piwik no script img

Drohender Krieg zwischen Iran und IsraelGroße und größere Gefahren

Mirco Keilberth
Kommentar von Mirco Keilberth

Viele Israelis leben derzeit in Todesangst vor dem Regime in Teheran, aber fürchten auch den politischen Überlebenskampf von Benjamin Netanjahu.

So sieht der Nachthimmel in Israels Norden seit Monaten immer wieder aus Foto: Ayal Margolin/XinHua/dpa

W ieder einmal scheint der ­Schuldige der Eskalation klar. Das Regime in Teheran. Die Frage scheint nur noch zu sein, wann die iranischen Raketen in Richtung Tel Aviv, Haifa und Jerusalem fliegen. Und ob die mit Teheran verbündeten ­Proxys, Hisbollah im Libanon, Huthis im Jemen, zeitgleich angreifen und damit erstmals Israels Raketenschutzschirm Iron Dome in die Knie zwingen. Die Botschaften zahlreicher Länder fordern ihre Bürger auf, aus dem Libanon auszureisen.

Erst langsam wird vielen Israelis klar, dass es der eigene Premierminister und seine radikalen Koalitionspartner sind, die auf Eskalation setzen. Tatsächlich sieht die derzeitige israelische Regierung nun eine einmalige Chance gekommen, die in Beirut und dem Süden des Libanon populäre, von Deutschland als Terrororganisation eingestufte Hisbollah zu zerstören. Die dafür nötige US-Unterstützung wäre nach einer iranischen Vergeltung für das Attentat auf Ismael Hanijeh sicher. Mit einem Hisbollah-Rückzug aus der Grenzregion würde nur ein sowieso nötiger Krieg lediglich verschoben. Darin sind sich die israelischen Offiziere einig. Der Norden Israels ist seit Monaten unter Beschuss, Zehntausende Israelis wurden deshalb evakuiert.

In Europa ignoriert man bislang, was ein zu erwartender israelischer Angriff auf die Hisbollah für die Infrastruktur im gesamten Libanon bedeutet: ein endgültiger Zusammenbruch der angeschlagenen Wirtschaft. Die Mehrheit der Libanesen sieht die Hisbollah als ausländische Okkupation, wird aber wie die Palästinenser im Westjordanland am meisten unter einem Krieg leiden. Netanjahu wird die so entstehende Flüchtlingswelle nach Europa nicht stören. Ein weiteres Ziel seiner radikalen Koalitionspartner ist die Ausweitung der jüdischen Siedlungen und neue Siedlungen in Gaza.

Teheran verliert mit einem Krieg gegen Israel wohl das Raketenarsenal seiner Verbündeten und damit einen Drohfaktor. Viele Israelis leben derzeit wieder einmal in Todesangst vor dem Regime in Teheran, aber fürchten auch den politischen Überlebenskampf von Benjamin Netanjahu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mirco Keilberth
Auslandskorrespondent Tunis
Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Solange der Westen Netanjahus Regierung nicht massiv unter diplomatischen und materiellen Druck setzt, wird die Extreme Rechte in Israel den Lauf der Dinge bestimmen. Dies kann nicht mit der sog. "deutschen Staatsräson" gemeint sein.

  • Netanyahu hat darin versagt, die versprochene Sicherheit zu liefern. Netanyahu gehört endlich weg, damit in der Region wieder Entspannung stattfinden kann.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      "Netanyahu gehört endlich weg, damit in der Region wieder Entspannung stattfinden kann."



      Wagemutige Behauptung angesichts jahrzehntelangen Konflikts. Oder betrachten Sie die letzten 70 Jahre als friedlich?

  • Gute Klarstellung. es hat sich nur ein kleiner Fehler eingeschlichen. Es wir automatisch von einem Sieg Israels ausgegangen. Dieser ist aber keineswegs völlig sicher.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette.

      Die Moderation

      • @Machiavelli:

        Bei solchen "Strategievorstellungen" läuft es mir kalt den Rücken runter.

        Mal abgesehen davon, dass die meisten Menschen im Libanon viel zu arm sind, um sich eine Flucht zu leisten.

  • Wenn das Volk in Israel den politischen Überlebenskampf seines Premierministers "fürchtet", dann sollten wir vielleicht aufhören, Israel als "die einzige Demokratie in der Region" zu bezeichnen. Die Region hat dann wohl gar keine.



    Sie hätten ihn einmal nicht wählen können. Und dreimal abwählen können, wenn ich richtig gezählt habe. Aber es sieht so aus, als ob die Israelis das eben nicht können.



    Es sei denn: sie wollen ihn nicht abwählen.



    Dann fürchten sie sich vor den Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidungen.



    Die Israelis haben ein Problem (mehr). Und ich bin nicht sicher, daß das Problem weg ist, wenn Netanjahu weg ist.

    • @Monomi:

      Zitat: "Sie hätten ihn einmal nicht wählen können. Und dreimal abwählen können, wenn ich richtig gezählt habe. Aber es sieht so aus, als ob die Israelis das eben nicht können."

      Ganz so einfach sollte man es sich nicht machen. Es ist nicht so sehr die Uneinsichtigkeit der israelischen Wähler an sich, sondern es gibt da auch einflussreiche Kräfte, die politisches Foulplay betreiben. Ganz besonders ist da die Propaganda von Netanjahu-Unterstützerin Miriam Adelson zu nennen, die Israels größte Tageszeitung finanziert und steuert. Das über diese destabilisierenden Kräfte in der israelischen Demokratie hierzulande so wenig berichtet wird, wundert mich im Übrigen schon lange.

  • Das müsste alles nicht sein, wenn die internationale Gemeinschaft inkl. USA den Terroristen wie den religiösen Nationalisten eindeutige Grenzen setzt.



    Bei den Terroristen wird dies versucht und sie werden weitgehend geächtet.



    Die national-religiöse Regierung inkl. Likud fordert dagegen ohne Kritik zu erhalten ein Großisrael und leitet dies aus religiösen Überlieferungen ab.



    Das ist das gleiche, als würde ich Deutschland den Deutschen fordern und auf einer Arisierung bestehen.



    Ein Sprecher von Netanjahu fordert sinngemäß: „Transfer the Palestinians and settle Gaza“ (Haartez). Wo bleibt der Gegenwind, wo bleiben Boykottaufrufe oder gar Sanktionen?



    Mit dieser Doppelmoral wird das nichts.

    • @GlaubeLiebeHoffnung:

      ".... Das müsste alles nicht sein, wenn die internationale Gemeinschaft inkl. USA den Terroristen wie den religiösen Nationalisten eindeutige Grenzen setzt. ....."



      Wenn man sich diesen ganzen religiösen und nationalistischen Firlefanz, den Demokraten und Republikaner immer veranstalten ansieht ist man dort sicher an der falschen Adresse.

  • Netanyahu nutzt die Gunst der Stunde. Im Moment möchte sich ja die halbe Menschheit gegenseitig die Köpfe einschlagen.