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Linken-Politikerin DemirelMit Klasse, gegen Krieg

Die Linken-Politikerin Özlem Demirel aus Düsseldorf möchte wieder ins EU-Parlament. Sie will mit dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ punkten.

Mit Klasse gegen Krieg und Militärisierung: Die Linken-Politikerin Özlem Demirel Foto: Olivier Hansen

Rechte Blogs hetzten nach dem 7. Oktober gegen Özlem Demirel, weil sie die harte israelische Reaktion auf den Angriff der Hamas früh kritisierte. „Ich war die erste deutsche Abgeordnete, die gegen den Krieg in Gaza klar Stellung bezog und dazu auf einer Demonstration gesprochen hat“, sagt sie rückblickend. „Das hat einige gestört. Bei anderen hat mir das Respekt eingebracht – auch bei Genossen, die meine Meinung nicht teilen.“

Die 40-jährige Linken-Politikerin aus Düsseldorf ist von Kindesbeinen an politisch aktiv. Mit ihrer kurdischen Familie kam sie 1989 aus der Türkei nach Deutschland. Ihr Vater, ein Lehrer, erhielt politisches Asyl, ihre Mutter ist gelernte Schneiderin. Schon in der Schule engagierte sich Demirel als Schülervertreterin und demonstrierte gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. „Ich bin keine Pazifistin, ich bin Antimilitaristin“, betont sie. „Ich betrachte Kriege aus einer Klassenperspektive: wessen Interessen werden damit verfolgt? Wer zahlt die Zeche?“

Nach ihrem Abitur stieg Demirel erst in die PDS ein und später in der Linkspartei auf, seit 2019 sitzt sie für diese im Europaparlament. Die Nähe zu Bewegungen hat sie sich bewahrt. Häufig tritt sie als Rednerin bei Demonstrationen auf, zuletzt oft vor einer Palästina-Flagge.

„Man konnte von Anfang an sehen, auf was dieser Krieg hinausläuft“, sagt Demirel über Gaza. „Aber ich habe das Gefühl, dass manche nicht so genau hinschauen wollen, was da passiert.“ Doch die Stimmung hat sich gedreht: Über 60 Prozent der Deutschen haben laut Umfragen kein Verständnis für die israelische Kriegsführung mehr. Inzwischen räumt selbst der Vizekanzler ein, dass Israels Vorgehen nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist. „Herr Habeck ist ein Politiker, der ein gutes Gefühl für Stimmungen im der Bevölkerung hat“, kommentiert Demirel trocken.

Demirels Verbleib im EU-Parlament ist unsicher

Das Bündnis Sahra Wagenknecht bedient ebenfalls eine Anti-Kriegs-Stimmung. Auch wenn sich manche Forderungen ähneln, grenzt sich Demirel scharf vom BSW ab. Wer gegen Aufrüstung sei, müsse sich auch gegen die Aufrüstung an den Außengrenzen aussprechen, findet sie. „Die Rüstungsindustrie verdient sich an dem Grenzregime in Europa eine goldene Nase.“ Und was den Krieg in der Ukraine angeht, müsse man „auch über den russischen Imperialismus reden“, sagt sie. „Ich trete für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein“. Weder der Westen noch Russland hätten ein Recht auf Einflusssphären.

Bei dieser Wahl steht Demirel auf Platz drei, hinter Carola Rackete und Parteichef Martin Schirdewan, ihr Verbleib im EU-Parlament ist unsicher. „Viele sind mit den herrschenden Verhältnissen und Parteien unzufrieden“, hat sie festgestellt. „Wie sich das auf die Wahlbeteiligung auswirken wird, vermag ich nicht zu beurteilen.“ Davon hängt es ab.“

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18 Kommentare

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  • Auch Handelsabkommen wie CETA bedürften der Zustimmung aller EU-Mitglieder; aber das nicht der Punkt: natürlich kann die EU kaum gegen den Willen der Einzelstaaten handeln, aber Sie tritt als EU als außenpolitischer Akteur auf (inklusive eigener Repräsentanten!) was auch regelmäßig Thema im EU-Parlament ist. Es ist also keineswegs absurd, wenn Kanditen einen disbezüglichen Schwerpunkt haben (übrigens: auch in den Einzelstaaten ist die Außenpolitik Aufgabe der Exekutive, nicht der Legislative - trotzdem ist sie Thema im Wahlkampf).

    • @O.F.:

      Nur weil sich das EU-Parlament mit irgendetwas beschäftigt, bedeutet dies nicht, dass die EU nach den EU-Grundlagenverträgen auch die Kompetenz dafür hätte. Wenn das EU-Parlament eine Resulotion im Zusammenhang mit dem Israel-Hamas-Konflikt erlässt, dann hat das in etwa das gleiche Gewicht wie ein Stimmungsbild der Klasse 5b in der Schneewittchengrundschule.

      Die EU hat aus diesem Grund auch keinen Außenminister sondern nur einen Außenpolitischen Sprecher. Dessen Kompetenzen sind eng.

      Die EU (und damit das EU-Parlament) kann insbesondere keine Staaten anerkennen (weder Palästina noch Katalonien). Die angeführte Thematik des Selbstbestimmungsrechts der Völker ist daher im EU-Parlament vollkommen falsch aufgehoben.

      • @DiMa:

        Sie weichen dem entscheidenden Punkt aus. Natürlich ist die EU kein Staat und hat deshalb keinen Außenminister. Das ändert aber nichts daran, dass sie ein eigenständiges Rechtssubjekt mit eigenen Repräsentanten ist, die auch außenpolitisch auftreten. Dass dem enge Grenzen gesetzt sind, stimmt, aber trotzdem spielt die EU auch eine außenpolitische Rolle, die auch im EU-Parlament Thema ist. Ihr Vorwurf ist also nicht ganz verkehrt, richtet sich aber an die falsche Adresse.

        • @O.F.:

          Die Reichweite der außenpolitischen Vertretung ergibt sich aus den der EU übertragenen Kompetenzen und geht nicht weiter als in.den Grundlageverträgen festgeschrieben. Gegebenenfalls wird durch Einzelfallentscheidung der Mitglieder ein gemeinsamer Beschluss gefasst (z.B. Russlandsanktionen).

          Alles andere ist Schall und Rauch. Das Parlament kann seine Aufgaben nicht eigenmächtig erweitern. Bedauerlicherweise unterlegen Sie Ihre Aussagen nicht mit Beispielen.

          • @DiMa:

            Wie weichen weiterhin aus; dass die Handlungsmöglichkeiten der EU (übrigens nicht nur in der Außenpolitik beschränkt sind), habe ich gar nicht bestritten; das ändert aber nichts daran, dass es eine EU-Außenpolitik gibt, die nicht auf Handelsfragen beschränkt ist - und die natürlich auch im EU-Parlament diskutiert wird. Noch einmal: Sie können natürlich kritisieren, dass das zahnlos ist, weil die EU auf die Zustimmung der Einzelstaaten angewiesen ist; aber der Adressat für diese Kritik ist eben nicht die Kandidaten, die sich mit außenpolitischer Expertise für ein Parlament bewirbt, das sich regelmäßig mit Außenpolitik befasst.

  • BWS und die Linke



    Was beide Parteien eint: " wenn du geschlagen wirst, halt auch noch die andere Backe hin".



    Und Putin wird nicht zögern gleich den ganzen Kopf abzuschlagen. Da phantasiert der Linken Abgeordnete Bartsch, Putin könne nicht wollen das Tausende sterben,



    während Putin den Schlächtern von Butcha Orden umhängt und Wagenknecht will gar die Ukraine regelrecht entwaffnen, was einer Einstellung von Waffenlieferungen gleich kommt.



    Keine Frage, die Schwarze Null ist Nonsens, die Renten so hoch das man sicher davon nicht leben kann und das politische Establishment pflegt den Wirtschaftsfaschismus wie auch die Lohnsklaverei, aber manchmal muss man auch an der Linken und dem Weitblick einer Frau Wagenknecht zweifeln. Es ist halt nicht nur der Cum cum und Cum ex Wartburgbank Retter der zusammen mit dem Rechtsliberalen "Schwarznull Einpeitscher" Lindner den Realismus des 21ten Jahrhundert konterkariert. Und AfD will den Mix eines Feudal Kapitalismus mit einem Schuss Aristokratie, also zurück ins 19te Jahrhundert.



    Was bleibt ist die bloße Hoffnung, die Parteien mögen endlich im 21ten Jahrhundert ankommen.

  • Ich finde es immer etwas widersprüchlich, wenn Linke für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eintreten. Zum einen historisch, weil es meistens nur dann der Fall war, wenn das Objekt der möglichen Sezession irgendwie unsympathisch war und das Subjekt einen neuen sozialistischen Staat versprach. Das Selbstbestimmungsrecht der Kroaten oder Kuwaitis lag der Linken nie so am Herzen wie das der Palästinenser.

    Aber auch theoretisch ist es widersprüchlich, denn in den meisten Fällen entsteht das Subjekt der Selbstbestimmung aus einem ethnischen Volksbegriff heraus, der für bestehende Staaten ja abgelehnt wird. Heißt: so lange eine homogene Ethnie als unterdrückte Minderheit besteht, kann sie auf die Unterstützung der Linken zählen. Hat sie ihr Ziel der Selbstbestimmung erreicht, steht sie selbst unter dem Verdacht des Ethnonationalismus.

    • @Meister Petz:

      Die Frage, was ein Selbstbestimmungsrecht der Voelker in der Praxis tatsächlich bedeutet, wird in der linken sicher nicht genug diskutiert bzw., wie Sie treffend schreiben, allzu oft ad hoc anhand politischer Sympathien entschieden (was vielleicht nicht ganz verkehrt ist: man kann mit nationalistischer Rhetorik für recht verschiedene, positive wie negative Ziele mobilisieren – es macht also Sinn, auf gemeinsame Inhalte zu achten, statt sich über den Sinn und Unsinn der Fahnenschwenkerei zu zerstreiten). Ich weiß aber nicht, ob Sie mit Ihren Beispielen nicht Konflikte vermischen, die gänzlich verschieden sind und damit die Besonderheit des Palästina-Konflikt verdecken: denn in diesem geht es ja nicht nur um das Recht auf einen eigenen Staat, sondern um das Recht auf Staatlichkeit an sich – den Palästinensern wird ja nicht einfach die Abspaltung von Israel verweigert, sondern ebenso die Einbürgerung, womit sie in einem perpetuierten Zustand der Rechtlosigkeit gefangen bleiben. D.h. ganz unabhängig von der Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Voelker geht es hier auch einfach um ein Recht, überhaupt Rechte zu haben.

  • Dass Die Linke Rackete nach Brüssel schicken möchte war und ist ein Fehler.

  • "„Ich trete für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein“"

    Man sollte solche Formulierungen nicht einach so verwenden weil sie ständig im Diskurs sind.



    Dann muss man sich nämlich fragen lassen ob man wirklich Volk oder Staat bzw. Nation meint, denn in letzterem können Angehörige unterschiedlicher Volkszugehörigkeiten zusammen leben.



    Sollte man das nicht unabhängig von aktuellen Konflikten z.B. in den 90igern bei den Balkankriegen mitgekriegt haben, respektive bei ihren Studienfächern dann spätestens dort?



    Angesichts des Magisterabschlusses in diesen, gehe ich mal davon aus dass dem so ist und muss deshalb fragen: Wieso darf sich das Deutsche, bzw. sich im Entstehen befindliche Europäische Volk dann nicht in freier Selbstbestimmung vor anderen Völkern schützen, auch durch Abschottung?



    Selbst bei Volker Pispers kam vor dem Teilen mit den Anderen das (ausreichende) Teilen mit den Armen hierzulande, wenn auch nur ein Komma vorher.

    Im Übrigen ist das BSW leider keinesfalls mehr gegen Migration als die Linke bisher, sie haben bei den Einwanderungsgesetzen sich ebenso enthalten und auch im Wahlomaten nicht gegen eine Erleichterung der (Arbeits)Migration ausgesprochen, sondern Neutral.

  • Keines der genannten Themen hat einen Bezug zu den Kompetenzen der EU geschweige den zu denen des EU Parlaments. Wieso will sie mit diesen Themen wieder ins EU Parlament?

    • @DiMa:

      Die EU ist auch selbst außenpolitisch tätig, das EU-Parlament befasst sich, genauso wie nationale Parlamente, daher auch mit außenpolitischen Fragen; es ist also keineswegs verwunderlich, dass solche Themen im Wahlkampf eine Rolle spielen.

      • @O.F.:

        Die EU hat - mit Ausnahme von Handelsabkommen - keine außenpolitischen Kompetenzen. Sie kann insbesondere keine anderen Staaten anerkennen. Das sind alles Themen der Mitglieder.

        Ansonsten gibt das Parlament genre mal Empfehlungen ab, nur haben diese halt keine Bindungswirkung und sind Schall und Rauch.

        • @DiMa:

          Die EU-Außenpolitik beschränkt sich keineswegs aud Handelsabkommen; dass der EU (die ja ein Staatenbund ist und kein Staat) durch die Mitgliedsstaaten Grenzen gesetzt werden, stimmt natürlich - aber das gilt im Grunde auch für andere Politikbereiche.

          • @O.F.:

            In anderen Bereichen (z.B. Russlandsanktionen) hat die EU kein Mandat. Daher ist jedes mal die einstimmige Zustimmung aller Mitglieder notwendig (wobei das Parlament dabei dann keine Rolle spielt).

            Alles andere sind nur Empfehlungen.

            • @DiMa:

              Meine Antwort steht oben, ich habe mich leider verpostet.

  • "„Ich betrachte Kriege aus einer Klassenperspektive: wessen Interessen werden damit verfolgt? Wer zahlt die Zeche?“



    (...) Häufig tritt sie als Rednerin bei Demonstrationen auf, zuletzt oft vor einer Palästina-Flagge.



    „Man konnte von Anfang an sehen, auf was dieser Krieg hinausläuft“, sagt Demirel über Gaza. „Aber ich habe das Gefühl, dass manche nicht so genau hinschauen wollen, was da passiert.“"



    Das ist sicher aus dem Zusammenhang, aber mir schimmert hier eine recht deutliche Einseitigkeit durch.



    Nach der Formulierung könnte man den Eindruck gewinnen, Israel habe diesen Krieg begonnen.



    In der Tat, die Frage stellt sich: wessen Interesen werden verfolgt, wer soll die Zeche zahlen?

  • Selbstbestimmungsrecht der Völker ist gut, das sollte mal den Russen in einer unabhängigen und freien Befragung gestellt werden, Putin wird da keine Rolle spielen. Leider gibt es in Russland keine freie Meinungsäußerung, deshalb ist die AfD ja für russische Verhältnisse, damit demokratische Strukturen unterbunden werden.



    AfD Wähler interessiert das alles nicht.