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Nachfolge von Winfried KretschmannWarten auf Cem

Baden-Württemberg hat noch über ein Jahre bis zur Wahl. Aber in Kretschmanns Koalition rumpelt es. Und alle Fragen: Wann entschließt sich Özdemir?

Enge Vertraute: Winfried Kretschmann und Cem Özdemir bei einer Party in der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart taz | „Es liegt ja nicht an mir“, sagt Winfried Kretschmann merklich genervt, wenn man ihn fragt, ob er auch gern so smart sein Amt übergeben hätte wie jüngst die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer. Die SPD-Politikerin hatte durch ihren Rücktritt mit gebührendem Abstand vor der Wahl ihrem Nachfolger alle Chancen gegeben, mit einem Amtsbonus vor die Wähler zu treten.

Kretschmann tritt ebenfalls nicht mehr an, ihm bleibt dieser Schachzug aber verbaut. Dank der CDU brauche er sich darüber keine Gedanken zu machen, sagt Kretschmann mit vorwurfsvollem Unterton in Richtung Koalitionspartner. Und betont: „Obwohl es im Koalitionsvertrag anders vereinbart war.“

Tatsächlich war es das erste Aufmucken der CDU in der sonst so harmonischen grün-schwarzen Koalition, als der junge Fraktionschef Manuel Hagel im Herbst vergangenen Jahres verkündete, seine Leute würden keinen Nachfolger für Kretschmanns vorzeitig ins Amt wählen. Bis dahin hatte sich die CDU brav in den vorrangig grünen Koalitionsvertrag gefügt. Europa- und Kommunalwahl geben ihr nun weiteres Selbstbewusstsein.

Bei der Europawahl hatte die Union die Grünen in Kretschmannland mit 32 Prozent um fast 18 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Und auch Umfragen zur Landespolitik zeigen: Der Kretschmannbonus scheint in der Spätphase seiner Amtszeit aufgebraucht. Die Mehrheitsverhältnisse seit der letzten Wahl haben sich fast umgekehrt. Damals lagen die Grünen mit 32,6 Prozent fast neun Prozentpunkte vor der Union. Wäre demnächst Landtagswahl käme die CDU laut Umfragen auf 32 Prozent, die Grünen gerade noch auf 22 Prozent.

Bei diesen Werten stellt sich die Frage, ob sich das laut Süddeutscher Zeitung „schlechtgehütetste Geheimnis“ der Grünen noch bewahrheitet. Nämlich, dass Cem Özdemir in diesem Herbst – nach der politischen Sommerpause und vor der Aufstellung der Wahllisten für den Bundestag – seine Kandidatur für Kretschmanns Nachfolge bekannt gibt.

Seit Jahren im Gespräch

Der Bundeslandwirtschaftsminister ist seit Jahren als Kretschmann-Nachfolger im Gespräch. Der Regierungschef bezeichnet den schwäbischen Realo schon mal als seinen engsten Vertrauten im Bund. Aber würde Özdemir auch dann zurück ins Land kommen, wenn der allgemeine anti­grüne Trend anhält und die Gefahr besteht, statt der zweite grüne Ministerpräsident eher Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag zu werden?

Grüne in Bund und Land beteuern, ein Cem Özdemir würde sich davon nicht schrecken lassen. „Der kommt, um zu gewinnen“, heißt es. Und tatsächlich hat Özdemir gegenüber jedem anderen Spitzenkandidaten einen wesentlichen Vorteil: Den Landwirtschaftsminister, der trotz Protesten stabil zu den beliebtesten Politikern im Land gehört, kennt jeder.

Um diese Bekanntheit weiter auszubauen, tourt er seit Monaten auffällig oft durch Baden-Württemberg und lässt sich gern von einem Tross Journalisten dabei beobachten, wie er alle Fragen beantwortet außer der einen: ob er Nachfolger von Kretschmann werden will.

CDU-Chef macht es Grünen schwer

Derweil arbeitet auch der CDU-Fraktionschef Manuel Hagel in Festzelten und Podien an seiner Popularität. Seit er Thomas Strobl als Parteivorsitzenden beerbt hat, ist seine Kür zum Spitzenkandidaten nur noch Formsache. Der 35-Jährige hat die traditionell zerstrittene Landes-CDU mit der Hoffnung auf einen Machtwechsel geeint. Kretschmann und den Grünen macht er das Regieren auf den letzten Metern noch mal schwer.

Gerade erst mussten die Haushaltsverhandlungen in die Verlängerung, weil die CDU bei grünen Vorhaben wie der so genannten Mobilitätsgarantie und dem Ausbau des einst so umstrittenen Nationalparks Schwarzwald nicht mehr mitziehen will. ­Hagel wandert inzwischen lieber öffentlichkeitswirksam mit FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke als mit dem Grünen Fraktionschef Andreas Schwarz und sendet Sympathiebekundungen an die SPD, als sei eine „Deutschland-Koalition“ mit diesen Parteien nach der Wahl schon ausgemachte Sache.

„Es drohen 15 Monate Wahlkampf“, stöhnen sie bei den Grünen. Die Bundestagswahl ist im September 2025, sechs Monate später folgt die Landtagswahl im Südwesten. Wer weiß, ob dann die Regierungsbildung in Berlin schon abgeschlossen ist.

Und ob die Grünen dabei mitmischen. Das macht es strategisch schwierig. Erfolgreich waren die Grünen in Baden-Württemberg immer, wenn sie sich von der Bundespartei abgegrenzt haben. Das dürfte in dieser Gemengelage nicht so einfach werden.

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13 Kommentare

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  • Das wird nix, Herr Özdemir!



    Auch wenn sie ein sicher aufrechter Grüner sind, werden die Wähler im "ehemaligen" Musterländle, sie nicht zum MP wählen.



    Da ist dort schon die konservative Denke ein großes Hindernis, dazu kommt noch ein verunglückter Ministerposten, der sich als Zauberer entpuppt hat und natürlich auch die Ampel, deren Farbspiele eher auf orange stehen als auf grün.

  • Özdemir klingt zwar schon aufgesetzt, wenn der Aufsteiger schwäbelt, aber es ist tatsächlich Schwäbisch vom Bad Uracher.



    Er sollte dringend nach BaWü, dann kann nämlich Anton Hofreiter endlich auf Landwirtschaft eingewechselt werden, der Hubsi in den Boden baiern kann und große Fachkenntnisse gereits hat.

    Ich trauere dem natürlichen Nachfolger Kretschmanns immer noch nach: Boris Palmer. Sehr ökologische Macher-Performance in Tübingen, hochintelligent, anschlussfähig ... aber leider nicht in der eigenen Partei, und das ist teils auch seine Schuld und die seiner Fehl-Äußerungen und Besserwissereien. Trauer gleichwohl.

  • Cem Özdemir ist ein intelligenter Mann, das macht ihn geeignet als Ministerpräsidenten und es verhindert, dass er seine Chancen mindert, in dem er zu früh seinen Hut in den Ring wirft. Nach der Bundestagswahl werden die Karten neu gemischt, das ist allemal früh genug, irgendwelche Entscheidungen zu treffen.

  • Warten auf Cem?

    Wem Tier- und Naturschutz am Herzen liegt, wartet sicherlich nicht auf Cem.

    taz.de/Neue-EU-Zul...lyphosat/!5969921/

    taz.de/Weniger-Umw...bvention/!6007165/

    taz.de/Landwirtsch...chelkurs/!5979213/

    Die Grünen haben sich seit 20 Jahren aus diesem Bereich verabschiedet.

    Es gibt längst keinen Grund mehr Grün zu wählen.

    ÖDP u. a. machen da einen weitaus besseren Job.

    • @shantivanille:

      Die Bildungspolitik kann es auch nicht sein, der Absturz des Laendles in den letzten 10 Jahren ist beispiellos.

      • @elektrozwerg:

        Na. Schavan war hervorragend, da wurde Bildung auch in der Breite hochgeschätzt, und auch Bildungsferne hatten Chancen.



        Aber so schlimm ist es doch jetzt auch nicht. Etwa beim Einschließen aller ist man inzwischen weiter, müsste aber auch wieder mehr Geld in die Hand nehmen, das man von überflüssigen Straßenbauten auf CDU-Wunsch auch eigentlich hätte.

  • Cem muss bald was sagen und er ist eckig, ob er da so durchkommt?



    Aber besser als Chaos und es wäre ein sehr wichtiges Signal, ein Politikum für die Türkei mit Sicherheit auch.

  • Ein Ministerpräsident mit "Migrationshintergrund" ausgerechnet im jahrzehntelang von einer teilweise sehr konservativen CDU regierten "Ländle" hat was. Und ich finde Cem Özdemir auch persönlich sympathisch.

    Aber mich stört sehr, daß sein Hauptargument für seine Nominierung lediglich zu sein scheint: "Ich bin jetzt endlich auch mal dran!".

    Seine Erfahrungen in Regierungsämtern sind eher überschaubar, da unterscheidet er sich von neuen Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz.

    Und gerade als Baden-Württemberger sollte ihm das Schicksal von Oettinger und Mappus eine Warnung sein. Die "konnten alles, außer warten" und glaubten auch, sie wären schon lange "dran". Aber an ihrer eigenen Unfähigkeit und Überforderung sind beide gescheitert.

    Daß Oettinger eine zweite, gut dotierte Karriere in Brüssel gemacht hat, gehört in die Loseblattsammlung "Wie entsteht Politikverdrossenheit", aber als Ministerpräsident war er eine Fehlbesetzung, und hat damit zum Aufstieg Kretschmanns beigetragen.

    Gibt es denn unter den Grünen in Ba-Wü niemanden, der als Nachfolgerin/Nachfolger von Kretschmann geeignet wäre?

    • @ PeWi:

      Palmer war es eigentlich.



      Finanzminister Bayaz wäre die andere Wahl.

      Ich hoffe aus einem Grund auf ein rasches Einwechseln von Özdemir in BaWü. Dass Hofreiter seine Fähigkeiten bei Agrar zeigen kann.

    • @ PeWi:

      "Gibt es denn unter den Grünen in Ba-Wü niemanden, der als Nachfolgerin/Nachfolger von Kretschmann geeignet wäre?"

      Geeignet - und dann noch sowohl für die eigene Basis akzeptabel (irgendwie muss ja die Nominierung klappen) als auch darüber hinaus anschlußfähig (man will ja bei der Wahl nicht zweiter Sieger werden)?

      Das sind drei Wünsche auf einmal - die gibt es nur bei Kinderüberraschung. 😎

      Die letzte OB-Wahl in der Universitätsstadt Tübingen (mit einem "unerwünschten Grünen" und einer "offiziellen Grünen" auf dem dritten Platz) war für den einen oder anderen schon ein Fingerzeig...

    • @ PeWi:

      Kurze Antwort: nein.

      Lange Antwort: Boris Palmer (OB Tübingen) hat sich ins Aus geschossen, Dieter Salomon (Ex-OB Freiburg) wurde bereits abgewählt, der amtsmüde Fritz Kuhn (Ex-OB Stuttgart) hat sich nicht einmal mehr um die Wiederwahl bemüht. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag ist keine graue Eminenz, sondern eine graue Maus (heißt aber Schwarz), das Kabinett eine Pappkamerad*innensammlung. Die einzige Ausnahme mit Potential ist der andere Winfried (Verkehrsminister), ist aber zu links fürs Ländle. Auch wenn es mittlerweile The LÄND heißt.

      Übrigens: Kretsche hatte null Exekutiverfahrung, Oettinger eines der besten Wahlergebnisse der letzten fünfunddreißig Jahre. Özdemirs Hauptargument ist nicht "Ich bin dran", sondern "kann ja sonst keiner". Wo er tatsächlich recht hat.

      • @RagnarDannesjkoeld:

        Danke für die ausführliche Antwort. Aber ich habe schon Zweifel, ob man mit Slogans, wie: "Kann ja sonst keiner" - was einige hier bezweifeln - oder gar: "Ich bin das letzte Aufgebot!", bzw. "Nach mir wirds dann richtig dunkel!" die Wählerinnen und Wähler gewinnen kann.

    • @ PeWi:

      "Gibt es denn unter den Grünen in Ba-Wü niemanden, der als Nachfolgerin/Nachfolger von Kretschmann geeignet wäre?"

      Doch, gibt es: Danyal Bayaz, aktuell Finanzminister in BW.