Deutschlands Rolle im Nahost-Konflikt: Gedankenspiele über Gaza
Baerbock erwägt die deutsche Beteiligung an einem Friedenseinsatz in Gaza. Zahlreiche Bedingungen müssten vorher erfüllt sein. Allen voran: Frieden.
Noch ist ein solches Szenario allerdings denkbar theoretisch. Erste Bedingung dafür wäre ein Ende des Krieges im Gazastreifen, doch ein solches ist noch immer nicht in Sicht.
Zwar steigt insbesondere von US-Seite der Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, ein Ende des Krieges herbeizuführen. Am Freitag hatte US-Präsident Joe Biden der Hamas ein Angebot zur Beendigung des Krieges unterbreitet und dieses als „neue Initiative“ aus Israel bezeichnet.
Seitdem kommen aus Israel zurückhaltende Stellungnahmen dazu. Am Montag erklärte Netanjahu, dass die von Biden vorgelegten Bedingungen „nicht korrekt“ seien. „Der Krieg wird unterbrochen, um die Geiseln zurückzubringen, und danach werden wir Gespräche führen“, so Netanjahu. Israel habe aber nie zugestimmt, sein Militär als Teil einer Vereinbarung vollständig aus dem Gazastreifen abzuziehen, hatte kurz zuvor der US-Nachrichtensender NBC News einen hochrangigen israelischen Beamten zitiert.
Der Knackpunkt bleibt
Derweil setzte Israel seine Angriffe im Gazastreifen unvermindert fort. Wie Krankenhäuser in dem Palästinensergebiet mitteilten, gab es bei israelischen Luftangriffen in der Nacht zu Montag mindestens 19 Tote.
Der Knackpunkt, der seit Monaten eine Einigung zu Gaza torpediert, bleibt also: Israel will den Krieg nicht beenden, bevor die Hamas endgültig zerstört ist. Hamas will einen Geiseldeal nur mit einem längerfristigen Waffenstillstand. Und die rechtsextremen Minister Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich drohen, aus der Koalition auszusteigen, sollte die Regierung Bidens Plan annehmen.
Darüber hinaus gibt es noch immer keinen tragfähigen Plan für den Gazastreifen nach dem Krieg. Innerhalb der israelischen Regierung wird um die Frage nach der zukünftigen israelischen Präsenz im Gazastreifen gerungen. Während Teile der Regierung, allen voran die Siedler*innen unter den Kabinettsmitgliedern, eine israelische Besiedlung des Gazastreifens bewerben, schließt etwa Verteidigungsminister Joaw Gallant diese aus. Einigkeit herrscht in der israelischen Regierung jedoch über eines: Die israelische Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen muss bestehen bleiben.
Allerdings kommt in der letzten Zeit etwas Bewegung in die Frage nach den Plänen für die Nachkriegszeit. Überraschend erklärte vor einer Woche der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammad Mustafa, seine Regierung bereite sich darauf vor, alle palästinensischen Gebiete einschließlich des Gazastreifens zu regieren.
Fragen, so offen wie theoretisch
US-amerikanischen Medienberichten zufolge tüfteln auch die USA an Plänen für ein Nachkriegs-Gaza und erwägen die Ernennung eines US-Vertreters zum Berater einer mehrheitlich palästinensischen Truppe in Gaza, wenn der Konflikt zwischen Israel und Hamas beendet ist. In dem Bericht heißt es, das Weiße Haus versuche, andere Staaten wie Ägypten, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate davon zu überzeugen, sich einer Friedenstruppe für Gaza anzuschließen. Möglicherweise steht Baerbocks Äußerung in einem Zusammenhang mit diesen Gedankenspielen.
Ein entsprechender Bundeswehreinsatz müsste zunächst vom Bundestag mandatiert werden. So offen wie theoretisch ist dabei die Frage, in welchem Rahmen ein solcher Einsatz stattfinden würde, ob etwa als EU-Mission oder als UN-Mission.
Dass es zu einer solchen Mission kommt, setzt viele andere Schritte voraus. Selbst wenn es zu einem Waffenstillstand in Gaza käme, müssten sich alle fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat auf ein UN-Mandat für eine internationale Truppe in Gaza verständigen. Dafür müssten die beteiligten Parteien, die das Gebiet mit ihren Streitkräften kontrollieren, einer solchen Mission zustimmen. Dann erst wäre eventuell Deutschland am Zug.
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