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Angriff auf Frau an Universität HamburgStreit nach Antisemitismusvorlesung

Eine Lesung zu Antisemitismus an der Uni Hamburg endet gewälttätig. Eine 26-Jährige schlug der Frau des Vortragenden ins Gesicht, diese wehrte sich.

Das Hauptgebäude der Universität Hamburg Foto: Markus Matzel/imago

Hamburg afp/dpa/epd/taz | Nach einer Lesung an der Universität Hamburg zum Thema Antisemitismus ist eine 56-jährige Frau angegriffen und geschlagen worden. Die Attackierte setzte sich daraufhin zur Wehr, wie die Polizei Hamburg am Freitag mitteilte. Nach Angaben der Deutsch-Israelischen Gesellschaft handelt es sich bei der Angegriffenen um eines ihrer Vorstandsmitglieder.

Zu der Auseinandersetzung kam es am Mittwochabend bei einer öffentlichen Ringvorlesung zum Thema Judenfeindlichkeit und Antisemitismus, in deren Verlauf es nach Polizeiangaben zunächst wiederholt zu Zwischenrufen kam. Nach Ende der Veranstaltung gerieten die 56 Jahre alte Frau des Vortragenden und einige Zuhörerinnen aus dem Publikum in Streit, in dessen Verlauf eine 26-Jährige ihre Gegnerin unvermittelt attackierte und ihr ins Gesicht schlug. Diese wiederum wehrte sich den Polizeiangaben zufolge, indem sie die 26-Jährige trat und biss.

„Während die 56-Jährige ihre Gesichtsverletzung vor Ort von einer Rettungswagenbesatzung behandeln ließ und sich später eigenständig in ärztliche Behandlung begeben wollte, verzichtete die jüngere Frau auf eine medizinische Betreuung ihrer Verletzungen“, teilte die Polizei weiter mit. Die Polizei leitete Strafverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung gegen die beiden Frauen ein.

Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts ermittelt. Dabei geht es auch um die Frage, ob es sich bei der Auseinandersetzung um einen antisemitischen Vorfall handelt. „Die Tat muss durch die Sicherheitsbehörden lückenlos aufgeklärt werden“, forderte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).

Gesellschaft stehe am „Scheideweg“

Die Universität Hamburg verurteilte die Tat. „Wir sind zutiefst erschüttert und verurteilen diese antisemitische Gewalttat aufs Schärfste“, erklärte Universitätspräsident Hauke Heekeren am Donnerstag. „Der Vorfall ist absolut inakzeptabel und abscheulich.“ An Hochschulen müssten jüdische Studierende, Mitarbeitende und Gäste „ohne Wenn und Aber sicher“ sein.

„Recht und Gesetz müssen an den Universitäten durchgesetzt werden“, forderte auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG). Nach Angaben der DIG Hamburg kommt die Angreiferin mutmaßlich aus dem propalästinensischen Milieu. Die „feige Attacke“ reihe sich ein in eine zunehmende Eskalation der Lage.

„Diese abscheuliche Tat macht deutlich, dass es nicht bei Hassreden bleibt, sondern Worten in letzter Konsequenz auch Taten folgen“, sagte der Beauftragte für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus in Hamburg, Stefan Hensel. Zudem verglich er die Tat mit Angriffen auf Politikerinnen und Politiker und machte deutlich, dass die Gesellschaft an einem „Scheideweg“ stehe und sich fragen müssen „ob sie bereit ist, die Gewalt von Extremisten und solche Angriffe weiter zu tolerieren“.

Hensel erinnerte an zahlreiche ähnlich gelagerte Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit. „Ich verstehe nicht, wie mit Protestcamps, Übergriffen und Gewalt den Menschen im Gazastreifen geholfen werden soll“, sagte er. Es zeige sich „einmal mehr, dass nicht die Hilfe für die Menschen im Gazastreifen im Vordergrund steht, sondern der Hass gegen Jüdinnen und Juden und alle Menschen, die sich mit Israel solidarisieren“, sagte der Hamburger Antisemitismusbeauftragte.

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8 Kommentare

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  • Die Hochschulen und die Städte sind unsichere Orte für jüdische Menschen geworden.

    Gestern fand vor der Humboldt-Universität in Berlin eine Kundgebung von jüdischen Studierenden statt, wo ausdrücklich die Ängste der jüdischen Studierenden artikuliert wurden.

    Aktuell stellt sich die Frage, was mit dem Schläger, der Lahav Shapira ins Krankenhaus prügelte, passieren wird? Das Hausverbot war auf drei Monate befristet. Was wird jetzt passieren?

  • Die Protestcamps in den USA und global haben wahnsinnig viel bewirkt—zb das Biden keine Munition mehr nach Israel liefert und viele amerikanische Universitäten Israel die Finanzierung entzogen haben—in Deutschland allerdings werden die Camps automatisch als antisemitisch verurteilt, obwohl oft hinter diesen sogenannten anti-antisemitische Positionen bloß versteckter Rassismus steckt—Aufklärung gegen Rassismus wird aber fast nie konsequent verfolgt .. siehe Hanau, etc.

    • @elma:

      Dein Kommentar unter einen Text in den beschrieben wird, dass eine Person Faustschläge aushalten musste, ist diese Tat zu ignorieren (was antisemitisch ist).

    • @elma:

      Die Camps werden als antisemitisch bezeichnet, weil diese Camps für antisemitische Positionen stehen und diese immer mehr mit Gewalt gegenüber Andersdenkenden durchsetzen wollen. Wenn man ein Rassist ist, sobald man diesen Positionen in den Camps widerspricht, dann bin ich gerne Rassist.

  • Juden in D, die NICHTS mit dem Nahostkonflikt zu tun haben, zu verprügeln scheint sich zu normalisieren - v.a. an Universitäten.



    Schöne neue postkoloniale, woke Linke, die solches nicht sofort und umstandslos verrrteilt. Da waren wir m.E. auch schon mal weiter.

    • @Emmo:

      In Berlin werden Juden einfach so auf offener Straße angegriffen. Dazu muss man nicht in die Universität. Die Taz hat immerhin über beide Angriffe am vergangenen Freitag berichtet.

  • In einer Ringvorlesung an einer Uni muss man als Zuhörer(in) andere nd ggf. auch unangenehme Meinungen aushalten.



    Punkt.

    Wer das nicht kann soll zu Hause bleiben.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Menschen, die von den Geschehnissen im Nahen Osten nicht direkt betroffen sind, greifen Menschen an, die mit diesen Geschehnissen nichts zu tun haben. Wahrscheinlich im Namen der Menschenrechte. Kann man sich kaum ausdenken.