialen Netzwerken. Damit trage es eine Mitverantwortung für Putins „Kriegsverbrechen“. Amnesty International sieht in dieser Haltung der Mongolei eine Bestärkung Putins in seinem Kurs. Moskau frohlockt und feiert sich als unerschrockenen Freund und guten Nachbarn. Das „beschissene Stück Papier“, wie Ex-Präsident Dmitri Medwedew den Haager Haftbefehl bezeichnet, sei nichts wert.

Offizieller Anlass der Reise sind die Feierlichkeiten zum 85. Jahrestag des Sieges der sowjetischen und mongolischen Streitkräfte über Japan. In Ulan-Bator geht es um mehr. Moskau will seinen Bau für die Pipeline Sila Sibiri-2 voranbringen, die russisches Gas nach China transportieren soll. Die Mongolei, der dadurch billiges Gas und Transitgebühren winken würden, stellt sich quer und hat die Röhre aus seinen Entwicklungsplänen bis 2028 gestrichen. Putin sagte in Ulan-Bator, das Projekt unterliege einer staatlichen Expertise. Er lobte die Handelsbeziehungen mit der Mongolei, die seit 2023 um 20 Prozent gestiegen sein sollen.

Die Mongolei, die über gewaltige Vorkommen an Kupfer, Kohle, Gold, Erzen und Seltenen Erden verfügt, bezieht in manchen Teilen des Landes 100 Prozent seiner Energie von Russland. Fast 90 Prozent der mongolischen Rohstoffexporte gehen nach China. Zu Sowjetzeiten war die Mongolei wie die „16. Republik“ der Sowjetunion. Seit den 1990ern versucht sie sich an Reformen, verhandelt mit den USA, Japan, Südkorea, der EU. Sie will kein Teil der antiwestlichen Allianz sein, die Putin und Xi Jinping aufbauen, und ist doch ein strategischer Partner von Russland und China.

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15 Kommentare

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  • So geht Realpolitik.



    Das mag manchem hier den Schaum vor den Mund treiben, aber so funktioniert die Welt.

    • @TeeTS:

      Das Land liegt zwischen seiner Ex-Besatzungsmacht Russland und seiner Ex-Besatzungsmacht China als Pufferstaat mit einer vernachlässigbaren militärischen Stärke.



      Gleichwohl hätte ich ihm hier mehr Furcht vor der Staatengemeinschaft als vor dem Noch-Diktator gewünscht.



      Man kann sich an der Grenze treffen, plötzlich eine wirklich hartnäckige Covid-Epidemie im Lande haben oder die Goldene Horde wiederbeleben ...

      • @Janix:

        "Gleichwohl hätte ich ihm hier mehr Furcht vor der Staatengemeinschaft als vor dem Noch-Diktator gewünscht."

        Wenn man zu 100% von den Nachbarn abhängig ist, stellt man sich mit denen gut und nicht mit einer diffusen Versammlung, die sich "internationale Gemeinschaft" nennt. Ist eine Frage des Überlebens.

        "Goldene Horde"

        Was ist damit gemeint? Sollen die umkämpften Gebiete in der Ukraine jetzt an Kasachstan gehen?

      • @Janix:

        "Gleichwohl hätte ich ihm hier mehr Furcht vor der Staatengemeinschaft als vor dem Noch-Diktator gewünscht."

        Sie meinen die westliche Staatengemeinschaft + Japan und Südkorea, oder?

        Ich kritisiere das Vorgehen der Mongolei, trotzdem zeigt die Thematik eines das Hauptproblem bzgl der Diskussion zur Ukraine - eine Realitätsverweigerung, auch wenn die gut gemeint ist. Man sollte sich mehr an den Tatsachen ölorientieren als an Wunschvorstellungen.

  • So zeigt man der Welt kalt lächelnd den Stinkefinger, wenn man Putin heißt.

    Daß ein 3-Millionen-Einwohner-Staat, noch dazu an Russland grenzend, Putin nicht festnehmen kann ohne befürchten zu müssen von Russland innerhalb weniger Stunden überrannt zu werden, ist klar. Allerdings sollte man sich vorher überlegen, was man unterschreibt.

    Vielleicht wäre eine internationale Eingreiftruppe des Internationalen Strafgerichtshofs nützlich, von allen Unterzeichnern anerkannt, die in solchen Fällen durchgreifen könnte.

    • @Josef 123:

      Allerdings sollte man sich vorher überlegen, was man unterschreibt.

      Man sollte aber ehrlicherweise sagen, dass es zum Zeitpunkt der Unterschrift der Mongolei, sehr unwahrscheinlich war, einmal einen russischen Präsidenten verhaften zu müssen.

    • @Josef 123:

      Zu wünschen wäre es, wobei Putin die wohl größte Leibgarde der Welt und auch so einen Koffer hat, und man nicht so einfach in fremden Ländern etwas macht (genau so zündelte ja Israel immer wieder)

    • @Josef 123:

      "Vielleicht wäre eine internationale Eingreiftruppe des Internationalen Strafgerichtshofs nützlich, von allen Unterzeichnern anerkannt, die in solchen Fällen durchgreifen könnte."

      Auch hier wird Gewalt keine nachhaltige Lösung sein.

      • @Alexander Schulz:

        Es fehlt noch eine Idee, wie eine solche Eingreiftruppe in die Mongolei lebendig rein und wieder rauskommen soll.

      • @Alexander Schulz:

        Die Vollstreckung eines internationalen Haftbefehls ordnen Sie als "Gewalt" ein?

        • @Josef 123:

          Sie glauben ernsthaft, dass sich Wladimir Wladimirowitsch Putin widerstandslos und ohne Eingreifen seiner Personenschützer festnehmen lässt? 🤔

        • @Josef 123:

          Nein.



          Da es dafür eine Eingrifftruppe keine Mehrheit geben würde, müsste sich der Westen hier also über das Völkerrecht hinwegsetzen. Und ja ich ordne militärische Verstöße gegen das Völkerrecht als Gewalt ein.

          • @Alexander Schulz:

            " Vielleicht wäre eine internationale Eingreiftruppe des Internationalen Strafgerichtshofs nützlich, von allen Unterzeichnern anerkannt, die in solchen Fällen durchgreifen könnte."

            Jetzt geht das nicht, das ist schon klar. Dafür müssten natürlich erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Ich habe das für zukünftige Ereignisse gemeint.

            Ich denke an eine Art internationale Polizei (oder wie immer Sie das nennen wollen), die zuerst natürlich von allen Unterzeichnern anerkannt werden müsste; und das Ganze natürlich beschränkt auf das Gebiet der Unterzeichnerstaaten.

            Das hätte den Vorteil, daß ein (relativ wehrloses) Land wie z.B. jetzt die Mongolei nicht in eine derartige Zwickmühle geraten könnte, weil sie selbst gar nichts mit der Verhaftung zu tun hätte.

            Dann würde jemand, gegen den ein entsprechender Haftbefehl vorliegt, ein solches Land erst garnicht bereisen (können), als ob nichts wäre. So wie er auch andere Unterzeichnerstaaten nicht besucht.

  • Marc Bator sofort dorthin entsenden, mit den Ulan-Abzeichen!



    Dschingis Khan hätte den kleinen Russen aus Moskau noch anders behandelt, wie die gleichnamigen Schlager andeuten.



    Despoten haben Angst vor Recht und vor den vielen, mehr noch, als die vor ihm.

  • In der Situation der Mongolei, umgeben von Russland und China, wäre eine Verhaftung Putins sicherlich eine Art Selbstmord. Man sollte im freien Westen darüber nicht am grünen Tisch urteilen ...