Umfrage der DIHK zu Energiepreisen: Stimmung ist schlechter als Lage
Manager klagen einer Umfrage zufolge über zu sehr gestiegene Energiepreise. Aber die sind gar nicht mehr so hoch, sagt das Wirtschaftsministerium.
![Die Sonne geht hinter Hochspannungsleitungen auf Die Sonne geht hinter Hochspannungsleitungen auf](/picture/7155011/624/35382824-1.jpeg)
Die Strompreise in Deutschland sind weniger hoch, als es viele Industriebetriebe behaupten Foto: Julian Stratenschulte/dpa
BERLIN taz | Wegen hoher Energiekosten erwägen 37 Prozent der Industriebetriebe, die Produktion in Deutschland zu drosseln oder ins Ausland zu verlagern. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Vor zwei Jahren hatten nur 21 Prozent der Unternehmen solche Schritte ins Auge gefasst. Um die Stimmung unter Manager:innen in Bezug auf die Energiewende zu erfassen, lässt die DIHK seit 2012 jährlich rund 3.300 Unternehmen aus allen Branchen befragen.
Grund für die schlechte Stimmung seien die im Vergleich zu anderen Staaten wie Frankreich, China und den USA hohen Energiekosten, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks vor Journalist:innen in Berlin: „Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt.“
Bei Industriebetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten würde sogar mehr als die Hälfte erwägen, die Produktion einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern. Ein Drittel der Unternehmen wolle wegen der hohen Energiepreise weniger investieren. „Das schlägt sich nieder in weniger Investitionen in Klimaschutz, aber auch in Forschung und Entwicklung“, sagte er. Früher hätten viele Unternehmen die Energiewende positiv gesehen. „Das ist jetzt gekippt.“
Ministerium verweist auf niedrige Preise
Die DIHK fordert, dass Steuern und Abgaben auf Strom gesenkt werden. Zur Frage, wie hoch der Preis sein müsste, um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, sagte Dercks nur: „Darauf gibt es keine Standardantwort.“ Das Preisniveau müsse in etwa wieder das Niveau von 2017 erreichen.
Das Bundeswirtschaftsministerium weist allerdings darauf hin, dass der Strompreis für kleinere Industriebetriebe nach dem Ende der Energiepreiskrise zurzeit sogar so niedrig ist wie zuletzt 2016. „Mit dem Strompreispaket vom November 2023 hatte die Bundesregierung besonders stromintensive Unternehmen deutlich entlastet“, so ein Sprecher. Unternehmen in Großbritannien, Italien und Spanien zahlen nach Angaben des Ministeriums höhere Strompreise als in Deutschland. In Frankreich seien die Preise niedriger, weil sie staatlich subventioniert werden.
Leser*innenkommentare
Octarine
Die Wahrheit ist etwas komplexer. Für die Industrie zählt die Konkurrenz und die sitzt in China und den USA, aber auch Indien. Der Vergleich mit Spanien oder Italien zeigt die Hilflosigkeit des Ministeriums. Richtig ist aber auch, dass die Abgaben so weit wie nur möglich gesenkt wurden, der Preis 2024 fast nur die Gestehungskosten enthält. Der Preis 2016 hat wesentlich niedrigere Gestehungskosten und hohe Steuern.
Auch richtig ist, dass die hohen Energiekosten für private Verbraucher zu berücksichtigen sind, denn sie müssen durch höhere Löhne kompensiert werden.
Die Politik hat ohne Rücksicht auf Verluste die Energiekosten noch oben gedrückt. Die Folgen sind zuerst von Industrie und Verbrauchern zu tragen. Später erfolgt die Abwanderung der Industrie und der Verlust an Steuereinnahmen. Das sehen wir jetzt.
Herbert Eisenbeiß
Deutschland ist in einer Rezession. Also glaube ich in der Angelegenheit dem Ministerium kein Wort mehr.
Überall hört man nur Nachrichten von Entlassungen oder geplanten Entlassungen und Pleiten, so wie Umzügen von Firmen ins Ausland. Passt ins Bild.
llorenzo
Jammern, wenn wirklich was schlimmes Geschehen ist, ist angemessen. Vielleicht wurde etwas wertvolles oder liebes verloren... Aber jammern um Druck auszuüben für den eigenen Vorteil. Vielleicht sollten diese Menschen erwägen, ob eine positivere Strategie sogar erfolgreicher sein kann.
QuerBeetLeser
Alles schick. Läuft hier.
Jörg Schubert
Bei der Gelegenheit möchte daran erinnern, was wirklich wichtig ist: Klimaschutz und Energieunabhängigkeit.
Und wie bekommen wir das hin? Indem wir wo immer es geht Elektrizität benutzen!
Niedrige Strompreise wären wichtig für alle, nicht nur für ein paar ausgewählte Industriebetriebe. Nur so können sich klimawirksame Mittel wie Wärmepumpen und e-Autos wirklich durchsetzen.
Ich bin dafür, die Strom-Infrastruktur (Transport, nicht die Erzeugung!) aus der öffentlichen Hand zu finanzieren. Das würde den Preis für Haushalt und Kleinbetriebe um gut 16 cent/kWh senken.
Was bei Straßen geht, sollte doch auch bei Strom möglich sein, oder nicht?
Alex24
@Jörg Schubert "Oder nicht"
Der Staatshaushalt ist zu 96% bereits weg bevor er beschlossen ist, sprich fließt in bereits gegebene verbindliche Zusagen und Fixkosten. Und das war vor Corona, dürfte mittlerweile mehr sein wegen höheren Zinsen und Sozialausgaben.
Die zur Elektrifizierung notwendigen Investitionen dürften locker die Billionengrenze reißen, je nachdem was alles umgestellt werden soll.
Und der Bürger ist in der Masse halt auch arm, 1/3 der Deutschen kann keine Spontanausgabe von 1000e bewältigen - du da kommen die mit 32000E für neue Autos in Pologrösse oder 40000 Euro aufwärts für Wärmepumpen.
Jalella
Ich denke, das hängt davon ab, ob man tatsächlich in Deutschland lebt, oder es nur aus den Meldungen mitbekommt. Wenn Strompreise täglich schwanken, interessiert mich das mit meinem einjährigen Stromvertrag leider nicht viel. Wer kauft denn seinen Strom auf dieser Basis? Vielleicht ist deswegen der "gefühlte" Strompreis tatsächlich der richtigere.
Aurego
Hier (in Oberbayern) hört man - auch von Landwirten - gelegentlich den Spruch, dass die Bauern ihren Kindern Schuhe anziehen, die zwei Nummern zu klein sind, damit sie frühzeitig das Jammern lernen.
Das scheint auch auf deutsche Manager zuzutreffen. Immer wenn es gut läuft, fordern sie, der Staat möge sich aus ihren Geschäften heraushalten und die Steuern noch ein bisschen senken, damit es noch besser läuft. Wenn es aber einmal nicht gut läuft, sind sie die ersten, die staatliche Hilfen verlangen, auch wenn sie ihre Misere zu einem großen Teil durch mangelnden Mut zum Risiko und falsche Prioritäten selbst verursacht haben.
Leningrad
Was sind denn das schon wieder für Durchhalteparolen. Das ist ja toll, dass wir so ein Erklär-Ministerium haben, trotzdem erwägen 37 Prozent Produktionsveränderungen, Schließungen oder Fortzug. Anscheinend gibt es da eine Diskrepanz, was so ein Ministerium von sich gibt und dem, was die Leute sehen und denken. Es geht ja auch nicht nur um Energie, das ganze Schland-Gesamtpaket ist kontraproduktiv für die Wirtschaftsentwicklung. Aber anstatt mal die Wahrheit zu sagen, dass die jetzige und vorhergehende Regierung so ziemlich alles versägt hat, was es zu versägen gibt, wird wieder mal das "Gefühlte" in den Vordergrund gerückt.... wie in anderen Bereichen auch. Nicht hilfreich!
Alexander Schulz
"Aber die sind gar nicht mehr so hoch, sagt das Wirtschaftsministerium."
Die Aussage stimmt, jedoch gibt es kein anderes Industrieland bei dem Energiepreise inzwischen so hoch sind.
Man sollte es nicht wie Österreich oder Italien machen und den Anteil von russischem Gas erhöhen. Auch sollte Frankreich mit seiner konstant hohen Annahme von Brennstoffen aus Russland kein Vorbild sein.
Ein vernünftiger Energiemix wäre aber angebracht.
Niemand ist damit geholfen, wenn Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig in vielen Bereichen ist.
Gnutellabrot Merz
Wie in so vielen Bereichen wird auch bei den Energiepreisen einfach irgendetwas behauptet, um den Umzug in Billiglohnländer zu rechtfertigen.
Ehrlich wäre es zu sagen, dass man einfach keine Lust hat, in Deutschland zu investieren und lieber in anderen Ländern Arbeitnehmer beschäftigt, die mehr Arbeit für weniger Lohn machen.
Das hält die Gewinne hoch und macht die Manager reicher.