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Tik­To­k bei der BundeswehrPengpeng auf TikTok

Die Bundeswehr wirbt mit einer TikTok-Kampagne um Nachwuchs. Dabei ist die App für Soldaten aus Datenschutzgründen verboten. Wie passt das zusammen?

Zwei Influencer (ohne Uniform) mit zwei Soldaten (mit Uniform) in einem Werbevideo der Bundeswehr Foto: Screenshot/youtube.com

Berlin taz | Die Bundeswehr ist jetzt auf Tiktok, nachdem bereits Bundeskanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Wirtschaftsminister Robert Habeck ihre Kanäle auf der Plattform gestartet hatten. Ihre Anfang Juni auf dem Account „Bundeswehrkarriere“ gestartete Kam­pa­gne „Explorers – Roadtrip durch die Bundeswehr“, die auch auf Youtube und Instagram gestreut wurde, ging nach vier Wochen nun zu Ende.

An ihr lässt sich ablesen, wie die Bundeswehr zwischen moderner Rekrutierungsstrategie und Sicherheitsbedenken abwägt. Denn für Diensthandys des Verteidigungsministeriums gilt seit vier Jahren ein Nutzungsverbot der chinesischen App Tiktok – aus Datenschutzgründen. Wie passt das zusammen?

Content-Creator, Challenges, Community-Teilnahme – die Kampagne enthält aus Sicht der Bundeswehr alles, was der Generation Z gefällt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zielt mit ihr auf die größtenteils 14- bis 19-jährigen Nut­ze­r*in­nen der Plattform ab. Ungefähr 50 Tausend Fol­lo­wer*­in­nen und mehr verfolgten den vierwöchigen Roadtrip von vier In­flu­en­ce­r*in­nen an der Seite von zwei Bun­des­wehr­le­r*in­nen quer durch Deutschland.

Die Kosten der Kampagne betrugen rund 6 Millionen Euro. Die Kreativagenturen dahinter ließen den Roadtrip und die Bundeswehr verspielt und abenteuerlich anmuten. Aus Hauptmann Sebastian wurde der „Erklär-Bär“, Use­r*in­nen wurden durch Gewinnspiele zum Mitmachen aufgefordert. Ein einfallsreicher Ansatz, um dem Fachkräftemangel bei der Bundeswehr entgegenzuwirken?

„Die Nutzung von TikTok ist unverzichtbar“

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums begründet die Tiktok-Kampagne gegenüber der taz so: „Um im personalwerblichen Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen, ist die Nutzung von TikTok unverzichtbar“. Dabei sind datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber der Plattform, an dessen Mutterkonzern ByteDance unter anderem die chinesische Regierung beteiligt ist, nicht neu.

Die EU-Kommission leitete alleine dieses Jahr zwei Verfahren gegen Tiktok ein, aufgrund mangelnden Daten- und Jugendschutzes. Auch die irische Datenschutzbehörde verhängte bereits ein Bußgeld in Millionenhöhe. Gerade Minderjährige, die Hauptzielgruppe der Kampagne also, würden von Tiktok nach wie vor nicht ausreichend vor etwa schädlichen Inhalten und Abhängigkeiten geschützt.

Auch der Linken-Abgeordnete Dietmar Bartsch kritisiert auf Anfrage der taz, dass sich die Bundeswehr mit der Tiktok-Kampagne auf Jugendliche fokussiere: „Im vergangenen Jahr waren bereits 10 Prozent aller Rekrutinnen und Rekruten minderjährig.“

Neben dieser grundsätzlichen Kritik bleibt die Tiktok-Kampagne vor allem aus datenschutzrechtlichen Gründen umstritten.

Jens Zimmermann, SPD-Obmann des Digitalausschusses des Bundestags, sagte auf taz-Anfrage: „Tiktok ist eine umstrittene Plattform, und gerade im Kontext von Userdaten und Verbindungen nach China sollte genau hingeschaut werden, wie die Plattform genutzt wird“. Grundsätzlich halte er deshalb das Tiktok-Verbot auf Dienstgeräten des BMVg für richtig.

Bundeswehr hat keinen Einfluss auf Daten

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) kritisiert schon lange die Nutzung personenbezogener Daten durch Tiktok und damit potenziell durch die chinesische Regierung. Öffentliche Stellen in Deutschland unternehmen wenig dagegen. Ob re­gis­trier­te*r Tiktok-Nutzer*in oder nicht, bei jedem Besuch des Bundeswehr-­Accounts werden unter anderem IP-Adresse, Standortdaten sowie Daten zum individuellen Nutzungsverhalten erfasst.

Was aber geschieht mit den Daten? Im Datenschutzhinweis zum Tiktok-Kanal der Bundeswehr heißt es salopp, diese würden „von TikTok verarbeitet und dabei gegebenenfalls in Länder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums übertragen“.

Ein Sprecher des Ministeriums sieht die Bundeswehr nicht in der Verantwortung: „Datenschutzrechtliche Fragen betreffen alleinig das Verhältnis zwischen Tiktok und angemeldeten Nutzerinnen und Nutzern, hierzu nimmt die Bundeswehr keinerlei Stellung. Denn: Auf die Art und den Umfang der seitens der Plattformbetreiber erhobenen Daten sowie deren Verarbeitung hat die Bundeswehr keinen Einfluss“.

Immerhin, so der Sprecher, verhindere das Tiktok-Verbot auf Diensthandys einen Cyberangriff auf die sensible IT-Struktur der Bundeswehr. Und, so heißt es im Datenschutzhinweis auf der Bundeswehr-Karriereseite, wenigstens sei die Tiktok-Analytics-Funktion deaktiviert.

Diese würde dem Ministerium demografische Daten sowie Daten zur Aktivität der Use­r*in­nen zur Verfügung stellen. Ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten sieht die Bundeswehr jedoch in einer Mitverantwortung, dass Tiktok diese Daten weiterhin sammeln kann.

Zwei der vier Creators der „Explorers“-Serie schieden übrigens schon vor Ende der vier Wochen Roadtrip aus. Einer davon, Influencer und Koch Can, weil er festgestellt hat, dass die Bundeswehr nichts für ihn ist. Wann merkt die Bundeswehr umgekehrt, dass Tiktok möglicherweise nicht die sicherste Plattform für ihre Rekrutierungsstrategie ist?

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2 Kommentare

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  • 14- bis 19- jährige sind in der Phase der beruflichen Orientierung. Die Verharmlosung einer grundsätzlich lebensbedrohlichen Tätigkeit ist das nicht. Was u.a Agenturen damit anrichten steht unterhaltsam bei : home.uni-leipzig.d...fantilisierung.pdf

  • Zitat:



    "Ob re­gis­trier­te*r Tiktok-Nutzer*in oder nicht, bei jedem Besuch des Bundeswehr-­Accounts werden unter anderem IP-Adresse, Standortdaten sowie Daten zum individuellen Nutzungsverhalten erfasst."

    Nicht, wenn man folgende Vorkehrungen trifft:



    -Ein Beriebssystem, sowie einen Browser verwenden, welche das Abgreifen von Daten nicht erlaubt.



    GNU/Linux, dessen Distributionen Whonix und TAILS sowie der Browser Tor sind hier zu empfehlen.



    -Bei den AGB immer die Verwendung von Daten an Dritte ablehnen. Weil dies vertraglich geregelt wird, kann z.B. noyb eingeschaltet werden, damit eine Klage eingereicht werden kann, falls doch Daten weitergereicht werden ohne Consent



    -Auch (angeblich) illegale Extensions und Add-Ons verwenden. Youtube oder Google denken z.B. uBlock Origin sei illegal, doch das ist nicht wahr. Der Bürger hat nämlich das Recht, Werbung,Paywalls oder Cookieabfragen zu umgehen.



    -Es soll Berichte geben, wonach versierte Linux-User Forks von Software von Geheimdiensten nutzen. Schließlich will der Geheimdienst ja auch nicht von Konzernen spioniert werden, also soll der Bürger dasselbe Recht haben. PRISM Break!

    Ja ich weiß. Ist China. Trotzdem sind Vorkehrungen wichtig!