Synthetisches Kerosin: Erste Tonnen für grünes Fliegen
Atmosfair produziert in einer Anlage im Emsland erstmals klimafreundliches Kerosin. Für die ganze Luftfahrtbranche reicht das aber noch nicht.
Berlin taz | Die Organisation Atmosfair hat in einer Anlage im Emsland erstmals klimafreundliches Kerosin in nennenswerten Mengen hergestellt – die ersten fünf Tonnen. Geschäftsführer Dietrich Brockhagen sprach am Freitag von einem „ersten Meilenstein“ für die industrielle Produktion von CO2-neutralem Flugkraftstoff. Das Verfahren für strombasiertes Kerosin funktioniere, das habe Atmosfair in der Pilotfabrik in Werlte gezeigt, sagte Brockhagen. „Aber die Technologie ist noch nicht reif.“
Für den Markthochlauf könnten die Fluggesellschaften helfen, meint Brockhagen: Vor allem große Airlines müssten ihre Nachfrage nach dem synthetisch hergestellten Kraftstoff erhöhen und die produzierten Mengen aufkaufen. Bisher haben zwei deutsche Reiseanbieter, Hauser Exkursionen und Neue Wege, zugesagt, auf ihren Reisen E-Kerosin von Atmosfair beizumischen. Privatpersonen und Firmen können den Treibstoff für ihre Flüge schon ab sofort auf der Atmosfair-Website dazubuchen.
Seit 2005 bietet Atmosfair CO2-Kompensation für Reisen oder Events an. 2021 nahm die Organisation die Anlage im niedersächsischen Werlte in Betrieb, um die Treibhausgasemissionen von vornherein zu verringern.
Wasser und CO2 werden dort mit Strom in ein Gasgemisch umgewandelt. In Synthese- und Raffinerieprozessen entsteht daraus Kerosin. Kommt der Strom aus erneuerbaren Energien und das CO2 aus der Atmosphäre, gilt der Treibstoff als nahezu CO2-neutral.
EU-Quote für E-Kerosin und Biosprit
Die EU hat festgelegt, dass Flugzeuge ab 2025 zu bestimmten Anteilen Biosprit oder E-Kerosin tanken müssen. Der Umweltverband Transport & Environment (T&E) untersuchte nun vor Kurzem 56 Projekte in Europa, die sich strombasiertem Kerosin verschrieben haben. Laut T&E-Luftfahrtexpertin Marte van der Graaf zeigte sich Deutschland als guter Standort – doch auch hier stünden endgültige Investitionen aus.
Anfang 2024 strich die Bundesregierung die Förderung für nachhaltige Flugkraftstoffe zusammen. Mitte Juni gab dann das Bundesverkehrsministerium bekannt, es stecke 130 Millionen Euro in eine neue Forschungsanlage des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums. Die soll in Leuna in Sachsen-Anhalt entstehen.
Die Produktion strombasierten Treibstoffs wie von Atmosfair ist energieintensiv und teuer. Damit lasse sich in den nächsten Jahrzehnten nur ein Bruchteil des heutigen Flugverkehrs abdecken, betonte Brockhagen. „Deshalb bleibt weniger Fliegen die wichtigste Klimaschutzmaßnahme.“
Leser*innenkommentare
Erfahrungssammler
Grünes Fliegen wirds noch lange nicht geben, wenn überhaupt.
Typisches Geschwätz der Technologieoffenen und der Konsumlemminge - warum kann man sich nicht in D die Kanne geben und muss vorher und nachher noch die Luft verpesten?
Mitch Miller
Aus Strom ein Verbrennungsprodukt herzustellen ist maximal ineffizient.
Zudem wird die immer begrenzte Kapazität an EE kannibalisiert.
Dieser Weg ist reine Subentionsjagd.
Manzdi
@Mitch Miller Volle Zustimmung!
Paul Schuh
Um einen Liter grünes Kerosin benötigt man 27 kWh.
Wenn man von dem jährlichen deutschen Kerosinverbrauch von 12 Mrd. Liter ausgeht, würde die Herstellung von grünem Kerosin 324 TWh benötigen, das ist der gesamte erneuerbare Anteil an der Stromproduktion.
Warum werden solche Zahlen nicht im Artikel erwähnt?
Conor
Ändert aber wohl nicht wirklich was an den Nicht-CO2 Effekten, die beim Fliegen ja den größten Klimascahden verursachen. Einfach nicht mehr fliegen ist die Lösung!
Surfbosi
Habe gerade mal ausrechnen lassen, was bei atmosfair das künstliche Kerosin für Frankfurt nach Miami und zurück für eine Person kostet: 16.000€.
Dann vielleicht doch besser in Germany Urlaub machen, oder?
Jalella
Mit Strom aus Wasser und CO2 Kerosin herzustellen, ist die vielleicht teuerste und sinnloseste Energieverschwendung, die man sich so ausdenken kann. Ein Projekt, das der FDP würdig ist. Das weiß auch jeder. Und das nur, damit die Leute zweimal im Jahr per Langstreckenflug rechtzeitig zu ihrer Kreuzfahrtreise kommen. Das kann man sich für das Jahr 2200 vornehmen, wenn die erneuerbaren Energiesystem so weit ausgebaut sein werden (vielleicht), dass es Energie im Überfluss gibt.
Surfbosi
Bringt nix, viel zu teuer...
Farang
@Surfbosi Noch, noch 🤷♂️
Wie bei jeder Technik - Geduld haben.
1990 hat man für die ersten PV-Platten umgerechnet 30.000 Mark für 1 kWp Leistung gezahlt, heute kriegst man 1 kWp für plusminus 1200 Euro und die Preise fallen weiter...
Manzdi
@Farang Der Preis ist nicht entscheidend, sondern die Energiebilanz. Für 1 MJ Kerosin werden 2,5 bis 3,5 MJ-Äquivalente Primärenergie benötigt. Das ist eine hohe Energieentwertung.
Es sollte beachtet werden, dass eine Energietransformation in vielen Sektoren nötig wird. Die erforderliche Energie regenerativ bereitzustellen, setzt einen gigantischen Flächenverbrauch voraus.
Dabei sollte auch daran gedacht werden, dass wir momentan das 6. Massenaussterben auf dem Planeten ausgelöst haben. Ein Hauptfaktor hierfür ist der Verlust von Lebensräumen.
Dieses Massenaussterben wird durch weitere Faktoren wie Rohstoffbedarf und internationaler Tourismus vorangetrieben.
insLot
@Farang Der Unterschied von PV Platten zu diesem Kraftstoff ist, dass das eine der Skalierung der industriellen Produktion unterliegt, während die zur Herstellung dieses Kraftstoffes erforderliche Energiemenge eine physikalische Größe dieses Verfahrens ist, welche mit dem späteren Energiegehalt des Kraftstoffs direkt korreliert, ebenso wie für die Verbindungen zu Kohlenwasser im Reaktor eine fest definierte Menge an Energie benötigt wird.
Die Anlagen können zwar größer werden, aber der schlussendliche erforderliche Energiebedarf bleibt gleich. Hinzu kommt noch, der Energiebedarf für das Verfahren, um den Kohlenstoff aus der Luft zu ziehen.
Es mag hier zwar gewisse Skaleneffekte geben, aber die Grundvoraussetzung bleibt extrem billige Energie. Und um Energie konkurrieren alle!
insLot
@Surfbosi Doch es bringt schon etwas, denn es erzeugt Kostentransparenz.
Jeder kann nun leicht sehen, was sein Flug wirklich kosten würde, wenn er oder sie die CO2-Emissionen des Fliegens mit aktueller Technik vermeiden möchte.
Wolfgang Nowak
You had me at "klimafreundliches Kerosin"
Tom Farmer
Technisch können wir mit (unterirdischen) verschiedenen Wirkungsgraden den einen Energieträger in einen anderen überführen. Aus Strom, Kerosin. Aus Gas, Strom. Aus Öl künstliches Holz, aus Naturholz Strom, dann wieder Wasserstoff aus Strom oder Holz direkt.. usw. Ob das Sinn macht? Oder wir jede Energieform besser direkt nutzen? (Allenfalls macht es Sinn überschüssigen Strom zu speichern, das gebe ich zu. Alles andere scheint Ingenieursselbstbeweihräucherung).
Null Substanz
Ach, ist ja süß, jetzt kann maus ein Schnapsglas voll "klimafreundlichkeit" zubuchen. Wie schön ist das denn?
Mopsfidel
Macht Euch ehrlich!
Der Kerosinverbrauch alleine für Deutschland liegt bei über 5 Millionen Tonnen (pro Jahr) - oder knappe 14 Millionen Tonnen pro Tag. Ich frage mich, wo der zusätzliche(!) Strom für das synthetische Kerosin herkommen soll. Hierfür werden mehrere Gigawatt notwendig.
Die oben erwähnte Information zur Testanlage ist interessant, aber für den nötigen Verbrauch nur eine nette Idee. Und selbst um ein Prozent Marktanteil erreichen zu wollen, sind die technischen Ausgaben inklusive nötiger Strom schon gewaltig.
Paul Schuh
@Mopsfidel Die deutschen Fluggesellschaften verbrauchen jedes Jahr 11.879.401.738 Liter Kerosin.
Gewicht von Kerosin: 0.8 kg/l.
Das macht 9,5 Mio Tonnen pro Jahr oder 26.000 Tonnen pro Tag.
Quelle: www.klimaschutz-po...ten-in-einem-jahr/
gyakusou
„Deshalb bleibt weniger Fliegen die wichtigste Klimaschutzmaßnahme.“
Und stattdessen passiert das:
Die Nachfrage nach Flugreisen wird 2024 aller Wahrscheinlichkeit nach ein Allzeithoch erreichen. In diesem Jahr werden 10,4 Prozent mehr Menschen mit dem Flugzeug verreisen. Die größten Anstiege sind in Asien (+17,2 Prozent) und in Nordamerika (+9,2 Prozent) zu erwarten.
Gorres
Bestimmt sind einige Leute enttäuscht, dass westlicher Lebensstil weitergehen kann, auch ohne dem Klima zu schaden.
Manzdi
@Gorres Nach mir die Sintflut ist ein Prinzip, nach dem es sich besonders in westlichen Kulturen gut leben lässt.
Gorres
@Manzdi Sie haben mein Posting nicht verstanden.