piwik no script img

Berichterstattung über SachsenImmer dieses schiefe Bild

Berichte über Sachsen sind oft einseitig und prägen ein bestimmtes Bild über das Bundesland. Es braucht neue, junge Perspektiven.

Sachsen hat Herz, doch in den Medien geht es oft nur um die Nazis: Momentaufnahme in Leipzig, 2024 Foto: Timo Krügener

Woher kommt das schlechte Image von Sachsen? In den letzten Monaten haben wir uns, junge Menschen zwischen 16 und 28 Jahre alt, auf Einladung der taz Panter Stiftung mit dem Bild unseres Heimatbundeslands auseinandergesetzt. Mit diesem Dossier wollen wir einen frischen Blick darauf werfen.

Um diesem Thema auf den Grund zu gehen, lohnt es sich, die Berichterstattung über sächsische Städte genauer zu betrachten, wie Chemnitz und Zwickau, die dritt- und viertgrößte Stadt im Bundesland. Diese Städte stehen stellvertretend für viele andere in der Region. Die Berichterstattung darüber erscheint besonders einseitig.

Ostjugend-Dossiers

Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden

Ich nehme gerne die taz-Berichterstattung als Beispiel. Seit 2022 fokussiert sie sich stark auf Rechtsextremismus und Rassismus, wenn Chemnitz vorkommt. Ein Drittel der Artikel handelt seitdem direkt von diesen Themen. Bei dem Rest wird zwar über etwas anderes berichtet, jedoch immer wieder auf die Ereignisse von 2018 oder auf Rechtsextremismus hingewiesen. Chemnitz wird in den Überschriften pauschal als Rassistenstadt bezeichnet. Einen Nazikiez gab es in Chemnitz nie. Über Zwickau hat die taz in den letzten drei Jahren zwei Artikel veröffentlicht – beide zu Rechtsextremismus.

Nach den Ergebnissen der Europawahlen im vergangenen Juni wurde erneut über den „rechten Osten“ diskutiert.Die alten DDR-Grenzen seien in AfD-Blau eingefärbt. Der Osten bewege Deutschland nach rechts, hieß es. Unterbelichtet blieb jedoch, dass zwei Drittel aller AfD-Stimmen aus Westdeutschland kamen.

Ein vielschichtiges Bild sächsischer Städte

Mit dem schiefen Bild über Sachsen, das über die Medien verbreitet wird, werden Zugezogene konfrontiert, wenn sie sich für Ostdeutschland zum Studieren entscheiden. Darüber berichten wir auch in dieser Beilage. Allein über Chemnitz gäbe es so viele positive Aspekte zu berichten! Der Chemnitzer FC, der früher für Rechtsextremismus bei Fußballfans stand, hat sich zu einem weltoffenen Verein gewandelt. Das ehrenamtlich organisierte Kosmos-Festival engagiert sich für Toleranz und gegen rechts und zog dieses Jahr 70.000 Besucher an. In Chemnitz leben im Verhältnis zur Einwohnerzahl (250.000) die meisten ukrainischen Geflüchteten in Deutschland, die mittlerweile fest in das Stadtbild integriert sind. Es gibt eine große vietnamesische und indische Gemeinde. Zudem befindet sich in Chemnitz das einzige ostdeutsche „Einhorn“ (Start-up mit einer Milliarden-Bewertung) außerhalb Berlins.

Es ist daher erfreulich, dass die taz und die taz Panter Stiftung dieses Mal Nach­wuchs­au­to­r:in­nen beauftragt haben!

Johannes Fromm (25), aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, ist für das Studium nach Chemnitz gezogen.

FOTO: Timo Krügener, 25 Jahre alt, aufgewachsen in Niedersachsen und seit 4 Jahren als Student, Fotograf und mittlerweile freier Fotojournalist in Leipzig. Begleitet seit einigen Jahren vor allem die Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch Engagement für Demokratie in anderen Bereichen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Als gebürtiger Chemnitzer kann ich nur sagen, dass das Wunschdenken ist. Der Hass entlädt sich hier nicht nur bei Demos, sondern belastend im Alltag in der Stadt, mal offener mal subtiler. Die kleine Kulturbubble in Chemnitz, über die es unzählige Artikeln gibt, spiegelt leider nicht die Realität oder die Meinung der Mehrheit der Stadt wider, so sehr ich mir das wünschen würde. Einige Akteure nutzen zudem die Events und Interviews vielmehr, um sich als Ost-Influencer zu profilieren, anstatt sich den tatsächlichen Herausforderungen und Problemen vor Ort zu stellen und nachhaltige antifaschistische Strukturen aufzubauen. Das sieht man aktuelle an der katastrophalen Planung der Kulturhauptstadt 2025 - den Großteil interessiert es hier nicht und es wird nichts ändern außer etwas Imagepflege für Wenige. Gerade wenn man in die ländlicheren Teile der Stadt fährt oder Richtung Erzgebirge ist die Stimmung ähnlich zu den Baseballschlägerjahren. Auf lange Sicht braucht es keine Initiativen in Chemnitz, die für ein besseres Gewissen sorgen sondern ernsthafte antifaschistische Arbeit, die dem Hass etwas entgegenzusetzen hat.

    • @Pia_m:

      Danke für diesen Beitrag,



      es nützt wenig, von Außen zu bewerten, wenn man/frau keinen Eindruck von innen hat!

  • "Unterbelichtet blieb jedoch, dass zwei Drittel aller AfD-Stimmen aus Westdeutschland kamen."

    Allerdings wohnen nur 16,6 Prozent aller Menschen in Deutschland im Osten.



    Also ist der Anteil der Rechtsextremisten dort erheblich höher, nämlich offenbar ungefähr doppelt so hoch.

    • @Suryo:

      Na solange es im Osten schlimmer idt, hat der Westen ja keine Probleme. Der eine schiebt es auf den Ossi, der zweite auf den Ausländer, der dritte auch die Reichen oder die FDP. Für andere sind die Grünen wiederum die Wurzel allen Übels. Ich kanns nicht mehr hören.

      • @Müller Christian:

        Solange die Solidarität von Ostdeutschen mit ihrer Heimat, auch wenn Faschos diese prägen, größer ist als ihre Affinitiät zur Demokratie, wird sich nie etwas im Osten ändern.



        ICH kanns seit langem nicht mehr hören.

      • @Müller Christian:

        Warum soll man Probleme nicht quantifizieren dürfen, wenn es geht?

  • Es geht in den Berichten über z.B. Sachsen ja nicht darum, die mutigen Leute, die sich der AFD und Konsorten entgegenstellen, zu 'übergehen'. Es sind Bestandsaufnahmen, die eine Realität wiedergeben. Und die ist, wie sie nun mal ist. Und dazu gehört, dass 30% eine Faschopartei wählen, nicht aus Protest sondern aus Überzeugung. Wenn in meiner Stadt oder dem Kreis die Realität ebenso wäre, würde ich es befürworten, dass darüber berichtet wird, und dies in aller Deutlichkeit.

    • @Klaus Waldhans:

      Sorry, was Sie schreiben stimmt einfach nicht. Da ich aus Leipzig komme kenne ich einige AfD Wähler. Klar gibt es da auch stramme Rechte, aber (zumindest in Leipzig) extrem viele Protestwähler. Das erkennt man daran, wie viele Stimmen BSW erhalten hat. Die haben noch nix geleistet, aber für Protestwähler super.

      • @Müller Christian:

        Da muss ich Ihnen widersprechen.



        Im Zusazmit den Umfragen bei den Wahlen wurde klar, dass die große Mehrheit der "afd" Wähler, dies nun aus Überzeugung tun.



        Klaus Waldhans kann seine Posizion also auf diese Umfragen stützen. Es mag srin, dass Sie selbst andere Erfahrungen gemacht haben, die sibd allerdings nicht repräsentativ.

  • Im Artikel steht: 'Es braucht neue, junge Perspektiven.* Da beschreibt aber nicht die derzeitige Realität: Denn der Satz muss im Konjunktiv geschrieben werden.



    Es bräuchte neue, junge Perspektiven. Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt.

  • Zu diesem Thema gestern einen Kommentar von Harald Martenstein auf Radio eins gehört:"Viel



    wurde darüber geredet, dass Ostdeutschland abdriftet, nur der Osten selbst kam nie zu Wort! Deswegen wundert mich die aktuelle Entwicklung überhaupt nicht. (sinngemässe Wiedergabe)" Dem ist nichts hinzuzufügen und es ist damit alles gesagt. Für Restzweifler empfehle ich das Hören des Titels "Es steht ein Haus in Ostberlin " von der ersten allgemeinen Verunsicherung aus dem Jahre 1990, die Jungs müssen eine Glaskugel gehabt haben, bis heute aktuell und sollte Pflichtwerk in Gesellschaftskunde sein !

  • wird nicht immer und überall nur über negative Sachen berichtet?



    z.B. Solingen kenne ich nur von dem Brandanschlag 1993 und der jetzigen Messerattacke....

  • Es würde schon reichen, wenn nicht ständig, auch in der Taz, pauschal über den Osten geredet würde. Bei der aktuellen Wahlberichterstattung fällt dies wieder stark auf. Da ist bspw. die Rede davon, dass die blaue Welle "aus dem Osten in die Extremistenhochburgen im Westen" schwappen könnte. Damit wird impliziert, dass der gesamte Osten Afd gewählt hat, aber der Westen weitegehend dagegen gefeit ist, außer ein paar unwesentliche Hochburgen.



    Bei jeder Berichterstattung beispielsweise über Menschen in Afrika wird höchster Wert auf darauf gelegt, nicht zu pauschalieren, um dem - berechtigten - Vorwurf des Rassismus zu umgehen. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden, auch im eigenen Land nicht ganz so stark zu pauschalieren. Pauschalierung führt zu nichts Positivem, es sorgt aber dafür, dass es den Pauschalierten eigentlich egal ist, was andere über sie denken, da sie offensichtlich wenig Ahnung von Details haben.

    • @Bommel:

      Pegida, Impfgegner, Coronaleugner: Schwerpunkte waren Sachsen und Thüringen.

      Letzte Wahlen:



      Thüringen 30%



      Sachsen 30%



      Sachsen- Anhalt Prognose 30% für die AfD.

      Wer sich da hinstellt und greint, es würde so schlecht übers eigene Bundesland geschrieben, hat den Ernst der Lage nicht verstanden oder drückt sich vor der Verantwortung.

      Ja, es gibt bemerkenswert mutige Menschen im Osten, die für Demokratie und Menschenrechte tagtäglich einstehen und dabei Bedrohungen fürchten oder erleiden müssen.

      Wer aber den Rest der Republik so kritisiert, ist nich dem alten SED - Mantra verfallen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

      Sorry, mit der Kritik deckt Ihr die Faschisten.

      • @Tazmahall:

        Auch wenn Differenzierung so gar nicht Ihr Ding zu sein scheint, möchte ich Ihnen antworten:



        Ich meine genau das, was Sie schreiben. Zum Einen sind 30% der Wähler nicht sämtliche Einwohner eines Landes. Um Ihnen das zu illustrieren: ca. 41,1% aller Straftatverdächtigen in Deutschland waren 2023 Ausläner (de.statista.com/st...ftaten-zeitreihe/). Kämen Sie tatsächlich auf die Idee, implizit oder explizit zu behaupten, alle Straftatsverdächtigen in Deutschland sind Ausländer?



        Kritik - und dafür gibt es aureichend Anlass - ist absolut okay. Aber diese Verallgemeinerungen sind zum Einen einfach unsachlich und zum Anderen einfach falsch. Sie sollen meist nur die intellektuellen Limitierungen der Menschen überdecken, die Verallgemeinern. Und warum Impfgegner und Coronaleugner Faschisten sind, bleibt vermutlich Ihr ideologisches Geheimnis.

        • @Bommel:

          Von allen hat Tazmahall auch gar nicht geredet, aber so wie sich die Gruppe der Ostdeutschen damit auseinandersetzen muß, daß sie deutlich häufiger rechtsextrem wählt als die Westdeutschen so sollte sich meiner Meinung nach auch die Gruppe der Ausländer damit komfrontieren, daß sie häufiger straffällig wird als die deutsche Bevölkerung. Ich muß mich als Deutscher ja auch mit dem Holocaust auseinandersetzen obwohl ich persönlich gar nichts damit zu tun habe oder als Mann mit den Verwüstungen toxischer Männlichkeit obwohl ich mich diesbezüglich glaube ganz gut im Griff zu haben. Menschen denken nun mal in Gruppen.