Klimaklage gegen Bundesregierung: „Es liegt jetzt an Robert Habeck“

Das neue Klimagesetz ist verfassungswidrig, sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Er hofft aber auf eine wirkliche Klimaschutzoffensive.

Robert Habeck bei einer Kabinettssitzung

Robert Habeck muss sich entscheiden: Geht er gegen eine DUH-Klage in Revision oder setzt er sich für eine Klimaschutzoffensive ein Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler

taz: Herr Resch, das von der Ampel geänderte Klimagesetz liegt seit vier Wochen bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Unterschrift. Ungewöhnlich lange: Was ist da los?

Jürgen Resch: Unsere Rechtsanwälte haben dem Bundespräsidenten ein 19-seitiges Rechtsgutachten zukommen lassen, in dem detailliert dargelegt wird, warum die Neufassung des Gesetzes verfassungswidrig ist. Ich schätze, dass Steinmeiers Juristen dies ernst nehmen und intensiv prüfen, zumal die Bundesregierung und der Bundestag ja schon mit der ersten Fassung des Klimaschutzgesetzes 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert sind. Sie werden vielleicht auch prüfen, ob man das Urteil, das die Deutsche Umwelthilfe im November 2023 vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erstritten hat, damit wirklich aus der Welt schaffen kann.

geboren 1960, ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

Das alte Gesetz verpflichtete einzelne Ministerien, Sofortprogramme aufzulegen, wenn im jeweiligen Bereich – Verkehr, Bau, Landwirtschaft – zu wenig Treibhausgase reduziert werden. Im neuen Gesetz gibt es dieses Instrument aber nicht mehr. Ist das Urteil damit nicht obsolet?

Ich versuche mal mit einem Bild zu antworten: Die Panzerknacker werden bei einem Bankraub erwischt, müssen aber nicht ins Gefängnis, weil sie es geschafft haben, nach einer Verurteilung den Bankraub zu entkriminalisieren. Auf die Ampelregierung übertragen: Diese hat sich nach ihrer Verurteilung einfach ein neues Gesetz geschrieben: Das Ausrauben einer Bank ist jetzt legal.

Ein schwaches Argument. Schließlich war Hasch rauchen früher auch nicht legal, aber der Gesetzgeber hat das jetzt legalisiert. Was spricht gegen eine Regierung, die Gesetze ändert?

Der Vergleich hinkt. Beim Klimaschutz handelt es sich um ein Grundrecht, das wir übrigens durch die Verfassungsbeschwerden vor drei Jahren mit erstritten haben. Das hat zum aktuell immer noch geltenden Klimaschutzgesetz geführt. Die Cannabis-Legalisierung schränkt kein Grundrecht ein.

Aber zurück zum Klimaschutzgesetz. Dort ist ein Ziel festgeschrieben: Bis zum Jahr 2030 muss Deutschland seine Emissionen um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 senken. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht das Gesetz drei Instrumente vor: Erstens ein sogenanntes Klimaschutzprogramm, also konkrete Gesetze, Verordnungen oder Förderprogramme, die sicherstellen, dass jeder einzelne Sektor seine Emissionen senkt. Zweitens gibt es den Expertenrat für Klimafragen, der regelmäßig berechnet, ob das Regierungshandeln ausreicht.

Falls dem nicht so ist, gab es drittens das Instrument der Sofortprogramme: Jedes einzelne Ministerium, das nicht genügend Treibhausgase einspart, ist verpflichtet, solch ein Programm vorzulegen …

war verpflichtet: Sofortprogramme sind in der Neufassung des Gesetzes nicht mehr enthalten.

Nein, „ist verpflichtet“, das Gesetz gilt ja so lange, bis der Bundespräsident die Änderung unterzeichnet hat. Wenn er das bis zum 14. Juli nicht getan hat, hat Porsche-Minister Wissing am 15. Juli wieder ein Sofortprogramm vorzulegen. Wenn die Entkernung des Gesetzes in Kraft treten sollte, kann sich Wissing einen schlanken Fuß machen und seine Diesel-Förderpolitik ungebremst fortsetzen. Denn zukünftig schaut man nicht mehr auf den Sektor, der die Zielverfehlungen zu verantworten hat, sondern wirft alles in einen Topf, was nichts anderes als eine organisierte Unverantwortlichkeit ist.

Auch das wird aber nicht viel nutzen. Denn selbst nach dem neuen Gesetz müssen Sofortmaßnahmen ergriffen werden, wenn man 2 Jahre in Folge das Gesamtziel nicht erreicht. Die erste Zielverfehlung hat der Expertenrat vor wenigen Tagen festgestellt. Die zweite Zielverfehlung wird sehr wahrscheinlich im März 2025 festgestellt, sodass die Bundesregierung dann kurz vor der Bundestagswahl auch nach dem neuen Gesetz ein Sofortprogramm verabschieden muss. Bezogen auf das CO2-Einsparungsziel 2030 bedeutet dies, dass dann zusätzlich zum Tempolimit und dem Ende der Verbrennerförderung wirklich Fahrverbote drohen. Denn die anderen Sektoren haben keinen Puffer mehr, um dem Verkehr aus der Patsche zu helfen.

Sie haben mit der DUH nicht nur das Sofortprogramm beklagt, sondern auch den anderen Teil des Klimagesetzes, das Klimaschutzprogramm. Und sie haben wieder recht bekommen. Mit welcher Begründung?

Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat festgestellt, dass die aktuelle Gesetzgebung 200 Millionen Tonnen Treib­haus­gase zu wenig einspart: Die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen sind also nicht ausreichend, um das Gesetzesziel zu erreichen. Außerdem hat der Senat festgestellt, dass die Maßnahmen nicht präzise genug formuliert sind. Aus einer Maßnahme „Abbau klimaschädlicher Subventionen“ lässt sich nur dann ein Minderungsbetrag ermitteln, wenn die Subvention auch exakt benannt ist, die abgebaut werden soll – also zum Beispiel das Dieselprivileg, das jeden Liter Diesel 18 Cent billiger als Benzin macht. Und das müsste dann auch verlässlich umgesetzt werden.

Gegen das Urteil ist Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen?

Wir haben den Klimaschutzminister aufgefordert, einer Revision nicht zuzustimmen. Es liegt jetzt an ihm. Wenn die Grünen die Entscheidung akzeptieren, kann die Bundesregierung keine Revision einlegen.

Gesetzt den Fall, das Urteil hat Bestand: Was würde das für die Bundesregierung bedeuten?

Wir hoffen dann auf eine wirkliche Klimaschutzoffensive mit konkreten Maßnahmen wie einem Tempolimit 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 in der Stadt, mit einer Sanie­rungs­offensive bei öffentlichen Gebäuden, beginnend bei Schulen und Kindergärten. Wenn dies aber nicht erfolgt, werden wir das Urteil vollstrecken lassen.

Zwangsvollstreckung gegen die Regierung: Wie muss man sich das vorstellen?

Sollten nach einer angemessenen Frist keine geeigneten und vor allem ausreichende Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht werden, wird zuerst ein Zwangsgeld angedroht. Handelt die Regierung danach immer noch nicht, wird ein Zwangsgeld festgesetzt. Passiert weiterhin nichts, wird dieses Zwangsgeld erhöht oder an eine Nichtregierungsorganisation zu zahlen sein. Die letzte Stufe kann dann die Androhung beziehungsweise Verhängung einer Zwangshaft gegen den oder die Politiker sein.

Robert Habeck wandert in den Knast?

Mit Verlaub: Wir leben in einem Rechtsstaat. In der Geschichte der Bundesrepublik war es noch niemals nötig, derartige Maßnahmen auch nur anzudrohen. Und solange wir keine populistische Regierung haben – Gott behüte uns – wird es auch nicht der Fall sein. Für mich klingt es absurd, dass wir über solche Daumenschrauben überhaupt reden müssen. Schließlich erwartet die Regierung von seinen Bürgern, dass sie sich an Recht und Gesetz halten. Also wird doch eine verurteilte Regierung zurückschrecken und sofort alles tun, wozu sie ein Gericht verpflichtet – beispielsweise um ein gesetzlich festgelegtes Klimaziel zu erreichen.

Noch ist die Bundesregierung nicht rechtskräftig verurteilt. Wie sieht der Zeitplan aus?

Im Verfahren vom November 2023 läuft die Revision seit Februar. In dem Verfahren, das wir Mitte Mai gewonnen haben, steht die schriftliche Urteils­begründung noch aus. Die wird sicherlich in den nächsten Wochen zugestellt. Die Bundesregierung hat ab da einen Monat Zeit, in Revision zu gehen.

Nun geht ein bündnis­grüner Klimaschutzminister gegen ein Urteil für mehr Klima­schutz in Revision. Was für ein politisches Signal ist das?

Robert Habeck agiert aktuell nicht wie ein glaubwürdiger Klimaschutzminister. Wir erleben stattdessen, wie er in enger Abstimmung mit der fossilen Öl- und Gasindustrie neue Erdölpipelines und vor allem eine gigantische LNG-Infrastruktur schafft, die in keinster Weise mit dem Ziel der Klima­neutralität bis 2045 zu vereinbaren ist. 2045 kommt in 20 Jahren.

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