Überwachungspläne der EU: Messenger-Dienste sollen scannen

Diese Woche soll eines der Überwachungsvorhaben der EU, die Chatkontrolle, abgestimmt werden. Kri­ti­ke­r:in­nen sehen die Privatsphäre in Gefahr.

Person schaut auf Smartphone, auf dem eine Messenger-App geöffnet ist

Inhalte schicken via Messenger? Die EU will dabei mehr Überwachung Foto: picture alliance/dpa | Weronika Peneshko

BERLIN taz | Es soll ein Beschluss auf den letzten Drücker werden: Kurz vor Ablauf der belgischen Ratspräsidentschaft versuchen deren Ver­tre­te­r:in­nen auf EU-Ebene einen Beschluss zu einem der umstrittensten Überwachungsprojekte zu erzielen: Kommunikationsdienste wie Whatsapp, Signal oder Facebook sollen demnach verpflichtet werden können, auf Anordnung persönliche Bilder und Videos der Nut­ze­r:in­nen zu durchsuchen.

Unter Kri­ti­ke­r:in­nen hat das Überwachungsvorhaben den Titel „Chatkontrolle“ bekommen. Denn das ist der Kern des Vorhabens: Inhalte, die Menschen via Messengerdienst verschicken, sollen gescannt werden können. Ziel ist es laut EU-Kommission, die das Vorhaben initiiert hat, Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder aufzuspüren und Ur­he­be­r:in­nen oder Personen, die die Inhalte weiterverbreiten, zu verfolgen.

Bislang scheiterte das Vorhaben, weil sich unter den Mitgliedstaaten nicht die nötige Mehrheit fand. Das könnte sich nun ändern: Bereits Ende Mai berichteten Insider:innen, dass Frankreich sein Veto aufgeben könnte. Damit würde die bisherige Sperrminorität der kritischen Mitgliedstaaten fallen.

Wird der Beschluss bei einer anvisierten Abstimmung am Mittwoch angenommen, würde das den Eintritt in die Trilogverhandlungen mit Kommission und EU-Parlament bedeuten. Angesichts des Rechtsrutsches bei der Europawahl ist unklar, ob das Parlament dabei auf seiner bislang verhältnismäßig bürgerrechtsfreundlichen Linie bleibt.

Scannen trotz Verschlüsselung

Die belgische Ratspräsidentschaft sieht ihren Vorschlag als Kompromiss: Die Inhalte sollen nicht standardmäßig gescannt werden können, sondern nur dann, wenn die Nut­ze­r:in­nen zustimmen. Das Problem: Lehnen sie ab, sollen sie keine Bilder und Videos mehr senden oder empfangen können. Dienste, die die Kommunikation ihrer Nut­ze­r:in­nen Ende-zu-Ende-verschlüsseln, sollen dazu verpflichtet werden, ein Scannen bereits auf dem Endgerät der nutzenden Person möglich zu machen.

„Die Behauptung, es handle sich dabei um Freiwilligkeit ist schlicht irreführend, wenn ein Dienst ohne Chatkontrolle gar nicht mehr vollständig genutzt werden kann“, kritisiert Tobias Bacherle, Grünen-Bundestagsabgeordneter und Obmann im Digitalausschuss. Das Scannen auch verschlüsselter Video- und Bild­inhalte in privaten Chats bleibe ein massiver Eingriff in die digitalen Grundrechte.

Alexandra Koch-Skiba, Leiterin der Beschwerdestelle des Verbandes der Internetwirtschaft eco, sagt: „Im Ergebnis haben wir damit eine erzwungene Zustimmung, die dem EU-Recht absolut widerspricht.“ Der Vorschlag beeinträchtige „die Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre aller EU-Bürger weiterhin immens“.

Auch andere Ex­per­t:in­nen lehnen das Vorhaben ab. Bereits im vergangenen Jahr kamen alle im Digitalausschuss des Bundestages geladenen Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben mehr Risiken als Nutzen habe. Darunter waren der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ver­tre­te­r:in­nen von Chaos Computer Club und Generalstaatsanwaltschaft Köln sowie der Vizepräsident des Kinderschutzbundes.

Die Ex­per­t:in­nen forderten stattdessen ein Maßnahmenbündel: unter anderem eine verbesserte Prävention, mehr Personal und Ressourcen bei der Ermittlung im Bereich sexualisierte Gewalt gegen Kinder und eine Pflicht für Anbieter, aufgespürtes Material zu löschen.

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